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Joachim Spatz
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Frage von Constanze F. •

Frage an Joachim Spatz von Constanze F. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Spatz,

im Frühjahr diesen Jahres habe ich Abitur gemacht. In den Monaten danach war ich damit beschäftigt, meine Zukunft zu planen und die Weichen für mein Berufsleben zu stellen.
Meinen Studienplatz habe ich sicher, meine Ziele vor Augen – aber je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr sorge ich mich um meine berufliche Zukunft.
Ich fange jetzt an, Kulturwissenschaften zu studieren. Ich hoffe, mich in den drei Bachelorjahren weiter mit meinen Interessengebieten zu beschäftigen. Ich habe mich schon während der Schulzeit in verschiedenen Kulturprojekten engagiert, bin Ehrenamtlerin aus Leidenschaft, in der Zeit zwischen Abitur und Studium habe ich meine ersten Praktika absolviert.
Aber ich befürchte, all dieses Engagement wird mir nach dem Studium wenig helfen, eine Stelle zu finden. Mein Lebenslauf ist typisch für die vielbeschworene „Generation Praktikum“, die reich ist an Erfahrungen, aber meist nur befristet beschäftigt und dabei schlecht bezahlt wird. So werde ich wohl von Arbeit zu Arbeit vagabundieren, bis ich 35 bin, trotz Bafög einen Berg Schulden im Rücken und ohne wirkliche Perspektive auf ein planbares Leben und Familiengründung.
Was sagen Sie zu diesen Sorgen, mit denen eine ganze kommende Generation konfrontiert ist? Welche Forderungen und Initiativen gibt es in Ihrer Partei, solchen Problemen Abhilfe zu schaffen?

Mit freundlichen Grüßen

Constanze Fertig

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Fertig,

für Ihre Fragen zur „Generation Praktikum“, die Sie mir über abgeordnetenwatch.de haben zukommen lassen, danke ich Ihnen.

Im Jahr 2005 hat Matthias Stolz einen Artikel in der Zeit geschrieben, dem er die Überschrift „Generation Praktikum“ gegeben hat. In diesem Artikel wies er darauf hin, dass es viele junge Menschen im Anschluss an ihre Hochschulausbildung über längere Zeit in Praktika verweilen, bevor sie die Chance auf eine reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten. Im Jahr 2012 Schrieb Herr Stolz erneut einen Artikel in der Zeit. Diesmal überschrieben mit „Praktikanten ade“. Darin stellt er fest, dass alle zehn Praktikanten, die auf dem Foto zum ersten Artikel zu sehen waren, inzwischen einen Arbeitsplatz gefunden haben.

Der Vergleich zwischen 2005 - die problematische Lage am Arbeitsmarkt, 612 000 junge Menschen ohne Arbeit, eine Jugendarbeitslosigkeit von 12,4 Prozent - und der Lage im Juni 2012 - 350 000 junge Menschen ohne Arbeit, also nur noch 7,9 Prozent - zeigt, dass wir uns in einer Situation befinden, in der sich die Jugendarbeitslosigkeit um mehr als die Hälfte reduziert hat.

Verweisen möchte ich an dieser Stelle auf eine Studie der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) aus dem Jahr 2007 mit der Überschrift „Generation Praktikum - Mythos oder Massenphänomen“. In ihr hat man auf wissenschaftlichem Weg nachgewiesen, dass sich die Situation der Praktikantinnen und Praktikanten in unserem Land tatsächlich anders darstellt. Es gilt als nachgewiesen, dass es in der Tat keinen Anlass für Beunruhigung gibt. Hochschulabsolventen haben in Deutschland die besten Chancen.

Deutschlands Arbeitsmarkt, insbesondere der Arbeitsmarkt für Akademiker, entwickelt sich zuneh-mend zu einem Arbeitnehmermarkt. Der Berufseinstieg für Ingenieure gestaltet sich relativ einfach. Bei den Geisteswissenschaften ist in der Regel eine kurze Zeit des Praktikums oftmals hilfreich für den Berufseinstieg. FDP und Union haben mit dem gut angelaufenen Deutschlandstipendium einen weiteren Ansatz geschaffen, um Hochschule und Wirtschaft enger zu verzahnen. Auf diesem Weg sollen die Berufseinstiegsmöglichkeiten für Hochschulabsolventen verbessert werden. Die Wirtschaft hat schon lange erkannt, dass es einen Fachkräftemangel geben wird. Mit dem Deutschlandstipendium bauen wir vor.

Zum Schutz junger Arbeitnehmer existieren diverse Regelungen, zum Beispiel das Berufsbildungsgesetz und das Arbeitszeitgesetz. Diese Gesetze geben jungen Menschen, die ein Praktikum absolvieren, eine Vielzahl rechtlicher Regelungen an die Hand, beispielsweise hinsichtlich Vergütungsansprüchen, Arbeitszeit, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

Die im Mai 2012 vom Deutschen Institut für Altersvorsorge veröffentlichte Studie „Die Kinder der Babyboomer“ macht deutlich, dass die Mär von der Generation Praktikum auch künftig nur in den Parteiprogrammen von Grün und Rot eine Heimat haben wird; denn Fachkräfte sind knapp und die Arbeitsmarktaussichten daher gut. Ein früher Berufsstart durch verkürzte Schul- und Studienzeiten sowie der Wegfall der Wehrpflicht bieten jungen Schulabsolventen die Chance, schneller und länger gutes Geld zu verdienen. Der im vergangenen Jahr vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Leitfaden „Praktika - Nutzen für Praktikanten und Unternehmen“ ist eine hilfreiche Zusammenstellung der fairen Spielregeln.

Lassen Sie mich nochmals betonen: Wer in Deutschland ein Hochschulstudium absolviert, ist hochqualifiziert und hat deshalb selbstverständlich einen Anspruch darauf, dass er in den regulären Arbeitsmarkt übernommen und entsprechend bezahlt wird. In einem Land, in dem wir Leuten in der beruflichen Ausbildung ab dem ersten Ausbildungstag eine Ausbildungsvergütung bezahlen, kann das Argument, dass jemand, der von einer Hochschule kommt, zu Beginn des Arbeitsverhältnisses über zu wenig praktische Erfahrungen verfügt und deshalb zunächst Praktika absolvieren muss, bevor er in reguläre Beschäftigung übernommen wird, nicht gelten. Dafür gibt es Probezeiten, befristete Arbeitsverträge, Trainee-Programme und vieles andere.

Wenn man jedoch umgekehrt dieses Argument zum Anlass nähme, Praktikumsverhältnisse generell für schlecht zu halten, machte man aus meiner Sicht einen kapitalen Fehler. Im Gegensatz zu regulären Beschäftigungsverhältnissen steht bei Praktikumsverhältnissen der Bildungsaspekt im Mittelpunkt. Sie bieten die Chance, bei besonders renommierten Institutionen noch etwas hinzuzulernen oder in der Übergangsphase zwischen Hochschule und Beschäftigung noch einmal zusätzliche Erfahrungen zu sammeln. Deshalb gibt es eine Vielzahl von Praktika, die sehr nützlich sind.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Spatz MdB