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Jörn Wunderlich
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Frage von Diana B. •

Frage an Jörn Wunderlich von Diana B. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Wunderlich,

mich interessiert, wo eigentlich der Unterschied gemacht wird zwischen Erziehungsurlaub und Elternzeit.
So bezeichnen doch beide Begriffe die Betreuung und Erziehung des Kindes in den ersten Lebensjahren?!
Weshalb fallen dann Monate, in denen man Elterngeld bezog, nicht in den maßgeblichen Zeitraum zur Berechnung des Elterngeld- Anspruchs, werden aber Monate, in denen man Bundeserziehungsgeld bekam, mit einem Einkommen von 0 EUR angerechnet?

Warum wurde der Übergang zwischen den beiden Modellen BErzG und Elterngeld so radikal gestaltet?

Mit freundlichen Grüßen

Diana Baumann

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Baumann,

vielen Dank für Ihre Email.

Zunächst stimme ich Ihnen darin zu, dass sowohl Erziehungsurlaub als auch Elternzeit der Betreuung und Erziehung des/der Kind/er in den ersten Lebensjahren dienen. Unterschiede bestehen zum Beispiel in der Dauer der Inanspruchnahme, oder auch darin, dass Erziehungsurlaub nur von einem Elternteil genommen werden konnte, während die Elternzeit von beiden -- auch gleichzeitig -- genommen werden kann. Ein nicht unwesentlicher Unterschied zwischen Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit besteht darüber hinaus in der finanziellen - aber nach meiner Auffassung insbesondere für gering Verdienende zu niedrigen -- Absicherung in Form eines Elterngeldes seit 1. Januar 2007.

Ein Problem der zurückliegend geltenden Erziehungsgeld-Regelung bestand darin, dass während der Elternzeit keine Lohnersatzleistungen gezahlt wurden, sondern nur ein Erziehungsgeld von maximal 450 EUR monatlich. Diese Leistung war aber nicht individuell zugänglich, sondern wurde nach dem Familieneinkommen berechnet. Selbst wenn ein Anspruch bestand, wurden die finanziellen Verluste, die sich aus der Erwerbsunterbrechung ergaben, für viele Menschen nicht aufgefangen, was zu einer geringen Akzeptanz des Erziehungsurlaubs bei Vätern führte. Auch heute verdienen erwerbstätige Männer im Durchschnitt noch rund ein Viertel mehr als erwerbstätige Frauen. Viele Familien konnten es sich jedoch nicht leisten, auf das höhere Erwerbseinkommen des Mannes zu verzichten. Damit war für den Mann der Familienernährerstatus gesichert, während Frauen, die Erziehungsurlaub nahmen, in dieser Zeit finanziell vom Partner -- oder Alleinstehende von ALG II -- abhängig waren. Die lange Dauer der Elternzeit (bis zu drei Jahren) und damit der lange Ausstieg aus dem Beruf wirkte sich lebenslang nachteilig auf Einkommen, Aufstiegschancen bis hin zur Rentenhöhe aus. Somit bestand keine Wahlfreiheit über die partnerschaftliche Aufteilung von Familie und Beruf, weil ökonomische Zwänge Eltern in eine vorgegebene Richtung lenkten.

Die vor 2007 gültige Regelung des Bundeserziehungsgeldes war, dass das Elternteil, welches das Kind betreute und nicht mehr als 30 Stunden/Woche berufstätig war, 300 Euro (bzw. 450 Euro wenn die Leistung nur für 1 Jahr in Anspruch genommen wurde) erhielt. Die paarbezogenen Haushaltseinkommensgrenzen des Bundeserziehungsgeldgesetzes (zunächst erst ab dem 7. Lebensmonat des Kindes, ab 1994 ab Beginn des Leistungsbezuges) ließen zudem den Anspruch auf Bundeserziehungsgeld entfallen, wenn der erwerbstätige Partner durchschnittlich verdiente. Diese Regelungen gingen also nicht davon aus, dass nach der Familiengründung der Einkommensausfall des Elternteils ersetzt werden sollte, sondern folgten dem Prinzip einer bedürftigkeitsgeprüften Sozialleistung. Diese Konzeption war problematisch. Denn so verstärkte sich für Elternpaare die ökonomischen Notwendigkeiten, das höhere Einkommen beizubehalten und die persönliche Abhängigkeit der Person in Elternzeit von Partner/Partnerin. Aus diesen Gründen begrüßte DIE LINKE. im Bundestag das Prinzip der Lohnersatzleistung für die finanzielle Absicherung von Eltern nach einer Familiengründung, weil es vergleichbar mit anderen Lebensrisiken eine individuelle Absicherung des Elternteils bietet und die Beibehaltung des Lebensstandards für die Phase der Erwerbsunterbrechung ermöglichen sollte. Gleichzeitig forderte aber die LINKE eine sozialere Ausgestaltung des Eltergeldes, um Benachteiligungen von Erwerbslosen, Studierenden und Geringverdienenden Eltern zu vermeiden.

