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Otto Fricke
FDP
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Frage von Ottmar M. •

Frage an Otto Fricke von Ottmar M. bezüglich Finanzen

Guten Tag Herr Fricke,

die FDP steht angeblich für den freien Markt und den Abbau von Subventionen. In der Praxis sieht es allerdings so aus, daß die FDP diese Theorien nach Gutdünken aushebelt. Die Aktionäre der ohne Eingreifen des Staates bankrotten Hypo Real Estate sollten auf Kosten des Steuerzahlers entschädigt werden, nicht wahr, Herr Fricke? Üblich ist allerdings, dass die Eigentümer im Insolvenzfall nichts bekommen, weil zunächst die Gläubiger zu befriedigen sind. Warum werden die europäischen Banken subventioniert, indem sie für 1% Geld bei der EZB bekommen und es für 4-6% an Staaten weiterverleihen? Wenn Banken ohne diese Subventionierung nicht überleben können, warum werden sie nicht verstaatlicht, falls sie „systemrelevant“ sind? Wieso werden Banken und deren Eigentümer auf Kosten der Normalbürger subventioniert? Hochverschuldeten Staaten werden für diese Zinsen „Reformen“ und Sparprogramme auferlegt, die kein einziges Problem lösen (Griechenland, Portugal, Spanien) aber zu Massenarmut und sozialen Konflikten führen. Die „Reformpolitik“ der FDP löst ja auch hierzulande kein Problem. Auch die deutsche Staatsverschuldung steigt und steigt trotz Hochkonjunktur. Daneben hat sich ein enormer staatl. Investitionsstau aufgebaut und die soziale Schere geht immer weiter auseinander! Warum, Herr Fricke, müssen Staaten an private Banken, die billiges staatliches Geld erhalten, hohe Zinsen zahlen, während der Normalbürger dafür im Gegenzug den „Gürtel dafür enger schnallen“ muss? Was hat das mit Marktwirtschaft zu tun? Ist das nicht „Zinssozialismus“? Wenn die EZB keine Staaten finanzieren soll, warum wird keine Institution geschaffen, die Krisenstaaten wenigstens hohe Zinsen erspart, statt diese privaten „Anlegern“ zu schenken? Griechenland wurde durch die Reformen und Sparpolitik restlos ruiniert, soll das mit anderen Staaten auch so gemacht werden? Bitte beachten Sie die Fragestellung, es geht nicht um lange Abhandlungen, sondern präzise Antworten.
O. Müller

