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Mathias Stein
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Frage von Andre J. •

Frage an Mathias Stein von Andre J. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Stein.

Ich möchte sie gerne bitten, mir ihren persönlichen und den Standpunkt ihrer Partei zur Änderung des §20 EStG und die damit geplanten Änderungen für private Anleger mitzuteilen. Ist ihnen bewusst, das mit dieser Änderung nicht nur die Übertragbarkeit von Verlusten auf Folgejahre eingeschränkt wird, sondern auch die unterjährige Verlustverrechnung auf diesen Betrag von EUR 10.000 begrenzt wird. Es kann (und wird) damit zu der Situation kommen, das man mehr Steuern zahlen muss, als man Gewinn erzielt hat!

https://boerse.ard.de/anlagestrategie/steuern/verlustverrechnung-fuer-te...

https://www.meetingpoint-brandenburg.de/neuigkeiten/artikel/60661-Brande...

Auch bitte ich um eine kurze Stellungnahme zu der Problematik der Progressivität unserer starren Einkommenssteuertarifes. Sie setzen sich ja immer für eine gerechtere Steuerpolitik ein. Allerdings möchten sie dabei die 'Spitzenverdiener' mehr besteuern. Aber wie kann es sein, das heute selbst ganz normale Arbeitnehmer (z.B. bei den Autobauern) häufig den Spitzensteuersatz zahlen. Gehört man in diesem Land zu den wohlhabenden Millionären, wenn man gerade mal das 1,5 fache des Durchschnittsverdienstes erhält?

Vielen Dank für ihre geschätzte Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr J.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Gern erläutere ich Ihnen die Hintergründe der von Ihnen angesprochenen Änderung des Einkommenssteuergesetzes.

Grundlage der Neuregelung waren zwei Urteile des Bundesfinanzhofes aus den Jahren 2016 und 2017, auf die die Bundesregierung reagiert hat, da in diesen beiden Urteilen des Bundesfinanzhofes der früheren Auffassung der Finanzverwaltung nicht gefolgt wurde. Die Finanzverwaltung hatte den Verlust aus dem Verfall von Optionen und Forderungen auch nach Einführung der Abgeltungsteuer nicht anerkannt. So wurde in einem BMF-Schreiben aus dem Jahr 2016 die Berücksichtigung von Verlusten aus dem Optionsverfall generell versagt. Auch vor Anwendung der Abgeltungsteuer fanden in der Vorgängerregelung in §23 EStG Verluste aus dem Verfall von Optionen nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Berücksichtigung.

Dieser Verwaltungsauffassung, die sowohl die Zeit vor als auch nach Einführung der Abgeltungsteuer betrifft – also keine steuerliche Berücksichtigung bestimmter Verluste – ist der Bundesfinanzhof 2016 und 2017 nicht gefolgt, sondern hat Verluste aus dem Verfall von Optionen und Kapitalforderungen anerkannt.

Darauf haben wir nun mit der vorliegenden Gesetzesänderung reagiert, in der Verluste nun dem Grunde nach anerkannt werden. Lediglich der je Kalenderjahr zu berücksichtigende Verlust ist beschränkt. Grund für die Verlustverrechnungsbeschränkung ist, dass Termingeschäfte durch ihre begrenzte Laufzeit und durch Hebeleffekte in wesentlichem Umfang spekulativ sind.

Die unterjährige Verlustberücksichtigung wird nur betragsmäßig begrenzt und über einen zeitlich unbegrenzten Verlustvortrag gestreckt. Diese Regelung ist weniger belastend als die lange durch die Finanzverwaltung vertretene Auffassung, den Totalverlusten aus Termingeschäften durch nicht Berücksichtigung des Verfalls generell die steuerliche Anerkennung zu versagen. Zusammenfassend ist zu sehen, dass der §20 Abs. 6 Satz 5 EStG eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Finanzverwaltungsauffassung darstellt. Ich denke, dass damit dem Interesse, auch über spekulativere Anlageformen wie Termingeschäfte Einkünfte zu erzielen, in angemessener Form Rechnung getragen wird.

Gern gehe ich auf den von Ihnen erwähnten Spitzensteuersatz ein: Dass in Deutschland viele Normalverdiener*innen den Spitzensteuersatz zahlen, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Ich möchte Ihnen das anhand eines Beispiels kurz darlegen:

Wenn jemand 60.000 Euro jährlich verdient, zahlt sie oder er zwar den Spitzensteuersatz, allerdings nicht auf die gesamten 60.000 Euro, sondern nur einen kleinen Teil davon. Fällig wird der Spitzensteuersatz lediglich auf den Betrag zwischen 57.000 Euro und 60.000. Denn ab einem jährlichen zu versteuernden Einkommen von 57.052 Euro greift der Spitzensteuersatz. Dies bedeutet, dass jeder Euro, der über dieser Grenze liegt, zu 42 Prozent versteuert wird. Für den Rest des Einkommens – also den wesentlich größeren Teil - wird ein geringerer Steuersatz gezahlt und auf die ersten 9.400 Euro entfällt gar keine Steuer. Der Durchschnittssteuersatz bei einem Einkommen in Höhe von 60.000 Euro liegt also deutlich unter dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent.

Wer in Deutschland tatsächlich den Spitzensteuersatz von 42 Prozent auf das zu versteuernde Einkommen bezahlt, verdient nicht 60.000 Euro im Jahr, sondern rund 46.000 Euro im Monat. Wer 5.000 bis 7.000 Euro im Monat verdient, zahlt rund 30 Prozent.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte.

Mit freundliche Grüßen
Mathias Stein

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