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Frage von Bodo W. •

Frage an Marion Caspers-Merk von Bodo W. bezüglich Gesundheit

Liebe Frau Caspers-Merk,

in der neusten PANORAMA Sendung vom 07.08.2008 wurde folgende Widersinnigkeit dargestellt: Der neue sogenannte "morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich", kurz Morbi-RSA genannt sorgt nun für folgende Tatsache: Krankenkassen bekommen nur noch dann viel Geld aus dem gemeinsamen Topf, wenn ihre Mitglieder krank sind und dauernd behandelt werden müssen. Ich möchte nun von ihnen erfahren ob dies zutrifft und wie sie dazu stehen. Denn leider zeigt die Legislative immer wieder wie unfähig sie ist (letzten Raucher-Reform). Aller Anschein nach sind auch die Millionen von Euros für die vielen externe Gutachter ausgeworfenes Geld.

Gruß
Bodo Weis

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weis,

vielen Dank für Ihre Frage.

In der Gesetzlichen Krankenversicherung gibt bereits es einen Risikostrukturausgleich (RSA). Dieser sieht Ausgleichszahlungen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen vor, weil die einzelnen Kassen aufgrund der unterschiedlichen Alters- und Einkommensstruktur ihrer Versicherten unterschiedlich hohe finanzielle Lasten zu tragen haben. Über den bisherigen RSA werden aber nicht alle krankheitsbedingten Risiken der Krankenkassen abgebildet; Der Gesundheitszustand und Versorgungsbedarf der Versicherten wird nur unzureichend erfasst. Dadurch werden die großen Versorgerkassen mit vielen schwerer oder chronisch kranken Mitgliedern benachteiligt. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 1.1.2009 wird der alte RSA daher zu einem direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) erweitert, der die Unterschiede in der Versichertenstruktur besser darstellt.

Der Vorwurf, Krankenkassen könnten Ärzte oder Krankenhäuser dazu bewegen, ihre Versicherten möglichst häufig krank zu schreiben und schwerere Erkrankungen abrechnen als tatsächlich diagnostiziert, geht aber an der Realität des neuen Morbi-RSA vorbei. Kassen müssten heute bereit sein, erhebliche Einsätze für medizinisch nicht notwendige oder fiktive Leistungen aufzuwenden für eine „Gewinnchance“, deren Höhe und Realisierung ungewiss ist und erst am Ende des übernächsten Jahres feststeht.

Schwerer bzw. chronisch erkrankte Versicherte werden zudem durch den Morbi-RSA künftig keine schlechten Risiken mehr sein. Dadurch werden sich die Kassen stärker als bisher auch um die Qualität der Versorgung dieser Versicherten kümmern müssen. Den gerade hier gibt es bekannte Defizite, die durch verbesserte Versorgungsstrukturen beseitigt werden können. Und die Kassen werden sich intensiv auch um neu erkrankte chronisch Kranke kümmern müssen, da ein Kassenwechsel dieser Personen für die abgebende Kasse mit besonderen Nachteilen verbunden ist. Denn im Jahr des Wechsels hätte die Kasse die hohen Ausgaben für diesen Versicherten zu tragen, einen entsprechenden Ausgleich im Folgejahr könnte sie jedoch für ihn nicht mehr im RSA geltend machen.

Denn zunächst einmal ist eine höhere Morbiditätseinstufung des Versicherten durch den Arzt auch mit höheren Leistungsausgaben für die Krankenkasse verbunden: Das Krankenhaus rechnet eine entsprechend höhere Fallpauschale ab, der Arzt verordnet Arzneimittel, die zur Behandlung einer schwereren Krankheit geeignet sind. Die damit verbundenen höheren Ausgaben erfolgen zeitnah am Ende des Abrechungszeitraums. Die mit den Abrechnungen verbundenen Morbiditätsindikatoren (hier: Arzneimittelwirkstoffe und Krankenhausdiagnosen) können einen Morbiditätszuschlag für den Versicherten auslösen.

Aber: Ob dies geschieht und wie hoch dieser Morbiditätszuschlag sein wird, weiß die Kasse in der Regel frühestens zwei Jahre nach der Behandlung. Im Jahr der Behandlung kann die Kasse nicht kalkulieren, ob die mit der Behandlung verbundenen Ausgaben höher oder niedriger als der ihr zugewiesene Beitragsbedarf sind, da der mit dieser Krankheit verbundene Beitragsbedarf sich an den durchschnittlichen Folgekosten aller GKV-Versicherten mit dieser Erkrankung orientiert (GKV-weit standardisierte Durchschnittsbeträge je Morbiditätsgruppe).

Für die Diagnosestellung und Verordnung ist nicht die Krankenkasse verantwortlich, sondern allein Ärzte und Krankenhäuser. Um einen finanziellen Vorteil zu erzielen, reicht ein postuliertes, „gleichgerichtetes Interesse“ zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern nicht aus. Vielmehr müsste eine Krankenkasse die Leistungserbringer dazu veranlassen, nur für ihre Versicherten eine höhere Morbidität zu dokumentieren. Dies ist in einem wettbewerblich organisierten System nahezu unvorstellbar, es wäre hinausgeworfenes Geld.

Diese Informationen waren auch den Autoren des von Ihnen genannten Beitrags bekannt. Was sie allerdings daraus gemacht haben, konnten Sie im Fernsehen sehen.

Mit freundlichen Grüßen

Marion Caspers-Merk, MdB