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Müller,

danke für Ihr vielfältiges Fragenpaket. Bevor ich zur eigentlichen Beantwortung komme, muss ich Sie in Ihrer Auffassung jedoch zunächst korrigieren. Sie schreiben, die FDP stünde für freie Marktwirtschaft. Das ist schlichtweg falsch! Freie Marktwirtschaft meint die dezentrale Planung und Koordination der Wirtschaftsprozesse ohne jedweden staatlichen Eingriff. Das ist kein Modell, für das sich die FDP einsetzt. Vielmehr sind wir Anhänger der sozialen Marktwirtschaft, deren Leitbild zwar ebenfalls eine Wettbewerbswirtschaft ist, die jedoch im Gegensatz zu einer freien Marktwirtschaft deutlich stärkeren Regulierungen unterliegt und die sozialen Folgen von Wettbewerb und Konkurrenz durch staatliche Eingriffe abmildert. So bietet die soziale Marktwirtschaft durch wirtschaftliche Leistung einen gesicherten sozialen Fortschritt und arbeitet gleichzeitig auf sozialen Ausgleich hin. Einen hemmungslosen und unregulierten Kapitalismus lehnen wir ab.
Zur Frage der subventionierten europäischen Banken lassen Sie mich bitte folgende Aspekte ansprechen. Das von Ihnen beschriebene Szenario, dass Banken von der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Leitzins von einem Prozent Geld leihen können, dieses geliehene Geld von den Banken jedoch für weitaus höhere Zinsen an Staaten weiter verliehen wird, hängt mit dem hohen Ausfallrisiko der von der Krise betroffenen Staaten zusammen.
Das Ausfallrisiko eines Staates lässt sich üblicher Weise am einfachsten an den Beurteilungen der großen Ratingagenturen ablesen. Ein dreifaches A - das sogenannte "Triple A" - steht hierbei für sehr niedriges bis gar kein Ausfallrisiko. In diesem Falle kann ein Gläubiger also mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er das von ihm verliehene Geld samt Zinsen vom jeweiligen Schuldner zurückerhalten wird. Im Falle von Banken-Staaten-Beziehungen ist es bei einem "Triple A" also sehr wahrscheinlich, dass ein Staat das von ihm geliehene Geld an die Banken zurückzahlen kann. Sinkt diese Wahrscheinlichkeit - steigt also das Ausfallrisiko für den Gläubiger - nimmt auch die Bonitätsbewertung ab. Mit abnehmender Bonitätsbewertung wiederum verlangen die Gläubiger mehr Zinsen, da die Kreditvergabe für sie gefährlicher wird. Sie preisen das Ausfallrisiko also in die Kreditkosten mit ein.
Wenn Staaten ein sehr hohes Ausfallrisiko aufweisen, werden die Zinsen für das von ihnen geliehene Geld steigen. Betrachten Sie Griechenland als Beispiel: Da Griechenland finanziell vor großen Problemen steht und völlig überschuldet ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass der Staat überhaupt noch aus eigener Kraft in der Lage ist, sich Geld zu leihen und es anschließend vollständig - samt des aktuell sehr hohen Zinssatzes - zurückzuzahlen. Um diese Situation abzumildern, erhält Griechenland ja bereits über die Rettungsmechanismen deutlich vergünstigte Gelder von den anderen Staaten der Gemeinschaft. Durch ihre gemeinsame Bürgschaft sinken die Zinsen für Griechenland und der Staat kann sich leichter refinanzieren, als wenn er dies aus eigener Kraft tun müsste. Faktisch übernehmen hierbei allerdings die anderen Staaten einen Teil des Ausfallrisikos, das sonst die Banken getragen hätten.
Anders bei Deutschland: Die deutsche Bonität wird allgemein als ausgesprochen gut angesehen. In den Augen von Gläubigern und Ratingagenturen ist das Ausfallrisiko hier extrem gering. Daher kam es in der Vergangenheit sogar mehrfach zu der paradoxen Situation, dass Deutschland für geliehenes Geld keine Zinsen zahlen musste sondern im Gegenteil sogar dafür bezahlt wurde. Ohne Frage eine Ausnahmesituation, aber ein gutes Beispiel dafür, dass das Zusammenspiel von Ausfallrisiko und Zinshöhe innerhalb der Eurozone seit der Eurokrise relativ gut funktioniert. Die Banken sichern sich heute gegen Risiken deutlich besser ab als früher, was natürlich für einige Staaten zu höheren Zinsen führt. Insgesamt wird es die Stabilität unserer europäischen Wirtschaft jedoch stärken.
