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Henning Hintze
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Frage von Christine v. d. K. •

Frage an Henning Hintze von Christine v. d. K. bezüglich Bildung und Erziehung

Lieber Henning Hintze,

meine Frage ist allgemein und lässt sich nur schwer einordnen, das möchte ich vorausschicken.

Immer wieder beobachte ich, dass die Linke im Westen als eine "nichtbürgerliche" Partei betrachtet wird, die deshalb für viele als nicht wählbar erscheint. Ich halte alle Parteien des Fünferspektrums für "bürgerlich".

Die Forderungen der Linken - nach einer gerechten Umverteilung des Besitzes, nach einem fairen Mindestlohn und einer Grundsicherung, nach einer strukturell umgesetzten Bildungsgleichheit, nach ökologischen Grundsätzen in der Energiepolitik und einer Bundeswehr, die zu keinem völkerrechtlich umstrittenen und moralisch fragwürdigen kriegerischen Einsatz missbraucht wird - sind Ziele, die jedem gerecht und sozial denkenden Menschen einleuchten sollten. Es sind im übrigen Ziele, die noch vor nicht langer Zeit als gute sozialdemokratische Politik galten.

Wie kann die Linke sich gegen den unsinnigen Vorwurf "nichtbürgerlich" wehren, der als Kampfbegriff gegen sie eingesetzt wird? Eine Frage, die vielleicht zu weit führt und in den anstrengenden Wahlkampftagen zu viel ist, zu beantworten. Über eine kurze Stellungnahme dazu würde ich mich trotzdem sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Ch. v. d. Knesebeck

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau v. d. Knesebeck,

über den Begriff "bürgerlich" läßt sich lange streiten. Er stammt aus dem vorletzten Jahrhundert, als sich das Bürgertum demokratische Rechte erkämpfte, ist aber heute für die Bezeichnung demokratischer Parteien meiner Ansicht nach wenig geeignet, weil er viel zu unpräzise ist. Daß die oft in den Medien zu lesende und zu hörende Bezeichnung der Linken als "unbürgerlich" dem Zweck dient, uns als Bürgerschreck zu diskretitieren, ist so offensichtlich, wie es unzutreffend ist. Mit einer solidarischen Bürgerversicherung, unserem entschiedenen NEIN zur Rente mit 67 und mit unserer Ablehnung des demütigenden Systems, das nach dem höchst dubiosen ehemaligen Managers Hartz benannt ist, vertreten wir die Interessen der Bürgerinnen und Bürger konsequenter als alle anderen Parteien. Daß dies von einem großen Teil der Bevölkerung verstanden wird, zeigt z.B. das Wahlergebnis von Thüringen, wo wir kürzlich mit 26 Prozent der Stimmen deutlich mehr Zustimmung als die SPD bekamen.

Der Einfluß, den wir als LINKE auf Journalistinnen und Journalisten von Kommerzmedien und auch öffentlich-rechtlichen Sendern (die ja eigentlich unabhängig sein sollten) haben, ist gleich null, und daran werden wir auch wenig ändern können. Jeder aufmerksame Zeitungsleser und Fernsehzuschauer kann regelmäßig feststellen, daß die Medien z.B. bei wichtigen Bundestagsdebatten unsere Argumente in der Regel so verkürzt bringen, daß sie kaum verständlich sind, oder oft auch gar nicht. Wer sich nicht die Mühe macht, sich aus anderen Informationsquellen als seiner Tageszeitung und Tagesschau/Tagesthemen zu informieren, kann kaum verstehen, wie DIE LINKE denkt und welche Vorschläge sie anbietet. Wenn man bedenkt, welch konstitutive Rolle für die Demokratie unser Grundgesetz den Medien zuerkannt hat, ist das ein Trauerspiel.

Lassen Sie mich noch ein aktuelles Beispiel für minderwertigen Journalismus der ARD nennen. Als vor wenigen Tagen die Chefredakteure des WDR und des BR die drei Oppositionspolitiker Lafontaine, Westerwelle und Trittin zu ihren Vorstellungen befragten, kam der Krieg in Afghanistan überhaupt nicht zur Sprache! Das wird kein Zufall gewesen sein, die beiden Chefredakteure hatten sich die Fragen natürlich genau überlegt. Was also könnte das Motiv für diese auffällige Auslassung gewesen sein? Die Vermutung liegt sehr nahe, daß Lafontaine nicht bei einem Thema punkten sollte, bei dem er zwei Drittel der Bevölkerung auf seiner Seite hat.

Wie ich sagte, ist unser Einfluß auf Journalisten gleich null. Als langjähriger Journalist finde ich das auch gut so: Journalisten sollten so unabhängig wie möglich arbeiten können und so wenig wie möglich Einflüssen und Druckversuchen von Parteien, Verbänden und Anzeigenkunden ausgesetzt sein. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus: in privaten Zeitungsverlagen, deren Anteilseigner an einer hohen Rendite interessiert sind, bleibt die Unabhängigkeit in der Regel auf der Strecke. Das läßt sich sehr leicht belegen. Und in den Funkhäusern sind praktisch alle Leitungspositionen inzwischen von CDU/CSU oder SPD besetzt, der Großen Koalition also. Diese hat, wie wir wissen, ihren Frieden mit den Banken und Großunternehmen gemacht, identifiziert sich mit deren Interessen. Darin gleicht sie wiederum den auf Gewinn zielenden Zeitungsverlagen.

Zum Glück gibt es einige unabhängige Informationsquellen, aus denen wir unabhängige und kritische Informationen bekommen können. Für eine der interessantesten halte ich die Nachdenkseiten, die im Internet unter http://www.nachdenkseiten.de zu finden sind. Wenn Sie dort hineienschauen, werden Sie erstaunt sein, was unabhängiger Jourmalismus zu leisten imstande ist.

Mit freundlichen Grüßen

Henning Hintze