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Kordula Schulz-Asche
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Frage von Norbert H. •

Frage an Kordula Schulz-Asche von Norbert H. bezüglich Gesundheit

Liebe Kordula,
ich bin Vorsitzender eines DRK-Ortsvereines. Wir führen gemeinsam mit dem hiesigen Blutspendedienst des DRK regelmäßig Blutspenden im Ort durch.

Wir stellen fest, dass immer weniger Menschen bereit sind Blut zu spenden. Daher habe ich zwei Fragen an dich:

1. Wie können wir die Bereitschaft Blut zu spenden erhöhen? Wäre hier nicht auch eine breitere Kampagne der BZgA nötig (vgl. Kampagne Mach´s mit! / Deutschland sucht den Impfpass / Organspende)?

2. Warum dürfen Homo- und Bisexuelle Männer immer noch kein Blut spenden? Bist du der Meinung, dass wir uns das erlauben können auf diese Spendengruppe zu verzichten und sie weiter zu diskriminieren? § 5 (1) Satz 2 verweist auf Richtlinien, die die Bundesärztekammer erarbeitet. Diese sehen keine Spende von Homo- und Bisexuelle Männern vor. Wir es nicht Zeit politisch hier Druck auf die Bundesärztekammer auszuüben? Welche Lösungsmöglichkeiten siehst du?

Grüne Grüße aus der Ortenau
Norbert Hense

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Norbert Hense,

herzlichen Dank für Ihre Fragen zum Thema Blutspende.

Eine Kampagne der BZgA wäre aus meiner Sicht eine gute Idee.

Zur Blutspende von Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben/hatten, muss ich etwas weiter ausholen: Die 2010 vorgenommene Änderung der Richtlinie der Bundesärztekammer, bei der nun nicht mehr die sexuelle Orientierung, sondern das Sexualverhalten das Ausschlusskriterium sind, ist auch auf die Intervention der grünen Bundestagsabgeordneten Biggi Bender und Volker Beck zurück zu führen. Schwule und bisexuelle Männer haben in Deutschland (in anderen Ländern ist dies anders) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein deutlich höheres Risiko sich mit Hepatitis B und C sowie HIV zu infizieren.
Der europäische Gerichtshof hat im April 2015 entschieden, dass der Ausschluss schwuler Männer von der Blutspende gerechtfertigt sein kann, wenn mit ihrer Spende ein erhöhtes HIV-Risiko für EmpfängerInnen verbunden ist. EU-Länder müssen jedoch prüfen, ob der Schutz der EmpfängerInnen nicht auch mit anderen Mitteln zu realisieren ist. Dazu gibt es in Deutschland schon seit ein paar Jahren Überlegungen des „Arbeitskreis Blut“ beim Robert-Koch-Institut. Wie die Deutsche Aidshilfe unterstütze ich diese Bemühungen, schwule und bisexuelle Männer nicht pauschal auszuschließen, sondern deren reales HIV-Risiko zur Grundlage zu nehmen. Der dauerhafte Ausschluss aller Männer, die irgendwann einmal Sex mit einem Mann hatten, ist nicht mehr zeitgemäß. Das in Deutschland deutlich höhere Risiko einer Infektion im Vergleich zur heterosexuellen Bevölkerung (bis zu 100 mal höher) darf aber nicht außer Acht gelassen werden.
Eine Lösungsmöglichkeit wäre ein befristeter Ausschluss (angelehnt an Großbritannien - dort 12 Monate keinen Sex mit Männern), oder individuellere Kriterien, die jedoch voraussetzen, dass Blutspender bereit sind, detailliert Auskunft über ihr Sexualleben zu geben und dabei ehrlich sind. Verhindert werden sollte, dass Einzelne die Blutspende als kostenlosen HIV-Test „nutzen“. Denn beim Test des gespendeten Bluts auf HIV werden Neuinfektion innerhalb eines Fensters von ein bis zwei Wochen nicht erkannt.
Ich hoffe, dass das EUGH-Urteil dazu führt, dass die Überlegungen vom „Arbeitskreis Blut“ möglichst bald zur Ablösung des dauerhaften Ausschlusses von schwulen und bisexuellen Männern führt und eine Lösung gefunden wird, die das hohe Sicherheitsniveau für die EmpfängerInnen aufrecht erhält.

Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Kordula Schulz-Asche

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