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Jochen Borchert
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Frage von Klaus D. •

Frage an Jochen Borchert von Klaus D. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Borchert,

in den zurückliegenden Wochen wurde in den Medien immer wieder das Thema Lebensmittelkennzeichnung aufgegriffen.

In Deutschland wird bei verpackten Lebensmitteln grundsätzlich eine Auflistung der Inhaltsstoffe angegeben. Einzelne Lieferanten sind dazu übergegangen, zusätzlich die prozentualen Anteile einer durchschnittlichen Tagesempfehlung anzugeben, bezogen auf eine definierte Menge des Lebensmittels (z.B. eine Reihe Tafelschokolade).

Ist es nicht viel einfacher, die in England erfolgreich eingeführte Ampelkennzeichnung zu übernehmen? So kann der Konsument ohne langes Berechnen und Überlegen entscheiden, ob das Lebensmittel für ihn geeignet ist oder er lieber ein anderes wählt. Die Wahlfreiheit bei der Ampelkennzeichnung ist deutlich besser, da sofort optisch erkennbar ist, wo Stärken und Schwächen des Produkts liegen. Zeigt die Ampel z.B. bei Fett und Kohlehydraten Rot, so kann sofort ein alternatives Produkt mit besseren werten gesucht werden.

Bitte setzen Sie sich für diese Art der Lebensmittelkennzeichnung ein.
Damit helfen Sie den Verbrauchern, sich besser im Lebensmittelmarkt zurecht zu finden.

Mit besten Grüßen
Klaus Duhme

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Duhme,

für Ihre Frage, in der Sie die Problematik der so genannten Ampelkennzeichnung auf Lebensmitten ansprechen, möchte ich mich zunächst recht herzlich bei Ihnen bedanken. Im Folgenden möchte ich auf die von Ihnen angesprochenen Argumente etwas genauer eingehen.

Mit den unlängst vorgestellten Ergebnissen der nationalen Verzehrstudie durch den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer und das Max-Rubner-Institut erhalten wir nach über zwanzig Jahren erstmals wieder wichtige Erkenntnisse über das Ernährungsverhalten in Deutschland. Die Ergebnisse und Zahlen dieser Studie: Jeder Fünfte ist extrem übergewichtig (adipös), rund zwei Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen in Deutschland sind übergewichtig. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: mangelnde Bewegung und damit geringerer Energieverbrauch, verändertes Ernährungsverhalten und veränderte Esskultur. Neben Übergewicht nehmen auch Essstörungen wie Magersucht und Bulimie zu. Vor allem junge Frauen werden immer dünner: Rund zehn Prozent aller befragten Mädchen unter 18 Jahren sind untergewichtig. Die CDU/CSU-Fraktion weist bereits seit langer Zeit auf diese Problematik hin und fordert einen koordinierten, ganzheitlichen Lösungsansatz im Kampf gegen Fehlernährung, der sowohl Über-, als auch Unter- und Mangelernährung berücksichtigt.

Eine der elementarsten Voraussetzungen für einen gesunden Lebensstil ist das Wissen über Nahrungsmittel, deren Zubereitung, deren Wirkung sowie die Achtsamkeit auf eine ausgewogene Energiebilanz. Ernährungswissen sowie einfach verständliche Produktinformationen sind in Deutschland bisher – wie auch von Ihnen angesprochen – nicht in genügendem Maße vorzufinden. Die Abgeordneten der Unionsfraktion sehen neben der Förderung von mehr Bewegung - an Schulen wie auch im Berufsalltag von Erwachsenen – und in einer übersichtlichen, gut verständlichen Lebensmittelkennzeichnung die Hauptansatzpunkte. Weniger ist bei einer solchen Kennzeichnung oft mehr. Und klar ist auch: Kennzeichnungen sind nur ein Baustein. In einem Punkt sind wir uns somit alle einig: Wir brau­chen eine Stärkung der Verbraucherinformation beim Einkauf von Lebensmitteln durch klare und verständliche Kennzeich­nung auf den Ver­packungen. Die Diskussion um Überge­wicht und mangelnde Bewegung, insbesondere bei Kindern, hat gezeigt, dass das Wissen über die rele­vanten Inhaltsstoffe von Lebensmitteln verbessert werden muss. Denn in vielen Familien spielt das gemein­same Es­sen kaum mehr eine Rolle und die Zubereitung frischer Nahrungsmittel ist ein Fremd­wort. Stattdessen wird auf Fer­tiggerichte zurückgegriffen. Auf diese geänderten Lebensumstände muss mit mehr Ernährungsinformation reagiert werden.