Schließlich sorgen hohe Zinsen vor allem dafür, dass Staaten nicht länger mehr Geld ausgeben, als ihnen realistischer Weise zur Verfügung steht. Sie haben in gewisser Weise eine den Markt bereinigende und pädagogische Funktion. Dies würde man unterlaufen, wenn man allen Eurostaaten zum gleichen Zinssatz Geld leihen würde oder - wie Sie vorschlagen - die Privatbanken direkt ausschalten und das Geld gleich von Seiten der EZB zum Leitzins ausgeben würde. Für diesen Fall gibt es aus meiner Sicht zwei Szenarien:
Entweder der Leitzins bleibt für alle Staaten gleich, was vom Prinzip her einer Vergemeinschaftung der Schulden gleichkommen und jedweden Reformdruck für die eigentlich unsolide wirtschaftenden Staaten abmildern würde. Ein Effekt, den wir ja bereits vor der Krise hatten, als alle Staatsanleihen innerhalb der Eurozone als gleich risikobehaftet angesehen wurde, und der erst zur heutigen Staatsschuldenkrise geführt hat. Außerdem ist dabei die Gefahr einer immensen, kaum zu kontrollierenden Inflation extrem hoch.
Oder aber die EZB selbst greift in Szenario zwei auf differenzierte Leitzinsen für einzelne Staaten zurück, da sie ja - wie Sie vorschlagen - selbst das Ausfallrisiko tragen und dementsprechend für jeden einzelnen Gläubiger einschätzen sowie einpreisen müsste. In diesem Fall würde Griechenland dann nicht mehr von privaten Banken auf Grund seiner desolaten finanziellen Situation zu hohen Zinssätzen Geld leihen, sondern gleich von der Zentralbank. An der eigentlichen Problemsituation für Griechenland würde sich nichts verändern, aber die Gefahr wäre extrem groß, dass wir so den gemeinsamen Währungsraum sprengen. Schließlich würden wir den Leitzins faktisch seiner eigentlichen Bedeutung berauben und jedwede Möglichkeit solider Geldpolitik zerstören. Meines Wissens nach hat es bisher auch noch keinen gemeinsamen Währungsraum gegeben, in dem die Zentralbank an bestimmte Gläubiger zu unterschiedlichen Leitzinsen Geld verliehen hat. Ihr Vorschlag würde damit faktisch unser gesamtes - und in meinen Augen über Jahrzehnte bewährtes - System sprengen, ohne etwas am Problem zu verändern. Denn eines ist klar: Egal wie man ein Finanzsystem organisiert: Das Risiko ausbleibender Zins- und Ratenzahlungen bei Krediten wird es immer geben und irgendwer muss es immer tragen. In unserem System sind es in erster Linie die privaten Banken.
Wie Sie also sehen, stellen die Banken einen wichtigen Bereich unseres Banken- und Wirtschaftssystems dar. Sie sind keineswegs überflüssig. Eine Abschaffung der Privatbanken, und ein direkter Geldtransfer zwischen Bürger und EZB, sind folglich nicht tragbar. Gleiches gilt in meinen Augen für die grundsätzliche Verstaatlichung von Banken. Das vorübergehende Eingreifen des Staates in Krisenzeiten, wie wir sie jetzt haben, ist für mich ein Weg, den man kurzzeitig gehen darf. Eine dauerhafte Einflussnahme des Staates auf die Banken und die Zinspolitik wäre jedoch ein gewaltiger Schritt in Richtung Planwirtschaft. Aufgrund meiner Vorstellung von sozialer Marktwirtschaft wäre dies für mich nicht zu verantworten.
Zur Frage des Zinssozialismus muss ich Ihnen eine Gegenfrage stellen: Wieso Zinssozialismus? Wenn überhaupt, dann wäre das von Ihnen beschriebene Szenario doch allerhöchstens - und überspitzt gesagt - als Form des Kapitalismus anzusehen. Ihre Meinung, dass es billiges staatliches Geld sei und die Staaten dafür zu hohe Zinsen zahlten, ist auch hier mit Haftung und Absicherung verbunden, was ich ja bereits zu Ihrer ersten Frage genauer erläutert habe.
