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Klaus Riegert
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Frage von Torsten W. •

Frage an Klaus Riegert von Torsten W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Riegert,

entschuldigen Sie die zweite Nachfrage, aber nach Ihrer Antwort war ich etwas erzürnt. Sie unterstellen, Hitler sei durch die Demokratie zum Diktator geworden. Das ist eine immer wiederkehrende Behauptung, um so auf demagogischste Art und Weise Angst vor mehr Demokratie zu machen! Ich gebe Ihnen eine kleine Geschichtsstunde:
1933 erreichte die NSDAP "lediglich" 43% der Stimmen. Lediglich durch ein Hinterzimmer-Bündnis mit der konservativen Zentrumspartei, aus welcher übrigens auch die CDU hervorging, konnte Hitler überhaupt Kanzler werden.
Auch das Ermächtigungsgesetz wurde von Konservativen mitgetragen. Ein Mehr an Demokratie hätte diesen Wandel keinsfalls unterstützt. Im Gegenteil hätte ein obligatorisches Verfassungsreferendum diese Entwicklung wahrscheinlich sogar aufgehalten.
Sie behaupten, eine Mehrheit würde in einer Demokratie eine Minderheit unterdrücken können. Aber was ist das parlamentarische System? Hier kann eine Minderheit (in Form von ca. 600 Abgeordneten) eine Mehrheit (82 Millionen Bundesbürger) unterdrücken. Insofern wären Volksentscheide sogar förderlich, weil die Anzahl der möglicherweise Unterdrückten signifikant sinken würde.
Nicht Demokratie braucht Leitplanken, sondern staatliche Machtverteilung an sich. Wollen Sie etwa allen Ernstes behaupten, ein Mehr an Demokratie würde es Unrechtsregimes leichter machen? Haben Demokraten eine solche Demagogie verdient?

Kennen Sie übrigens "Godwins law"?

Mit nun etwas weniger freundlichem Gruß,
Torsten Wagner

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wagner,

danke für Ihre zweite Nachfrage, für die Sie sich übrigens nicht entschuldigen müssen.

Sie vermengen Begriffe. Als Demokratie (von griechisch /demos/: Volk und /kratein/: herrschen) bezeichnet man jene politischen Ordnungen, in denen sich die Herrscher auf den Willen des Volkes berufen. Der Volkswille soll in kollektiven Abstimmungen zum Ausdruck kommen, wobei die Mehrheit bestimmt, was zu geschehen hat. Die plebiszitäre Demokratie, in der das Volk in Vollversammlungen die wichtigsten Fragen selbst entscheidet, ist keine Regierung durch das Volk, denn die Plebiszite betreffen nur Grundsatzentscheidungen, nicht aber die unzähligen Fragen der täglichen Regierungsarbeit. Außerdem gibt es bei Volksabstimmungen wohl kaum einstimmige Entscheidungen. Da die unterlegene Minderheit ebenfalls zum Volk gehört, kann eine Mehrheitsentscheidung niemals den Anspruch erheben, den Willen des gesamten Volkes auszudrücken. Wenn der Willen der Mehrheit zum Gesetz wird, ist die Versuchung groß, aus dieser Machtposition eigene Vorteile zu Lasten anderer zu gewinnen. Eigennützige Interessengruppen, die sich zu einer Mehrheitskoalition zusammenfinden, können auf Kosten überstimmter Minderheiten Privilegien erlangen. Die Demokratie regelt Streitfragen nach dem Prinzip des politisch Stärkeren. Die Möglichkeit des Machtmissbrauchs durch einfache Stimmabgabe ist eine große Verlockung. Wer kann ihr widerstehen? Strukturelle Minderheiten haben in diesem System keine Chance, sich ihrer Benachteiligung zu widersetzen.

Das Volk, die Gesellschaft, die neue Gottheit? Der große Liberale Ludwig von Mises (1881-1973) hat hierzu bemerkt: "Die Vorkämpfer der Demokratie im 18. Jahrhundert haben zugunsten der Demokratie angeführt, daß nur die Fürsten und Minister sittlich verderbt, unverständig und schlecht seien. Das Volk aber sei durchaus gut, rein und edel und habe auch die geistigen Gaben, um das Richtige stets zu erkennen und durchzuführen. Das ist natürlich alles Unsinn, nicht weniger Unsinn als die Schmeicheleien der Höflinge, die ihren Fürsten alle guten und edlen Eigenschaften zuschrieben ... Da die Menschheit mit so hochgespannten Erwartungen in das Zeitalter der Demokratie eintrat, war es nicht erstaunlich, daß sich bald eine Enttäuschung bemerkbar machte. Man fand unschwer heraus, daß die Demokratie zumindest ebenso viele Fehler begehe als die Monarchen und Aristokraten begangen hatten. Die Vergleiche, die man zwischen den Männern zog, die die Demokratie an die Spitze der Regierung stellte, und jenen, die die Kaiser und Könige aus eigener Machtvollkommenheit an die Spitze gestellt hatten, fielen durchaus nicht zugunsten der neuen Machthaber aus".

Dies ist keine Demagogie, sondern eine gesunde Portion Skepsis.

Wenn sie schreiben: "Nicht Demokratie braucht Leitplanken, sondern staatliche Machtverteilung an sich", widersprechen Sie sich. Was ist denn "staatliche Machtverteilung"? Begrenzung staatlicher Gewalt, Gewaltenteilung, Herrschaft des Rechts, Rechtsstaatlichkeit, das sind liberale Prinzipien - keine Merkmale des Demokratieprinzips -, Leitplanken oder Korsettstangen, die der Demokratie aus guten Gründen eingezogen wurden.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert