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Frage von Edwin Christian K. •

Frage an Johannes Pflug von Edwin Christian K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Pflug,
Was halten Sie von dem Bedingungslosen Grundeinkommen für alle Bürger, wie es zum beispiel von Götz Werner, Dieter Althaus oder Christopher Ray der es nach meiner Meinung am bessten dargestellt hat?

Mit freundlichen Grüßen

Edwin Christian Kaiser

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kaiser,

ich bedanke mich für Ihre Frage vom 17. September nach meiner Meinung zu einem bedingungslosen Grundeinkommen, wie es beispielsweise von Dieter Althaus vorgeschlagen wird. Zu dieser Thematik habe ich mich schon im Rahmen von www.abgeordnetenwatch.de geäußert und möchte Ihnen gerne meine damalige Stellungnahme zur Kenntnis geben.

Das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens klingt wie aus dem Märchen: Der Staat zahlt jedem Bürger ein monatliches Grundgehalt von soundso viel Euro ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Gegenleistung. Alle Sozialleistungen werden im Gegenzug gestrichen. Bürokratie würde abgebaut. Für Unternehmen würden die Arbeitskräfte günstiger, die Wirtschaft floriert und die Arbeitslosigkeit würde sinken. Weil jeder die Leistung erhielte, wären Arbeitslose nicht länger stigmatisiert. Kurz: Die Defizite unseres Sozialstaats wären auf einen Schlag beseitigt. Was so fantastisch klingt, ist es letztendlich auch: Ein fantasievolles Gedankenspiel, was aber nichts mit unserer Realität zu tun hat.

Zuerst einmal muss ich Ihnen sagen, dass unsere deutsche, europäische und globale Wirklichkeit derart komplex, vielschichtig und interdependent ist, dass man mit solchen „einfachen besten Lösungen“ zwar in gewissen Gesprächsrunden Eindruck schinden kann. Mit realitätsnaher, praktischer und finanzierbarer Politik hat es jedoch wenig zu tun. Im Übrigen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Vergleiche mit anderen Staaten – in ihrem Fall mit osteuropäischen Staaten, die eine Flat Tax eingeführt haben – meistens hinken. Deutschland ist eben nicht vergleichbar mit der Ukraine, der Slowakei etc.

Die Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit eines Systems des bedingungslosen Grundeinkommens ist höchst fraglich. Tendenziell würden die Bürger ihre Arbeit zugunsten von mehr Freizeit reduzieren. Dadurch würde die Produktivität unserer Wirtschaft sinken, was wiederum geringere Erlöse und steigende Preise zur Folge hätte. Ein Teufelskreis weil das Grundeinkommen daraufhin erhöht werden müsste. Selbst für das Grundeinkommen gilt aber: Man kann nur das Geld verteilen, welches man zunächst erwirtschaftet hat. Eine Gegenfinanzierung über eine höhere Mehrwertssteuer (auf Grund- und/oder Luxuskonsumgüter) würde nur zu einer Massen- (Einkaufs-) Flucht über die deutschen Grenzen führen.

Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist aber auch unsozial: Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wird versucht, Kernprinzipien des Sozialstaates auszuhebeln. Während bisher Sozialleistungen überwiegend zielgenau auf die tatsächlich Bedürftigen zugeschnitten wurden, würden nach diesem Modell auch diejenigen Bürger zu Transferempfängern, die das Geld überhaupt nicht benötigen. Gleichzeitig entfiele mit der progressiven Einkommensteuer ein zentrales Umverteilungsinstrument. Diese Logik widerspricht zu Recht dem Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen in Deutschland. Das hat nicht zuletzt der Bundestagswahlkampf 2005 gezeigt, als Professor Paul Kirchhof mit seiner Flat Tax scheiterte. Hinzu kommt, dass die meisten Bedürftigen nach den momentan kursierenden Grundeinkommens-Modellen (z.B. auch das von Dieter Althaus) weniger Geld in der Tasche hätten als heute.

Aus meiner Sicht werden die Modelle des bedingungslosen Grundeinkommens auch nicht der Komplexität von Armut gerecht. Das bedingungslose Grundeinkommen wird Probleme wie fehlende Chancen auf aktiver Teilhabe an der Gesellschaft und in der Arbeitswelt, mangelnde Bildung und „Vererbung“ sozialer Benachteiligung nicht lösen sonder eher vergrößern! Ein sozialer Staat ermutigt, aktiviert und befähigt deshalb seine Bürger zu Partizipation, Leistung, Kreativität. Er investiert in die Menschen, anstatt sie zu alimentieren. Nur der vorsorgende Sozialstaat, der Familien-, Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik intelligent miteinander vernetzt, kann im 21. Jahrhundert soziale Gerechtigkeit herstellen. Die Verfechter des Grundeinkommens hingegen wollen die Säulen der Sozialversicherung (Rente, Arbeitslosigkeit, Pflege, Unfall) einfach niederreißen, die Fürsorgesysteme und Maßnahmen zur Arbeitsförderung einstellen. Berufliche Weiterbildung, Ausbildung Benachteiligter, beschäftigungsbegleitende Leistungen - alle staatlichen Hilfen, mit denen die Menschen auf eigene Füße kommen sollen, würden abgeschafft.

Zudem wird aus meiner Sicht der psychologische Aspekt übersehen. Wissenschaftliche Studien habe gezeigt, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen den Mensch eben nicht zu einem zufriedenen, arbeitseifrigen und seine Freizeit sinnvoll nutzenden homo illuminatus werden lässt. Vielmehr führt es Unzufriedenheit, Antriebslosigkeit, Unwirtschaftlichkeit und eher chaotischen Verhältnissen. Wer würde sich denn in einer Welt des bedingungslosen Grundeinkommens um 3 Uhr morgens aus dem Bett quälen um einer ehrlichen Arbeit wie Brötchen backen, den Müll abholen oder Zeitungen ausliefern nachzugehen?

Statt der aus meiner Sicht überflüssigen Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen sollte wir vielmehr über eine gute und nachhaltige Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik reden. Hier müssen wir ansetzen damit jeder Mensch eine Chance auf einen Platz in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt bekommt, so dass er nach seiner Fasson glücklich werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Pflug