Zu guter Letzt möchte ich auf die Sparpolitik in Deutschland eingehen. Die FDP setzt sich seit langem für verantwortungsbewusstes Sparen ein. Gleichzeitig muss man jedoch stets bedenken, dass unser Staat über viele Jahrzehnte Hinweg extrem viel Geld ausgegeben und immense Schulden aufgebaut hat. Deswegen kann man den Weg, Schulden abzubauen, nicht binnen weniger Tage bestreiten. Der Schuldenabbau braucht einfach seine Zeit, schließlich ist ein Staat kein privatwirtschaftliches Unternehmen. Er muss Rechtsansprüche - vor allem finanzieller Natur - garantieren, Rentenzahlungen sichern, das Gesundheitssystem bezahlen und für die Arbeitslosenversicherung aufkommen. Bereits heute besteht der Bundeshaushalt zu knapp 50 Prozent aus Sozialausgaben. Viele dieser Ausgaben beruhen auf Rechtsansprüchen, die aufgrund von Bestandsschutz selbst durch Gesetz nicht einfach abgeschafft werden können. Das ist für Sparbemühungen natürlich ein großes Problem.
Dennoch hat sich schwarz-gelb selbst dazu verpflichtet, bis zum Jahre 2016 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Derzeit arbeiten wir sogar daran, dies noch früher zu schaffen. Bereits der Haushalt 2013 ist von Seiten des Bundes strukturell ausgeglichen. Lediglich die einmaligen Zahlungen für Eurorettung und an die Bundesländer sorgen für eine geringe zusätzliche Neuverschuldung. Dennoch können FDP und CDU von sich behaupten, als erste Regierungskoalition seit Jahrzehnten innerhalb ihrer Amtszeit die Ausgabenseite des Haushaltes nicht weiter ausgebaut zu haben. Vielmehr werden wir 2013 sogar weniger Ausgaben verzeichnen als im Jahre 2009. Sowohl bei rot-grün als auch bei der großen Koalition sah dies noch ganz anders aus. Im Laufe beider Regierungskoalitionen stiegen die Ausgaben des Bundeshaushaltes jeweils um einen zweistelligen Milliardenbetrag. Im Vergleich damit, zeigt unsere Politik der kleinen Schritte Wirkung.
Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zu Ihrer Frage im Allgemeinen verlieren: Ich kann verstehen, dass Sie eine strukturierte Antwort von mir erwarten und hoffe, diesen Anspruch halbwegs erfüllt zu haben. Wenn Sie jedoch eine solche Erwartung formulieren, erwarte ich auch Ihrerseits eine halbwegs strukturierte, argumentativ aufgebaute und vernünftige Umgangsweise. Wenn Sie sich Ihren Fragenkatalog ansehen, besteht er aus nicht weniger als neun wild hintereinander gereihten, teils nicht zusammenhängenden und kaum begründeten Fragen. Stattdessen werfen Sie mit populären Formulierungen wie "Zinssozialismus", "Verstaatlichung" und "freier Marktwirtschaft" um sich, ohne dass ich das Gefühl habe, dass Sie sich mit deren Bedeutung bisher überhaupt einmal ausführlicher beschäftigt haben. Zu alledem schreiben Sie dann noch, dass Sie keine "langen Abhandlungen" erwarten. Doch genau die sind leider teilweise notwendig, um ein Problem oder einen Zusammenhang in seiner Komplexität zu verstehen. Wenn Sie dies nicht möchten, ist das natürlich legitim. Doch dann stellen Sie bitte auch nicht derart viele, wild zusammen gewürfelte Fragen, in einem Stil - beispielsweise ohne jedweden Gruß - den ich hier auf meiner Seite nur ungern sehe. Schließlich behandle ich auch Sie als Fragesteller freundlich und mit Respekt, also erwarte ich Gleiches von Ihnen. Wenn Sie jedoch daran interessiert sind, die von Ihnen angesprochenen Probleme, ihre Zusammenhänge, Komplexitäten, Begründungen und Verflechtungen genauer zu verstehen, kann ich Sie nur dazu einladen, sich detailliert mit der Materie zu beschäftigen und auch einmal lange Abhandlungen zu lesen. Schließlich lassen sich Politik und Wirtschaft - gerade bei diesem Thema - nicht mit Halbwissen oder gar nebenbei machen. Dafür sind die Risiken zu groß, die Probleme zu komplex und die Details zu wichtig. Bitte beachten Sie dies bei Ihren künftigen Fragestellungen, sollten Sie diese erneut an mich richten.

Es grüßt Sie herzlich aus Berlin
Ihr Otto Fricke

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