Die oben angesprochene Studie belegt, dass für Verbraucher andere Faktoren, wie beispielsweise Kochsendungen oder Werbung ebenso entscheidend für den Kauf eines Produktes sind, wie die Lebensmittelverpackungen selbst. Die Union lehnt deshalb die von Ihnen befürwortete Einführung einer Ampelkennzeichnung in Deutschland ab. Sie ist zu schlicht, um der Komplexität von Nahrungsmitteln gerecht und vom Verbraucher richtig eingeordnet zu werden. Eine Ampelkennzeichnung, bei der Lebensmittel rote, grüne oder gelbe Punkte erhalten und in gute und schlechte Produkte eingeteilt werden, kann schnell zu Missverständnissen führen. Gutes Olivenöl beispielsweise wäre dann plötzlich auch auf der roten Liste. Doch wenn man zu Öl bzw. Fett innerhalb einer ausgewogenen Ernährung greift, ist es wichtig, dass man in der entsprechenden Lebensmittelsparte sich für das optimale Produkt entscheidet. Allerdings würde jede Rot-Stigmatisierung von vornherein innovative Produktentwicklungen im Fett- oder Zuckerbereich mit einer besseren Zusammensetzung verhindern. Objektiv vergleichende Bewertungen von Qualitäten sind nur innerhalb einer Produktgruppe sinnvoll und realisierbar. Wissenschaftlich ist es nicht möglich, generell gültige Kriterien zur Ampelkennzeichnung eines Produktes zu definieren. Daher ist es meines Erachtens nicht sinnvoll, sich in der Fehlernährungsdebatte auf Kennzeichnungsregelungen zu versteifen. Wichtig ist vor allem eine optimale Verbraucherbildung an Schulen, in Kantinen und im Elternhaus.

Die Unionsfraktion lehnt eine Kennzeichnung als solche allerdings keineswegs komplett ab. Vielmehr begrüßen wir die Vorschläge des Bundesernährungsministers Seehofer, in den nächsten drei Jahren flächendeckend nur die zentralen Informationen auf der Packungsvorderseite anzugeben. Wichtig ist ein einheitliches System mit leicht verständlichen Angaben. Informationskampagnen im Ernährungsbereich sowie Ernährungswissen in Schulen und Kindergärten gilt es weiter zu forcieren und die Bundesregierung beim Nationalen Aktionsplan zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Über- und Untergewicht und den damit zusammenhängenden Krankheiten zu unterstützen. Ein ausgewogener Lebensstil ist meines Erachtens nach wichtig. Erforderlich ist in meinen Augen eine klare, einheitliche Kennzeichnung auf den Verpackungen, wobei ein wichtigstes Vergleichkriterium unter anderem die Kalorienangaben auf der Verpackung sind - schnell erkennbar auf eine bestimmte Menge (Portion) bezogen.

Auch die Lebensmittelwirtschaft ist jetzt gefragt. Jeder sollte zumindest den Kaloriengehalt auf der Vorderseite der Verpackung in gleichem Logo auszeich­nen. Das er­leich­tert die Vergleich- und Erkennbarkeit. Dies würde einen weiteren Anreiz zur Entwicklung innovativer Pro­duk­te, z.B. mit einem geringeren Kaloriengehalt setzen.

Der Verbraucher soll aber auch schnell – und zwar ohne ein Lebensmitteltechnologie- oder Chemiestudium absolviert zu haben – erkennen können, welches Lebensmittel das geeigneteste für ihn ist oder welche Kategorie für ihn die relevanteste Information darstellt. Dazu ist ein klares und leicht verständliches Zeichen zu entwickeln. Wir fordern Lebensmittelindustrie auf, sich dabei auf ein einheitliches Kennzeichnungssystem zu verständigen. Es kann nicht sein, dass die Verbraucher erst einmal einen Kurs über das jeweilige Firmenkennzeichnungssystem belegen müssen, bevor sie ein Lebensmittel einordnen und kaufen können. Die CDU/CSU-Fraktion sieht neben der Förderung von mehr Bewegung - in Schulen wie auch im Berufsalltag von Erwachsenen - in der Lebensmittelkennzeichnung einen wesentlichen Beitrag zu einem gesünderen Umgang mit Lebensmitteln, bezogen auf den individuellen Tagesbedarf.

Im Verkehrsbe­reich mag die Ampelkennzeichnung hilfreich sein, aber bei Lebensmitteln sehe ich sie als nicht geeignet an. Die Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Nahrungsmittel ist der falsche Weg und nicht die richtige Antwort für einen ausgewo­genen, selbstbe­stimmten Lebensstil. Der Verbraucher braucht klare, nachvollziehbare Informationen. Die Zahlen belegen dies: Nur vereinzelt wird die Ampelkennzeichnung in Großbritannien verwendet, von einer flächendeckend erfolgreichen Ver­marktung kann also nicht die Rede sein. Vielmehr ziehen britische Supermärkte die Ampelkenn­zeichnung zu­rück, denn die englische Bevölke­rung hat trotz dieser Kenn­zeichnung stärker mit Übergewicht zu kämp­fen als je zu­vor. Auch die EU-Kommission hat die Fehler des Systems erkannt sich mit ihren Vorschlägen zur Nährwertkennzeichnung ausdrücklich von einer verpflichtenden Ampelkennzeichnung distanziert. Nur so kann der Verwirrung der Verbraucher vorgebeugt werden. Aufgrund der Kennzeichnungen und bes­seren Vergleichbarkeiten wird es künftig auch zu inno­vativen Produktkonzeptionen kommen, die mehr für die Ge­sundheit leisten. Ohne geschmackliche Verluste wird es fett- und zu­ckerärmere Produkte geben, für deren Entwicklung der Druck bisher fehlte. Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf ge­gen Übergewicht und Fehlernährung.

Ich hoffe, Ihnen mit den vorstehenden Ausführungen deutlich gemacht zu haben, warum ich eine Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln nicht befürworte und möchte mich an dieser Stelle für das in mich gesetzte Vertrauen bedanken.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Borchert