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Oliver Keymis
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Frage von Patrick S. •

Frage an Oliver Keymis von Patrick S. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Keymis,

Sie schreiben in ihrer Antwort auf Herrn Schöpe dass für sei einige Punkte für die Reform des Rundfunkstaatsvertrages sprechen.
Welche Punkte sprechen denn in ihren Augen für diese Reform?
Ich sehe in dieser Reform für die Bürger keinen Vorteil.
Die GEZ wird nicht abgeschafft. Einen großen Bürokratieabbau gibt es nicht. Nach eigener Aussage plant die GEZ erst einmal 400 NEUE Stellen zu schaffen und dann langfristig (vielleicht) 100 Stellen abzubauen.
Der Datenschutz wird sogar massiv verschlechtert. (siehe Aussagen aller 16 Landesdatenschützer).
Der neue Vertrag ist genauso kompliziert wie der alte und beinhaltet wieder zahllose Sonderregeln und schwammige Formulierungen. (siehe z.B. Definition was eine Wohnung im Sinne des Vertrages ist). Viele Bürger und Betreibe müssen mehr zahlen.
Kontrollen wird es weiterhin geben nur anstatt Rundfunkgeräte zu kontrollieren werden jetzt Wohnungen, Mitarbeiteranzahl und Autos kontrolliert.
Ebenso muß man weder nach dem alten noch nach dem neuen System Kontrolleure in sein Haus lassen wenn man es nicht möchte.

Der Bestand der ÖR hängt auch nicht von diesem neuen Vertrag ab. In England gibt es auch noch eine Geräte Gebühr die wunderbar funktioniert. Dort sind jedoch PC und Handys im Gegensatz zu uns nicht Gebührenpflichtig. Deshalb ist dort das System auch einfacher und es sind weniger Kontrollen von nöten.
Warum wird diese schlechte Reform jetzt unter Zeitdruck und ohne Verbesserungsmöglichkeiten der Parlamente durchgewunken? Warum lässt man sich nicht einfach noch vier Jahre Zeit und macht eine gute Reform die wirklich einfacher ist, Vorteile für den Bürger bringt und auch den Datenschutz verbessert? Die ÖR werden auch mit dem alten System noch vier Jahre weiter bestehen.

Vielen Dank

P .SCholtes

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Scholtes,

vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 3. September 2011. Ihre aufgeführten Punkte, die aus Ihrer Sicht gegen die Reform sprechen, überzeugen mich nicht. Sie hatten mich am 04.09.2011 auch via „abgeordnetenwatch.de“ angeschrieben, dorthin werde ich die gleichlautende Antwort senden, allerdings fehlen dort die hier beigefügten vier lesenswerten Anhänge.

Gerne schreibe ich Ihnen, welche Punkte aus meiner Sicht für die Annahme des neuen „Gebührenstaatsvertrags“ sprechen:

1. Der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) regelt den Übergang von der Geräte- zur Haushaltsabgabe. Das war - sowohl im Sinne der Beitragsgerechtigkeit als auch im Sinne der heutigen Medienrealität - ein absolut sinnvoller Schritt, der eine zentrale Rolle für die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks spielt. Insofern haben wir GRÜNE diesen Schritt immer als notwendige Veränderung angesehen und begrüßen es, dass inzwischen alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten diese Position im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag durch ihre Unterschriften manifestiert haben.

2. Nordrhein-Westfalen hat sich, seit die neue rot-grüne Landesregierung im Amt war (die Verhandlungen für den neuen Staatsvertrag waren bei Regierungsantritt im Wesentlichen von der schwarz-gelben Vorgängerregierung abgeschlossen), für einen stärkeren Datenschutz im 15. RÄStV eingesetzt. Außerdem sollte man sich in der Abwägung auch vor Augen führen, wie das System der Geräteabgabe aussieht und dass dieses System darauf basiert, dass der GEZ-Mann (oder die GEZ-Frau) zweimal klingelt und es jedes Jahr regelmäßig Beschwerden über Außendienstmitarbeiter der GEZ gibt, die versuchen, sich auch Kontrollgründen zu Wohnungen Zutritt zu verschaffen. Dieses System fällt mit der Neuregelung künftig endlich weg.

3. Zu Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes ist zu sagen, dass im Nachgang zur Anhörung der Landesdatenschutzbeauftragten und der Datenschutzbeauftragten der Rundfunkanstalten verschiedene datenschutzrechtliche Bedenken im Herbst 2010 aufgegriffen und eine Vielzahl von Details nochmals angepasst wurden. So dürfen z.B. die Landesrundfunkanstalten in Anbetracht des einmaligen Meldedatenabgleichs bis zum 31.12.2014 keine Adressdaten privater Personen ankaufen. Auch die Regelung, wonach auch Vermieter zur Auskunft verpflichtet sein können, greift als ultima ratio nur, wenn zuvor alle anderen Möglichkeiten zur Feststellung des Inhabers einer Wohnung ausgeschöpft wurden. Und auch dann sollen sie lediglich den Namen des Mieters oder der Mieterin und seit wann die Wohnung gemietet ist, mitteilen. Kommen alle Wohnungsinhaber ihren Anmeldepflichten nach, läuft diese Regelung also leer.

4. Die Höhe des monatlichen Beitrags soll mit 17,98 EURO stabil bleiben. Das heißt, auch künftig erhalten Sie für den Preis eines Vollkornbrötchens (ca. 60 Cent) täglich sämtliche öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehprogramme über alle Kanäle und sogar über das Internet – einige Fernsehprogramme ARD, ZDF, ARTE sogar auch schon in HD-Qualität ohne weitere Kosten. Auch die sogenannten Gebühren-Befreiungstatbestände bleiben bestehen (siehe Anhang „Übersicht Befreiungsregelung“). Allein in NRW zahlen rund 10 % der Rundfunkteilnehmer aus sozialen Gründen keine Rundfunkgebühren, weil sie davon befreit sind. Da es sich um ein nach dem Solidarprinzip organisiertes System handelt, zahl ab dem Jahr 2013 jeder Haushalt eine solche Gebühr, unabhängig davon, ob und wie man dieses Angebot nutzt und wie viele Geräte dazu in einem Haushalt verwendet werden (siehe zur „Gerechtigkeitsfrage auch die Auszüge aus der Stellungnahme von Prof. Dr. Bull im Anhang). Dies ist auch verfassungsrechtlich hinreichend geprüft, entsprechend hat der renommierte Verfassungsrechtler Prof. Dr. Paul Kirchhoff dazu ein sehr umfangreiches Gutachten erstellt. Der Internet-Blogger und Medienjournalist Stefan Niggemeier hat zum Thema „Gebührenanpassung“ einen lesenswerten Artikel geschrieben (siehe Anhang).

Selbstverständlich gibt es auch kritische Punkte beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Sie haben in Ihrer E-Mail unter Ziffer 5 einige Schwachpunkte aus meiner Sicht zu Recht angesprochen. Gerne füge ich abschließend deshalb auch einen Leitartikel bei, den ich am 14.10.2011 in der Fachzeitschrift „Funkkorrespondenz“, Nr. 40, veröffentlicht habe. Mit Dank für Ihre Zuschrift und

mit freundlichen Grüßen

Oliver Keymis