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Lars Klingbeil
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Frage von Andreas K. •

Frage an Lars Klingbeil von Andreas K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Klingbeil,

ich habe eine Frage bezüglich dem in Deutschland vorherrschenden "Abmahnwahn" sowie zur Störerhaftung.

Gemäß einem Artikel von Zeit-Online ( http://www.zeit.de/digital/internet/2012-03/abmahnung-tauschboerse-gegenwehr ) herrscht in Deutschland ein sogenannter Abmahnwahn, bei dem Anwaltskanzleien versuchen, durch schon fast dubiosen Tricks schnelles Geld zu verdienen. Sie verschicken Massenabmahnungen und versuchen, die Angst von Menschen auszunutzen, um Geld zu erhalten. Laut dem Artikel ist es in Planung, den fliegenden Gerichtsstand zu verbieten sowie dass erste Abmahnungen für Privatleute weniger als 100 Euro kosten dürfen. Können Sie mir sagen, was derzeit im Bundestag konkret diskutiert und geplant ist und ab wann mit einer Gesetzesverabschiedung zu rechnen ist?

Außerdem interessiere ich mich für die Pläne im Bundestag zur Störerhaftung. Soweit ich es mitbekommen habe, sollen Besitzer von WLAN zur Haftung genommen werden, wenn Hacker über ihren gesicherten WLAN-Router Filesharing betreiben. Ich verstehe nicht, warum derjenige bestraft werden soll, wenn jemand anderes sich in sein WLAN-Router gehackt hat und darüber illegale Downloads macht. ich verstehe vor allem die dahinter stehende Rechtsphilosophie nicht. Fiktiver Fall: Würde ich eine Eisenstange besitzen und jemand anderes klaut sie mir, um damit irgendwo einzubrechen, wäre ich ja gemäß dieser Rechtsphilosophie ebenfalls schuldig. Ohne meine Eisenstange hätte der Einbrecher ja gar nicht einbrechen können. Können Sie mir diesbezüglich sagen, welche Gesetzgebung (wenn überhaupt) im Deutschen Bundestag geplant ist und wann mit einer Gesetzesverabschiedung zu rechnen ist?

Können Sie mir zu beiden Themenfelder auch Ihre (/bzw. die der SPD-Bundestagsfraktion) Meinung und Ideen darlegen?

Ich danke Ihnen für Ihre Antwort und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Andreas Kegel

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Sehr geehrter Herr Kegel,

vielen Dank für Ihre Fragen.
Grundsätzlich sind Abmahnungen gegen potentielle Rechtsverletzer ein legitimes Instrument. Es kommt jedoch im Bereich der Rechtsdurchsetzung des Urheberrechts zu immer mehr Missbrauch, so dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher mit einer neuartigen „Abmahnindustrie“ konfrontiert sehen.
Damit wird das grundsätzlich legitime, weil der Vermeidung teurer Gerichtsverfahren dienende, Instrument „Abmahnung“ missbraucht, um Gewinne zu erzielen, die mit einer normalen Lizensierung nicht zu erzielen wären. Die Abmahnung selbst wird damit zum „Geschäftsmodell“. In der Diskussion sind derzeit verschiedene Lösungsansätze, die diesem Abmahnwahn begegnen sollen. Dies kann beispielsweise eine Begrenzung des Gegenstandswertes bestimmter Urheberrechtsstreitsachen, Korrekturen der Beweislastregelung sowie eine Einschränkung des sogenannten „fliegenden“ Gerichtsstands sein. Die von Ihnen angesprochene Begrenzung zur „Deckelung“ von Abmahnkosten in Bagatellfällen ist mit der Reform des Urheberrechts 2008 in Kraft getreten, findet in der Praxis allerdings zu selten Anwendung und muss überprüft und ausgeweitet werden. Die SPD tritt darüber hinaus für eine effektive Begrenzung des Streitwerts bei einmaligen, geringfügigen Urheberrechtsverstößen ein. Was die Haftung für Inhaber eines WLAN-Anschlusses anbelangt, so beschreiben Sie die geltende Rechtslage und die diesbezügliche Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Mai 2010 festgestellt, dass die öffentliche Zugänglichmachung eines urheberrechtlich geschützten Inhalts über einen bestimmten Internetanschluss „für die tatsächliche Vermutung“ spricht, dass der Inhaber dieses Anschlusses für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Dieser Entscheidung zufolge haftet der WLAN-Betreiber - wenn er glaubhaft darlegen kann,  dass nicht er, sondern ein (unbekannter) Dritter den Rechtsverstoß begangen hat - als Störer auf Unterlassung, wenn er die vom BGH aufgestellten Sicherungsvorkehrungen bei Inbetriebnahme des Netzwerks nicht getroffen hat. So müssen die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers „marktüblichen Sicherungen“ ihrem Zweck entsprechend „angewendet“ werden. Dies betrifft die privaten Inhaber eines WLAN-Anschlusses.
Was die gewerblichen Anbieter anbelangt, so gibt es bislang keine höchstrichterliche Entscheidung, die sich konkret mit der Haftung gewerblicher Anbieter eines WLANs auseinandersetzt. Die bislang vorliegende Rechtsprechung hierzu ist bislang sehr uneinheitlich und es fehlen klare Kriterien hinsichtlich der zu treffenden Vorkehrungen, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt und den Ausbau von frei zugänglichen WLAN-Zugängen erschwert.   In Berlin und Hamburg wird seit geraumer Zeit sehr intensiv darüber diskutiert, wie ein kostenfreies WLAN an hochfrequentierten öffentlichen Orten angeboten und wie es Nachbarschaftsinitiativen oder Kommunen ermöglicht werden kann, einen freien WLAN-Zugang anzubieten, ohne haftungsrechtliche Risiken einzugehen. Die SPD-geführten Länder Berlin und Hamburg haben eine entsprechende Bundesrats-Initiative zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) angekündigt, die die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt. Auch die SPD-Bundestagsfraktion prüft, wie eine solche Änderung des TMG aussehen könnte, um Rechtssicherheit für die WLAN-Betreiber zu erreichen und den Ausbau unterstützen zu können.

Mit freundlichen Grüßen
Lars Klingbeil, MdB

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