Hermann Stubbe
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Angelika H. •

Frage an Hermann Stubbe von Angelika H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Hermann Stubbe!

Schade, dass du nicht mehr in der autofreien Siedlung von Münster wohnst. Die Grünen haben mit Sicherheit auch zu diesem schönen Projekt beigetragen. Trotzdem bin ich kein Mitglied der Grünen, sondern engagiere mich für eine ganz kleine Partei, die in den Medien kaum Beachtung findet. Doch wir haben in den letzten Jahren immer an der Bundestagswahl teilgenommen. Nur diesmal haben wir es leider nicht geschafft, die 2000 Unterstützungsunterschriften zusammenzubekommen. Besonders schwierig gestaltete sich das Sammeln von Unterstützungsunterschriften hier in der Hochburg der Grünen. Es wäre schön, wenn du dich als Bundestagsabgeordneter dafür einsetzen könntest, dass kleine demokratische Parteien nicht immer wieder erneut diesen zeitaufreibenden Schikanen ausgesetzt sind. Besonders enttäuschend war für mich, wie am 13.6. kurz vor Mitternacht sämtliche etablierten Parteien, auch die Grünen, für die 3% Hürde bei der Europawahl stimmten. Nur die Linken haben hier dagegegen gestimmt, was mich beeindruckt hat. Im November 2011 war nämlich die 5% Hürde für verfassungswidrig erklärt worden. Nun eine 3% Hürde? Haben die etablierten Parteien Angst um ihre Sitze und Angst vor Machtverlust?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Angelika,

vielen Dank für deine Antwort. Dein Engagement für die kleine Partei ist beeindruckend. Auch dafür zunächst einmal herzlichen Dank. Ich kann dein Anliegen sehr gut verstehen, sowohl was die Anzahl der Unterstützungsunterschriften, als auch was die 5% bzw. 3%-Hürde angeht. Ich sehe mich in dieser Frage grundsätzlich in Übereinstimmung mit meiner Partei, die Zugangshürden für politisches Engagement abbauen will. Bei der Entscheidung über die 3%-Hürde bei der Europawahl habe ich selbst auch Zweifel an der Entscheidung auch meiner Partei gehabt, ohne eine eindeutige Position zu haben.

Das angesprochen Problem hat grundsätzlich durchaus zwei Seiten. Auf der einen Seite sind wir sicherlich einer Meinung, dass Vielfalt der Parteien für die Demokratie von enormer Bedeutung ist. Ich selber sage immer in Bezug auf Wahlmüdigkeit, dass ich durchaus Frust mit allen großen Parteien nachvollziehen kann. In diesem Fall sind gerade die kleinen Parteien eine Alternative, so dass ich für Nichtwählen keinerlei Verständnis habe. Diese Seite würde für eine vollständige Abschaffung oder zumindest weitestgehende Absenkung aller Zugangshürden einschließlich der 5%-Hürde sprechen. Im Fall der Europawahl haben wir es durch die vielen verschiedenen Länder sowieso mit einer enormen Vielfalt der Parteien zu tun, die sich teilweise sehr bunt zu Fraktionen zusammengeschlossen haben (z.B. ist der Pirat aus Schweden Mitglied der Grünen-Fraktion). Das spricht für einen Verzicht auf jegliche künstliche Hürde bei der Europawahl (aufgrund der 99 deutschen Abgeordneten hätten wir dann real eine ca. 1%-Hürde in Deutschland).

Auf der anderen Seite muss natürlich in Bezug auf die formalen Hürden der Anmeldung sichergestellt werden, dass nicht jeder Witzbold Quatsch anmelden kann. Ob man von 2000 Unterstützende auf eine kleinere Zahl wie z.B. 1000 herabsetzen könnte, wäre diskutabel. Eine vollständige Abschaffung der Zugangshürden würde ich aber für unangemessen halten.

Bei der Europawahl bin ich mir nicht ganz klar, ob eine Hürde Sinn macht. Unsere Politiker (einschließlich der Grünen) wollen eine Zersplitterung in zu viele vereinzelte Abgeordnete, die ohne Fraktion in der Praxis nicht sinnvoll arbeiten könnten, verhindern. Wie ich aber schon oben geschrieben habe, gibt es aber bunte Mischungen in den Fraktionen. Ob es möglich wäre, dass Einzelabgeordnete aus Kleinstparteien sich Fraktionen anschließen können, in denen auch große Deutsche Parteien arbeiten, ist zumindest fraglich. Ob die ödp, die Tierschutz- oder die Familienpartei dann zusammen mit den Grünen oder einer anderen Deutschen Partei trotz der politischen Konkurrenz im Parlament in einer Fraktion zusammen arbeiten könnten, möchte ich zumindest bezweifeln. Wenn das in der Praxis möglich wäre, würde ich auch gegen jede künstliche Hürde bei Europawahlen eintreten.

Freischwebende Einzelabgeordnete ohne Fraktion können sich nur durch schnell unkonstruktiv wirkende Aktivitäten einbringen, weil viele Fraktionsrechte einfach fehlen (und dafür gibt es gute Gründe). Fazit: Ich verstehe dein Anliegen vollständig, teile deine Konsequenzen in Teilen und habe bei anderen Teilen noch Fragezeichen. Ich hoffe, dass meine nicht ganz eindeutige Antwort dir weiter hilft.

Herzlichen Gruß

Hermann Stubbe