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Klaus Uwe Benneter
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Frage von Michael V. •

Frage an Klaus Uwe Benneter von Michael V. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Benneter,

verteidigen wir in in Afghanistan unsere Freiheit wie dies die USA in Vietnam ( Irak ) vorgemacht haben.
Dem deutschen AWACS Einsatz hatten Sie zugestimmt.
Wie stehen Sie persönlich zum Einsatz deutscher Boden-Truppen in Afghanistan ?

Mit freundlichen Grüssen

M. Veittinger

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Veittinger,

die schrecklichen Ereignisse in Kundus haben die Diskussion um einen schnellen Abzug unserer Truppen einmal mehr angeheizt. Für mich war immer klar: Wir brauchen einen schnellen, aber keinen kopflosen Abzug der Bundeswehr.

Das will ich Ihnen gerne begründen. Lassen Sie mich dazu etwas weiter ausholen:

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben der Welt eine neue Dimension terroristischer Gefahren vor Augen geführt: Anders als die meisten ihrer "traditionellen" Vorläufer, schickten die Al Qaida-Terroristen keine konkreten Forderungen voran, sondern schlugen ohne Vorwarnung zu. Der 11. September lehrte uns, dass auch mit ganz konventionellen Mitteln tausendfacher Mord begangen und Schäden in Milliardenhöhe verursacht werden können. Möglich wurden diese Anschläge auch, weil sich Afghanistan unter der 22jährigen Herrschaft der fundamental-islamistischen Taliban zu einem Rückzugsraum für Terroristen entwickelt hatte.

In diesen 22 Jahren herrschten in Afghanistan Krieg und Bürgerkrieg. Bis heute leidet das Land unter den typischen Folgen wie schweren Zerstörungen, Verminung ganzer Landstriche, Korruption, ethnisch motivierten Spannungen und organisierter Kriminalität. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes einigten sich die größten ethnischen Gruppen Afghanistans im Dezember 2001 auf der Petersberger Konferenz auf eine "Vereinbarung über provisorische Regelungen in Afghanistan bis zum Wiederaufbau dauerhafter Regierungsinstitutionen"(sog. Bonner Vereinbarung). Damit schufen sie die Grundlage für die Internationale Sicherheitsunterstützungs-Truppe - ISAF -, deren Aufstellung der Weltsicherheitsrat am 20. Dezember 2001 beschloss. ISAF soll im Auftrag der Vereinten Nationen die mittlerweile demokratisch gewählte afghanische Regierung bei der Herstellung und Wahrung der inneren Sicherheit unterstützen. Darüber hinaus hilft sie bei der Auslieferung humanitärer Hilfsgüter und der geregelten Rückkehr von Flüchtlingen.

Der Kampf gegen das terroristische Netzwerk Al Qaida und gegen die aufständischen Taliban ist bis heute nicht abgeschlossen. Dieser Kampf ist Aufgabe der Operation ENDURING FREEDOM (OEF). OEF und die NATO-Einsätze im Rahmen der Operation "Active Endeavour" sollen am Horn von Afrika und im Mittelmeer Terroristen die Verbindungswege für Waffennachschub abschneiden und die Seewege vor Anschlägen absichern. Gleichzeitig schützen sie diese - gerade für Deutschland als Exportnation - strategisch wichtigen Handelswege auch vor Piraterie und Schmuggel. Seit dem Beginn dieser Missionen sind die internationalen Schifffahrtsrouten sehr viel sicherer geworden.

Die Bundesregierung gehörte gleich von Beginn an zu den wichtigsten internationalen Akteuren beim Wiederaufbau Afghanistans. Ein Grund dafür ist die traditionelle Verbundenheit mit dem Land, die bis heute für einen guten Ruf der Deutschen sorgt. Deutschland hat seither einen erheblichen Beitrag zum Wiederaufbau Afghanistans geleistet. Der Wiederaufbau eines jeden kriegszerstörten Landes kann nur in einem sicheren Umfeld gelingen. Es hat sich in den vergangenen Jahren leider immer wieder gezeigt, dass 22 Jahre Bürgerkrieg und Taliban-Herrschaft nicht schnell überwunden werden können. Die Organisation der früheren Taliban, die über zwanzig Jahre lang ein Schreckensregime geführt haben, ist zwar weitgehend zerstört, doch gibt es immer wieder Anschläge auf zivile Einrichtungen, wie Schulen, Kraftwerke, Polizeieinrichtungen, mit denen die Gegner des Aufbaus versuchen, die Bevölkerung zu zermürben und die unbestreitbaren Erfolge wieder zunichte zu machen. Und es gibt immer wieder Attentate auf gewählte Politiker und Militäreinrichtungen.

