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Nicole Maisch
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Frage von Peter S. •

Frage an Nicole Maisch von Peter S. bezüglich Umwelt

sehr geehrte Frau Maisch

Der derzeitige Agrospritboom führt weltweit zu katastrophalen irreversiblen ökologischen und sozialen Folgen.

Gegenwärtig importiert Deutschland die Hälfte des verbrauchten Agrarsprits mit steigender Tendenz. Die lokal produzierte Menge kann aufgrund der Flächenbegrenzung nicht mehr wesentlich gesteigert werden. Es wird erzwungen gewaltige Mengen an Agrartreibstoff zu importieren.

In den Exportländern werden daher für Palmölplantagen die letzten tropischen Regenwaldfragmente mit gewaltiger Geschwindigkeit gerodet. Unbezahlbare Biodiversität geht hier deswegen unwiederbringlich verloren. Ackerland wird zu gigantischen Monokulturen umgewandelt und Millionen von Kleinbauern und Nomaden werden von dem Land das sie ernärte in die Armmut vertrieben.

Die durch Subventionen, Steuererleichterungen und Beimischquoten mit Öffentlichen Geldern forcierte Naturzerstörung kommt nur wenigen Großkonzernen zugute, der größte Teil der Landbevölkerung verliert seine Existenzgrundlage.

Kosmetische Korrekturen wie Zertifizierungsversuche werden diesem Mechanismus nicht schnell genug Einhalt gebieten könnten. Die Möglichgeiten zur Umgehung durch Landnutzungsrochaden, Rodung und spätere Landnutzungssukzession, Zertifikationsschwindel, Bestechung etc. sind bei diesen Anreizen nicht in den Griff zu kriegen.

Die Böden dieser Welt sind begrenzt, Agrartreibstoffe werden daher immer in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau und zur Erhaltung von Naturräumen stehen.

Hier von Biosprit zu sprechen ist zynisch. Findet der Anbau auch noch auf Torfböden statt, wo durch Austrocknung des Bodens ein vielfaches des rechnerisch eingesparten CO2s emittiert wird, wird das Wort Nachhaltigkeit komplett ad Absurdum geführt. Indonesien emittiert nur aufgrund von Rodungen mehr CO2 als Deutschland insgesamt.

Sicher kennen Sie die meisten der Argumente. Können Sie es verantworten an einer Agrarspritquote festzuhalten?

MfG Peter Stilz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Stilz,

die Palmölproduktion, wie sie zurzeit beispielsweise in Indonesien statt findet, ist für uns GRÜNE nicht tolerierbar. Aus der dortigen Region wurden im Jahr 2006 rund 340.000 Tonnen Palmöl in deutschen Blockheizkraftwerken verwendet. Europaweit waren es rund eine Millionen Tonnen. In europäischen Autotanks spielt Palmöl bisher kaum eine Rolle. Der europäische Biodiesel wird zum größten Teil aus Rapsöl hergestellt (Raps-Methyl-Ester). Auch Bioethanol aus brasilianischem Zuckerrohr kommt wegen hoher Zölle und Einfuhrbarrieren kaum auf den europäischen Markt.

Diese Situation könnte sich jedoch bald ändern. Die Regierungskoalition hat am 23.04.2009 zum wiederholten mal das Biokraftstoffquotengesetz geändert. Es benachteiligt die deutschen Biokraftstoffhersteller durch jährliche Steuererhöhungen; Palmöl aus dem Regenwald soll zukünftig heimische Pflanzenöle ersetzen. Hand in Hand mit dem Verband der Mineralölkonzerne packt Umweltminister Gabriel den Regenwald in den Tank. Der weitere Niedergang der mittelständischen deutschen Biokraftstoffbranche wird dabei billigend in Kauf genommen. Mitten in der Wirtschaftskrise wird auf diese Weise eine Zukunftsbranche kaputt gemacht, werden Investitionen und Arbeitsplätze vernichtet.

Um die Nutzung von unökologisch produziertem Palmöl in Blockheizkraftwerken einzuschränken fordert die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die GRÜNEN einen Nachhaltigkeitsnachweis für alle bestehenden Pflanzenöl-BHKW in Deutschland. Die Zahlung des Bonus für die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen soll nur erfolgen, wenn der Anlagenbetreiber nachweist, dass die verwendeten Öle den Anforderungen des Nachhaltigkeitsnachweises entsprechen. Nicht nachhaltig erzeugtes Palm- oder Sojaöl darf aus unserer Sicht in Deutschland und Europa nicht zugelassen oder gefördert werden. Die bisherigen Vorschläge und Regelungen der Bundesregierung und aus dem Bundesumweltministerium tragen nicht dazu bei, dieses Ziel zu erreichen.

In der Frage nach der Abholzung des Regenwaldes zu Gunsten von Energiepflanzen ist die Politik und in diesem Fall gerade die Bundesregierung gefordert, starke Leitplanken einzuziehen, die dafür sorgen, dass die energetische Nutzung der Biomasse gleichzeitig eine positive Klimabilanz aufweist und weder das Hungerproblem verschärft noch zu Lasten der biologischen Vielfalt geht.

Die Schaffung eines Zertifizierungssystems, das verbindliche ökologische und soziale Standards für den Anbau von Energiepflanzen und die Produktion von Agrotreibstoffen festlegt, ist notwendig, reicht aber nicht aus, um auch die Ausweicheffekte zu erfassen. Die internationale Gemeinschaft kommt nicht darum herum, die gesamte Politik von Ländern, die Energiepflanzen oder Agrotreibstoffe exportieren wollen, unter die Lupe zu nehmen und auf ihre Nachhaltigkeit zu bewerten.

Den Beschluss der Bundestagsfraktion der GRÜNEN dazu finden Sie unter http://www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/207/207755.beschluss _bioenergie.pdf. Darin werden unsere Forderungen und Vorstellungen noch ausführlicher begründet.

Mit freundlichen Grüßen
Nicole Maisch