Worauf sollte bei der Inanspruchnahme von Elternzeit geachtet werden?

Elterngeld wird nach den Lebensmonaten des Kindes berechnet und ausgezahlt und nicht nach Kalendermonaten. Ist das Kind nicht am ersten eines Lebensmonats geboren, sollte sich die Elternzeit bzw. die Teilzeitarbeit während des Elterngeldbezuges an den Lebensmonaten des Kindes orientieren. Andernfalls wird unter Umständen ein Teil der Einkünfte, die in den jeweiligen Lebensmonat fallen, angerechnet werden oder sogar der Anspruch auf Elterngeld entfallen, wenn im Lebensmonat des Kindes durchschnittlich mehr als 30 Stunden gearbeitet wurde!

Beispiel: Wurde das Kind also am 28. September 2007 geboren, wird der Lebensmonat ab dem 28. des Monats bis zum 27. des Folgemonats berechnet. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf in diesem Lebensmonat 30 Stunden nicht überschreiten. Andernfalls besteht kein Anspruch auf Elterngeld.

Aber auch das Elterngeld ist in Teilen seiner Regelung sozial ungerecht, denn es begünstigt Besserverdienende und behandelt nicht jedes Kind gleich. Es ist richtig, dass bei einer Ausgestaltung als Lohnersatzleistung (etwa 67 % des vorherigen Nettoeinkommens, mehr für Niedrigverdienende) Besserverdienende eine höhere Leistung erhalten als Geringverdienende. Das Elterngeld soll das vor der Geburt erzielte Einkommen ersetzen, das wegen der Betreuung des Kindes nicht erzielt werden kann. Insofern ähnelt es von den Anknüpfungen her dem Mutterschaftsgeld, durch das das bisher erzielte Einkommen während der Beschäftigungsverbote ersetzt wird. Das Anknüpfungskriterium des Elterngeldes (67% des entfallenen Nettoeinkommens) ist plausibel und dem Arbeitslosengeld nachgebildet.

Fazit:

In der sozialen Realität hat die rechtliche Ausgestaltung des Erziehungsgeldes und der Elternzeit zu einer Verfestigung der traditionellen Rollenverteilung geführt. Das heißt, die bisherige Familienpolitik zementierte die Arbeitsteilung der Geschlechter (98% der Mütter nehmen Elternzeit, nur ca. 5% der Väter, die meisten davon gemeinsam mit der Mutter). Deshalb wurde eine Lohnersatzleistung Elterngeld von allen Seiten als Fortschritt begrüßt, weil sie erstmals Berufsintegration von Frauen belohnt und familiäres Engagement von Vätern finanziell überhaupt möglich macht. Aus diesen gleichstellungspolitischen Gründen ist eine Lohnersatzleistung sinnvoll.

Warum so schnell und radikal?

Stichtag ist der 01.01.2007. Übergangsfristen sind in der Regel problematisch. Die LINKE hatte für 2006 geborene Kinder für ein Wahlrecht zwischen Elterngeld und Erziehungsgeld geworben. Das jedoch war der CDU/CSU und SPD zu teuer. Abschließend wünsche ich Ihnen und Ihren Angehörigen ein frohes Weihnachtsfest und für das neue Jahr alles Gute. Mit freundlichen Grüßen

Jörn Wunderlich