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Patrick Döring
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Frage von Thomas S. •

Frage an Patrick Döring von Thomas S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,

Ihre Partei tritt seit längerem für eine Privatisierung des Betriebs der Deutschen Bahn ein.

Inwieweit ist in der "Bahnbranche" überhaupt echter Wettbewerb möglich? Hätte das privatisierte Unternehmen nicht automatisch ein Monopol?

Was sagen Sie zu den Befürchtungen, dass eine sich nur an Wirtschaftlichkeit orientierende Bahn den Betrieb von Strecken, welche weniger nachgefragt sind, einstellt, was erhebliche Nachteile für die Bürger vor Ort haben kann? Ist eine so elementare Dienstleitung ("Öffentliche Daseinsvorsorge") nicht an jedem Ort zu erbringen, auch wenn es nicht rentabel ist? Wie wollen Sie das bei einer privatisierten Bahn sicherstellen?

Zeigt das S-Bahn-Chaos in Berlin nicht, dass eine rein wirtschaftlich denkende Bahn ohne massive Nachteile für den Verbraucher nicht möglich ist?

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Schmidt

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schmidt,

vielen herzlichen Dank für ihre Frage.

Eine gut gemachte Privatisierung hat nach meiner Überzeugung entscheidende Vorteile für Angebot, Preis und Service. Voraussetzung ist aber zum einen, dass das Unternehmen selbst privatisierungsfähig ist. Das ist für die deutschen Verkehrstöchter der DB AG derzeit erkennbar nicht der Fall. Und zum anderen muss auch im Markt selbst ein ausreichender Wettbewerb bestehen. Das ist auf dem deutschen Schienenverkehrsmarkt, insbesondere im Fernverkehr, derzeit nicht gegeben. Die Privatisierung eines staatlichen Monopols kommt für uns aber nicht in Frage. Um unser Ziel einer Wettbewerbsprivatisierung zu erreichen, arbeiten wir deshalb daraufhin, die Attraktivität, den Service und die Konkurrenzfähigkeit der Deutschen Bahn AG zu verbessern - und gleichzeitig die Voraussetzungen für einen echten Wettbewerb auf der Schiene zu schaffen.

Mit dieser doppelten Zielsetzung haben wir eine echte Kehrtwende in der deutschen Bahnpolitik eingeleitet. Über elf Jahre haben die verantwortlichen SPD-Minister die DB AG mit maximalen Zuschüssen unterstützt, die Entstehung von Wettbewerb auf dem deutschen Markt nach Kräften behindert - und mit den daraus erwachsenden Monopolgewinn der Ausbau der DB AG zu einem internationalen Logistikdienstleister finanziert, während das "Brot und Butter-Geschäft" konsequent und bewusst vernachlässigt wurde - wie nicht zuletzt der neue Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube kürzlich festgestellt hat. Das ist das genaue Gegenteil unserer Politik. Die DB AG sollte als "global player" aufgestellt werden und als so genannter "integrierter Konzern" privatisiert werden. Die SPD hätte, so weit wie möglich, den Schienenverkehr und das Schienennetz zusammen privatisiert - und damit die Entstehung eines echten Wettbewerbs dauerhaft unterbunden und die Monopolgewinne der DB AG privatisiert.
Die FDP hat vor den Folgen dieser falsch verstandenen Privatisierungsstrategie immer gewarnt und eine ordnungspolitisch saubere Konzeption angemahnt. Privatisierung darf kein Selbstzweck sein, sondern muss im Rahmen eines Wettbewerbskonzeptes erfolgen. Die Privatisierung eines Monopolkonzernes, wie es der SPD vorschwebte, lehnen wir genau so entschieden ab wie die Privatisierung der Schieneninfrastruktur. Privatisierungsfähig sind hingegen grundsätzlich die internationalen Geschäftsfelder der DB AG - der deutsche Staat braucht keine Beteiligung an Lufttransportgesellschaften in den USA und Logistikunterneh-men in Asien. Mittel- bis langfristig sind außerdem auch die Verkehrstöchter der DB AG in Deutschland (also der Nah- und Fernverkehr auf der Schiene) teilweise zu privatisieren - allerdings nur, wenn diese Unternehmen auch in einem ordentlichen Zustand sind und in ausreichendem Maße Wettbewerb besteht. Die Privatisierung von Monopolstrukturen ist für uns, um das in aller Deutlichkeit zu wiederholen, grundsätzlich ausgeschlossen.

