Peter-Stefan Siller
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Hubert W. •

Frage an Peter-Stefan Siller von Hubert W. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Siller,

Ich mache es kurz – Sie erlauben:

1. Billigen Sie die neusten Standpunkte der Bundesregierung zu den GATS-Verhandlungen und -Verträgen? Falls nicht: Was wollen Sie ändern?

2. Unterstützen Sie die Verkäufe von öffentlichen Einrichtungen, wie Wasserversorgung, Krankenhäusern und Schulen? Falls (ggf. punktuell) nicht: Wie gedenken Sie dagegen vor zu gehen?

3. Halten Sie die WTO für eine demokratisch geführte und kontrollierte Organisation? Falls nicht oder nur teiweise: Wie wollen Sie sich dagegen oder für eine neue Institution einsetzen?

Mir würden - die Kürze der Zeit bis zur Wahl im Blick - Stichwort-artige aber bitte trotzdem eindeutig Stellung beziehende und Aussage-kräftige Antworten genügen.

Vielen Dank,
Hubert Weiß

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Weiß,

gerne beantworte ich Ihre Fragen zur internationalen Wirtschaftspolitik.

1. Billigen Sie die neusten Standpunkte der Bundesregierung zu den GATS-Verhandlungen und -Verträgen? Falls nicht: Was wollen Sie ändern?

Antwort:

Die Welthandelsrunde (sog. Doha-Entwicklungsrunde) muss ihrem Versprechen
gerecht werden und einen Beitrag dazu leisten, dass durch gerechten Handel
Millionen von Menschen aus der Armut befreit werden.

Ein gerechtes Handelssystem setzt voraus, dass möglichst alle Teilnehmer von
den Handelsregeln profitieren. Die Aufgabe, ein faires, transparentes und
nachhaltiges Welthandelsystem zu gestalten, kann aus grüner Sicht durch
multilaterale Kooperation besser gelöst werden. Regionale oder gar nur
bilaterale Abkommen sind die zweitbeste Lösung. Sie können zu Blockbildung
und Abgrenzung führen und erhöhen die Transaktionskosten von Staat und
Unternehmen. Gerade kleinere Länder geraten hier (noch) leichter unter die
Räder und werden keine substanziellen Zugeständnisse großer Akteure
erreichen.

Unser Ziel ist es, die Chancen, die die Globalisierung des Handels bietet,
fairer zu verteilen. Dabei muss die Handelspolitik am Ende der Verhandlungen
mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung, des Umweltschutzes, der
sozialen Gerechtigkeit und der Beachtung sozialer Mindeststandards, der
Armutsbekämpfung, der Sicherung des Wettbewerbs und des Gesundheits- und
Verbraucherschutzes in Einklang gebracht werden.
Die aktuellen Regeln des Welthandelssystems bevorzugen die Industrieländer.
Freihandel wird gepredigt, jedoch durch hohe Subventionen und
Marktzugangsbarrieren für "sensible Produkte" gleich wieder verhindert. Vor
allem Entwicklungsländer und die internationalen zivilgesellschaftlichen
Kampagnen für gerechten Handel klagen diese doppelten Standards an. Mehr als
drei Viertel der Mitgliedstaaten der WTO sind Entwicklungsländer. Diese sind
nicht länger bereit, eine Welthandelsrunde zu beenden, ohne größere Vorteile
erzielen zu können.

Der Protektionismus der reichen Industrieländer kostet die
Entwicklungsländer nach Schätzungen der Weltbank jährlich rund 100 Mrd.
Dollar und damit mehr als die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe, die im
Jahr 2004 circa 78,5 Mrd. Dollar ausgemacht hat. Eine echte Hilfe für die
Erreichung der UN-Entwicklungsziele wird also ein fairer Marktzugang zu den
Märkten der Industrieländer sein.

Parallel dazu geraten Entwicklungsländer bei der Umsetzung bereits
vereinbarter Liberalisierung unter Druck. Wir wollen die Schutzinteressen
schwächerer Länder anerkennen. Im Grundsatz bietet die WTO dafür einen
Rahmen. So können im Rahmen einer sog. "speziellen und differenzierten
Behandlung" Vereinbarungen getroffen werden, die der Leistungsfähigkeit der
Entwicklungsländer entsprechen.

Dabei setzen wir auf einen verbesserten Marktzugang für Entwicklungsländer,
die Beendigung der unfairen Konkurrenz durch (Export-)Subventionen der
Industrieländer

Bei den Agrarverhandlungen muss sichergestellt sein, dass das Recht auf
Nahrung gestärkt und die ländliche Entwicklung in Entwicklungsländern
unterstützt und nicht behindert wird. Bei der weiteren Ausgestaltung des
Abkommens zum Schutz des geistigen Eigentums muss der Zugang zu
lebensnotwendigen Medikamenten sichergestellt sein. Ebenso darf Zugang zu
pflanzengenetischen Ressourcen und die Verwendung von Saatgut nicht
eingeschränkt werden.

Die Politik internationaler Finanzinstitutionen und der WTO darf die Ziele
globaler Umweltpolitik nicht gefährden oder gar konterkarieren. In der WTO
sollte dem umweltpolitischen Vorsorgeprinzip mehr Bedeutung eingeräumt
werden. Bezogen auf die Umweltthemen in der laufenden Welthandelsrunde soll
am Ende der Verhandlungen der Wegfall umweltschädlicher Subventionen in der
Fischerei und in der Landwirtschaft sowie der Abbau umweltschädlicher
Exportsubventionen stehen. Vorrangig sind aber die Anerkennung der
Gleichrangigkeit und die gegenseitige Unterstützung von Multilateralen
Umweltabkommen und WTO-Regeln. Durch entsprechende Ergänzungen in den
WTO-Verträgen muss sichergestellt sein, dass Maßnahmen und Standards, die in
globalen Umweltschutzabkommen festgelegt sind, nicht durch die
Streitschlichtung in der WTO in Frage gestellt werden können.

2. Unterstützen Sie die Verkäufe von öffentlichen Einrichtungen, wie
Wasserversorgung, Krankenhäusern und Schulen? Falls (ggf. punktuell) nicht:
Wie gedenken Sie dagegen vor zu gehen?

Antwort:
Bei den Verhandlungen über das Dienstleistungsabkommen (GATS) begrüßen wir,
dass die EU keine Verhandlungen im Bereich Wasser, Gesundheit und
kulturelle/audiovisuelle Dienstleistungen anbietet. Die EU sollte keine
Liberalisierung im Wassersektor im Rahmen des GATS-Abkommens in anderen
Ländern erzwingen und nicht auf Forderungen bestehen, die den nationalen
Finanz- und Bankensektor gefährden bzw. den Aufbau nationaler
Finanzinstitutionen.

3. Halten Sie die WTO für eine demokratisch geführte und kontrollierte
Organisation? Falls nicht oder nur teiweise: Wie wollen Sie sich dagegen
oder für eine neue Institution einsetzen?

Antwort:
Wie für andere Institutionen gilt für die Welthandelsorganisation: Sie muss
transparenter und demokratischer werden - bezogen auf den Ablauf der
Verhandlungen, die Verbesserung der Streitschlichtung und die Möglichkeiten
von Parlamenten und Zivilgesellschaft Gehör zu finden.