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Jan-Ole Werner
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Frage von Anja T. •

Frage an Jan-Ole Werner von Anja T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Werner,

auf der Tourismus-Homepage der Stadt Hamburg wird so die Herbertstraße beschrieben:
„Vor neugierigen Blicken geschützt, gibt es hier käufliche Liebe. Der Zutritt ist nur für Männer über 18 Jahren erlaubt: Die berühmt-berüchtigte Herbertstraße in Hamburg.
Die etwa 60 Meter lange Gasse, die vor den Blicken Neugieriger durch Tore geschützt wird, gehört zum alten Mythos St. Pauli. Hier gibt es die käufliche Liebe seit dem 19. Jahrhundert. Und nur Männern über 18 Jahren wird Zutritt gewährt. Frauen sollten es erst gar nicht wagen, dort hinein zu wollen - sie erwarten Beschimpfungen, faule Eier, kalte Duschen oder mit Urin gefüllte Eimer.“
https://www.hamburg-tourism.de/sehen-erleben/sehenswuerdigkeiten/herbertstrasse/
Halten Sie diese Werbung für angebracht und zeitgemäß?
Können sie mir sagen, wodurch es legitimiert ist, dass eine Straße der Stadt Hamburg ein jugendgefährdender Ort ist von dem auch Frauen ausgeschlossen sind?
Wurden die Tore und Beschilderungen, die „vor neugierigen Blicken schützten“, von der Stadt angebracht? Zum Schutz der Sexarbeiterinnen? Wenn ja, warum nur dort?
Im SPD Regierungsprogramm 2020 heißt es:
„…Hamburg ist attraktiv und wird immer attraktiver. Hamburg ist eine Hoffnungs- und Ankunftsstadt, in der viele Menschen mit ihren Kindern und Familien leben wollen…“
Im Wahlprogramm steht:
„…Zukunft – Gut und sicher leben
Eine sichere Stadt für alle
Im öffentlichen Raum, auf den Straßen und Plätzen unserer Stadt soll sich jeder wohl und sicher fühlen. Deshalb erhöhen wir hier die sichtbare Polizeipräsenz und setzen an besonders kriminalitätsbelasteten Orten ergänzend auch Videoüberwachung ein….“
Gibt es außer der Herbertstraße weitere Straßen, die nicht an einer Stadtentwicklung, im Sinne ihres Wahlprogramms, teilhaben?
Wie stehen Sie zu den bisherigen Protesten von Anwohner*innen und Feminist*innen?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten
Anja Twest

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau T.,

vielen Dank für Ihre Fragen. Es freut mich, dass der Hamburger Bürgerschaftswahlkampf auch für Grüne Kommunalpolitikerinnen aus Halstenbek von Interesse ist. Jedoch bin ich trotz meines Geschlechts kein Experte in Sachen Herbertstraße und teile einige Ihrer Thesen nicht.

Wie Sie wahrscheinlich wissen, ist der Sichtschutz an der Herbertstraße durch die Nationalsozialisten aufgestellt und seitdem nicht demontiert worden. Diente diese Barriere ursprünglich dem Ausgrenzen der Sexarbeiterinnen, so haben sich diese meinem Verständnis nach der Barriere bemächtigt, um aus ihrer Sicht "nur" potenziellen Kunden Zutritt zu gewähren. Daher wurden die Schilder auch auf deren Wunsch hin in den 1970er angebracht, auch und vor allem aus Gründen deren Schutzes.

Ich teile Ihre Einschätzung, dass dies eine Einschränkung des öffentlichen Raumes für Frauen und Jugendliche ist. Allerdings halte ich diese Diskriminierung für vertretbar. Für mich sind die Interessen der Sexarbeiterinnen berechtigt. Als ehemaliger Bewohner von St. Pauli wie St. Georg weiß ich aus Erleben und Gesprächen mit Sexarbeiterinnen, dass verbale wie körperliche Gewalt ihnen gegenüber immer noch an der Tagesordnung ist.

Wenn es um Diskriminierung von Frauen oder Menschen aus der LGBT-Community oder um Einschränkung des öffentlichen Raums geht, denke ich ehrlicherweise auch an andere Dinge, als an eine 60 m lange Straße auf dem Kiez, die zu einer Art Marke geworden ist. Ich halte das für reine Symbolpolitik ohne Rücksicht auf die Sexarbeiterinnen. Insofern fällt es mir schwer, Femen- oder etwaige mir jedoch unbekannte Anwohner*innenproteste für hilfreich zu halten.

Den Rückschluss von der besonderen Situation der Herbertstraße auf das Wahlprogramm meiner Partei können Sie natürlich machen. Aber die Herbertstraße ist kein Indiz dafür, dass die SPD sich nicht für die gesamte Stadt einsetzen wird, um Segregation und Verdrängungsprozesse oder Kriminalität zurückzudrängen. Aber vielleicht akzeptieren wir Sozialdemokrat*innen die Pluralität und Diversität unserer Stadt, auch wenn nicht alles unserem Idealbild entspricht.

Da Sie meinen Genossinnen und Genossen die gleiche Anfrage gestellt haben und diese bereits bezüglich des "Werbetextes" der Hamburg Tourismus Seite gehandelt haben, möchte ich mich hierzu wiederholen.

Mit freundlichen Grüßen

Jan-Ole Werner