Diesen Überzeugungen folgend haben wir im Koalitionsvertrag ein ordnungspolitisches Konzept durchgesetzt, um den Wettbewerb zu stärken und die DB AG darauf zu verpflichten, ihre Investitionen in die Schieneninfrastruktur zu stärken.
Gegenwärtig ist es so, dass das Schienennetz, das der Bund jährlich mit vier Milliarden Euro subventioniert, sich vollständig im Besitz der Deutschen Bahn AG befindet. Für die Nutzung dieses Netzes zahlen die Schienenverkehrsunternehmen - also die Verkehrsgesellschaften der Deutschen Bahn und ihre Konkurrenten - so genannte Netzentgelte, also eine Art Schienenmaut. Nach Abzug ihrer Betriebskosten macht die Infrastruktur mit diesen Einnahmen jährlich einen Gewinn von mehreren hundert Millionen Euro. Dieser Gewinn wird von der DB Netz AG aber nicht wieder in Infrastruktur reinvestiert, sondern wird der allgemeinen Bilanz des Gesamtkonzerns zugeführt.
Diese Gewinnabführung aus dem Schienennetz wollen wir stoppen und die DB AG dazu veranlassen, dieses Geld in vollem Umfang für Investitionen in die Infrastruktur bereit zu stellen. Dazu müssen wir entsprechende Verträge zwischen der DB Netz AG, die die Infra-struktur betreibt, und dem Konzern kappen. Wenn uns dies gelingt, bedeutet dies zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur.

Gleichzeitig stärken wir dadurch die Unabhängigkeit des Schienennetzes. In Zukunft wäre (anders als bisher) nicht mehr wichtig, wer auf dem Netz fährt (also die DB AG oder ein Konkurrent) - sondern allein entscheidend, dass viel gefahren wird. Denn das Interesse eines weitgehend unabhängigen Netzbetreibers liegt in der Maximierung des eigenen Gewinns - und der hängt in diesem Fall nun einmal entscheidend vom Verkehrsaufkommen ab. Eine weitgehend unabhängige Netz AG würde dementsprechend auch andere Investitionsentscheidungen treffen als bisher - und sich eben weit mehr an Kriterien der Kapazitätsentwicklung und weniger an Monopolinteressen und politischen Opportunitäten des Gesamtkonzerns orientieren.
Die Kritik - die sich bezeichnenderweise wieder die SPD zueigen gemacht hat - dass der Konzern das nicht leisten könne, weil er gleichzeitig 500 Millionen Euro Dividende zahlen soll, ist aber schlicht irreführend. Bei einem Gesamtgewinn von derzeit über zwei Milliarden Euro (Tendenz steigend) kann die Bahn beides leisten: Eine Gewinnbeteiligung an den Bund zahlen - der den Konzern seit Jahren massiv subventioniert hat - und gleichzeitig die Gewinne aus dem Schienennetz zu hundert Prozent wieder investieren. Die gute Ertragslage des Unternehmens erlaubt es, das ein zu tun ohne das andere zu lassen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dieser Politik sowohl den Schienenverkehr in Deutschland insgesamt stärken als auch die Konkurrenzfähigkeit der DB AG international verbessern werden. Wir brauchen mehr Wettbewerb, wir brauchen mehr Investitionen und wir brauchen ein unabhängigeres Schienennetz. Daran arbeiten wir - und ich würde mich freuen, wenn Sie uns bei diesem Vorhaben unterstützen würden.

Mit freundlichen Grüßen,

Patrick Döring MdB