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Frage von Wilk S. •

Frage an Paul Schäfer von Wilk S. bezüglich Recht

Liebe Kandidatin, lieber Kandidat zur Bundestagswahl 2013

der BdB ist mit rund 6.000 Mitgliedern der größte Verband für Berufsbetreuer in Deutschland . Aufgrund der Tatsache, dass das Betreuungsrecht nicht so bekannt ist, haben wir uns zur Wahl entschieden Sie zu diesem Thema zu befragen.

Seit Feb. 2013 ist es nach §1906 (3) möglich Menschen gegen ihren natürlichen Willen zu behandeln (Zwangsbehahndlung). Diese Möglichkeit der Behandlung entspricht aus unsere Sicht nicht der UN Behinderterechtskonvention.

Wie stehen Sie persönlich zur Zwangsbehandlung, wie steht Ihre Partei zur Zwangsbehandlung?

Vielen Dank.

Mit freundlichem Gruß
Landesvorstand BdB NRW

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Spieker,

persönlich teile ich Ihre Einschätzung, dass die erfolgten Regelungen im § 1906 Abs.3 BGB nicht der UN-Behindertenrechtskonvention entsprechen. Deshalb betonte ich in der Plenarrede am 01. März 2013: „Betreut oder begleitet, vertreten oder unterstützt - das ist ein grundlegender Unterschied in der Verfasstheit eines Lebens. Hier steht nicht nur unser Menschenbild, sondern unser Freiheitsverständnis auf dem Prüfstand. Es geht um Partizipation und Emanzipation. Es geht darum, uns selbst ernst zu nehmen. Jede und Jeden. Jeden Tag.“

Grundsätzlich vertritt DIE LINKE die Forderung nach voller Teilhabe an allen Phasen des gesellschaftlichen Lebens und an allen öffentlichen Gütern. Dafür werden barrierefreie und inklusive Angebote, Einrichtungen, Strukturen und Verfahren sowie der Anspruch auf bedarfsgerechte, einkommens- und vermögensunabhängige Teilhabeleistungen wie unter anderem persönliche Assistenz oder Hilfsmittel benötigt.

Für DIE LINKE bleibt eine medizinische Zwangsbehandlung gegen den natürlichen Willen ein schwerer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht. Das bestehende Recht geht immer noch von der "Einwilligungsunfähigkeit" aus. Die UN-Behindertenrechtskonvention verwendet diesen Begriff nicht, da ihr das Fähigkeitskonzept des Art. 12 Abs. 2 zugrunde liegt. Zur rechtlichen Handlungsfähigkeit gehört demnach u. a. auch die Einwilligungsfähigkeit. Deshalb wird in Art. 15 UN-Behindertenrechtskonvention auf die "freiwillige Zustimmung" und eben nicht auf die "Einwilligungsfähigkeit" abgestellt. DIE LINKE fordert die konsequente Umsetzung von Artikel 14 UN-Behindertenrechts-konvention. Demzufolge sind auch Regelungen zur Unterbringung nach dem Betreuungsrecht grundlegend zu überarbeiten, sodass das Vorliegen einer Behinderung - auch schweren Behinderung - in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt. DIE LINKE tritt für die unterstützte Entscheidungsfindung (supported decision-making) anstelle der stellvertretenden Entscheidung ein. Die Bundesregierung verwendet jedoch oft noch „Unterstützung“ und „Vertretung“ synonym.

Gerade in dem hochsensiblen Bereich ärztlicher Zwangsmaßnahmen, der die grundlegenden Artikel 14, der Freiheit und Sicherheit der Person und Artikel 17, den Schutz der Unversehrtheit der Person in der Konvention berührt, sind alle gesetzlichen Neuregelungen mit den Verbänden der Psychiatrieerfahrenen und den Menschen mit Behinderungen gemeinsam zu erarbeiten. Diese Position des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung unterstützt DIE LINKE.

DIE LINKE hat sich im Zusammenhang der Zwangsbehandlungen noch einmal dafür stark gemacht, dass Soziotherapie, ambulante psychiatrische Pflege, niedrigschwellige ambulante Psychotherapie, Grundversorgung durch die sozialpsychiatrischen Dienste und Krisenintervention flächendeckend zur Verfügung zu stellen sind. Die Zwangsbehandlung ist zugleich Resultat und Endpunkt eines Mangels an niedrigschwelligen ambulanten Hilfen.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Schäfer