Deshalb ist auch die Bundeswehr in Afghanistan stationiert. Sie leistet einen wichtigen Dienst zur notwendigen militärischen Absicherung des Stabilisierungs- und Wiederaufbau-prozesses. Das gilt auch für den Einsatz der AWACS-Flugzeuge: Er dient der Sicherheit unserer Soldaten und der Sicherheit des zivilen Flugverkehrs in einem Land, in dem es keine zivile Flugsicherung gibt und Transportmaschinen ebenso wie alle anderen Flieger ´auf Sicht´ starten und landen müssen.

Klar ist: Gegen Selbstmordattentate, ferngezündete Sprengsätze und Minen, können wir mit militärischen Mitteln allein nichts ausrichten. Die zentralen Herausforderungen in und für Afghanistan sind und bleiben politischer Art. Wir setzen deshalb auf einen ganzheitlichen Ansatz.

Deutschland hat sich immer wieder für größere Anstrengungen im Bereich wirtschaftlicher und politischer Entwicklung eingesetzt. Staatliche Strukturen sollen auf der Ebene der Provinzen und des Parlaments gestärkt werden, damit sich unterschiedliche regionale Interessen repräsentiert sehen. Bis 2010 hat Deutschland weitere 400 Mio. Euro für den Wiederaufbau zugesagt.

Wir haben schon viel erreicht: 80 Prozent der Bevölkerung haben jetzt Zugang zu medizinischer Versorgung. Sechs Millionen Kinder gehen wieder zur Schule, davon erstmals 40 Prozent Mädchen. Allein Deutschland hat u.a. für mehr als 2,5 Millionen Menschen in Kabul die Stromversorgung gesichert.

Die Bundeswehr wird und darf nicht auf ewig in Afghanistan stationiert bleiben. Aber der Wiederaufbau Afghanistans kann nur mit Beharrlichkeit und mit Geduld gelingen. Auf schnelle Erfolge können wir nicht hoffen. Ein kopfloser Abzug der Truppen aus Afghanistan würde aber niemandem helfen, im Gegenteil, wir würden die afghanische Bevölkerung, die auf uns setzt, im Stich lassen.

Frank- Walter Steinmeier hat mit seinem kürzlich vorgelegten Zehn-Punkte-Plan erstmals ein konkretes Ausstiegsszenario entworfen. Der Plan sieht vor, mit der neuen afghanischen Führung einen genauen Fahrplan zu erarbeiten, der unsere weitere Zusammenarbeit festlegt und Dauer und Ende unseres militärischen Engagements beschreibt. Ziel muss es sein, dass die afghanische Armee und Polizei so schnell wie möglich die alleinige Sicherheitsverantwortung übernehmen können. Der Plan setzt deshalb auf eine beschleunigte Polizeiausbildung, eine Vergrößerung der Zahl der Ausbilder der afghanischen Armee und eine Konzentration unseres Engagements auf Regionen mit kritischer Sicherheitslage.

Ich stimme dem Plan zu. Wir Mitglieder der Task Force Afghanistan der SPD-Bundestagsfraktion haben uns immer wieder detailliert mit den verschiedensten Aspekten unseres Engagements in Afghanistan auseinander gesetzt. Insbesondere der schnellere Ausbau von Polizei und Armee, aber auch ein Mehr an Verbindlichkeit und ein konkretes Datum für das Ende unseres militärischen Engagements sind aus meiner Sicht zentrale Anliegen, die wir gemeinsam mit der neuen afghanischen Regierung schnellstens festlegen müssen. Die schrittweise Übergabe von Verantwortung war von Anfang an ein Wesenmerkmal unseres Engagements. Wir sind keine Besatzer und wollen dem Land helfen.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Uwe Benneter, MdB