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Helge Braun
CDU
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Frage von Sascha H. •

Frage an Helge Braun von Sascha H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Braun,

Wir stehen nun 40 Tage vor der Bundestagswahl. Daher würde mich als Bürger Ihres Wahlkreises interessieren, wie Sie zur NSA-Affäre stehen.
Was darf ich von Ihnen an politischer Aktivität erwarten, die versucht, weitere massive Eingriffe in meine Privatsphäre durch "befreundete" oder gar bundesdeutsche Dienste zu verhindern? Was werden Sie persönlich tun, um Zustände wie in den USA zu verhindern, wo der frühere Betreiber des Email-Dienstes Lavabit gezwungen war, seinen Betrieb aufzulösen, weil er ein ehrbarer Geschäftsmann bleiben wollte, und sich nur noch unter anwaltlicher Begleitung öffentlich zum Regierungshandeln äußern kann?
Wie also stehen Sie dazu, dass elementare Grundrechte und Prinzipien des liberalen, für eine Demokratie unabdingbaren Rechtsstaates ausgehebelt werden?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hammes,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch, in der Sie mir Fragen zur NSA-Abhöraffäre stellten. Angesichts nahezu täglich neuer Medienberichte zu den Enthüllungen Edward Snowdens kann ich Ihre Sorge um die Wahrung des Datenschutzes in Deutschland gut nachvollziehen. Gern möchte ich Ihre Fragen zur NSA-Abhöraffäre beantworten.
Was die Situation von zwölf Jahren betrifft – damals trug ich noch keine politische Verantwortung in Deutschland – kann ich Ihnen keine Auskunft geben.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzt sich gemeinsam mit der Bundesregierung für eine bestmögliche Aufklärung der NSA-Affäre ein. Bundesinnenminister Dr. Friedrich hat die Forderung der Bundesregierung zur Aufklärung der Vorwürfe von Edward Snowden an die US-Regierung übermittelt. Die USA haben ihre Zusammenarbeit bei der Aufklärung zugesagt. Vizepräsident Biden und der zuständige Justizminister Holder haben die Existenz des „Prism“-Programms der NSA bestätigt. Es dient nach Angaben der Amerikaner keineswegs einer flächendeckenden Speicherung von Kommunikationsinhalten, sondern der gezielten Prüfung auf Hinweise, die Bezug zu Terrorismus, organisierter Kriminalität und Massenvernichtungswaffen haben. Verbindungsdaten (Telefonnummern und Gesprächsdauer, Gesprächszeit) werden durch staatliche Stellen länger und umfassender gespeichert.
Die US-Gesprächspartner haben zudem versichert, dass die staatlichen Behörden in den USA keine Industriespionage gegen deutsche Firmen durchführen. Hierfür gebe es – so die US-Regierung – weder eine Rechtsgrundlage noch wäre dies mit der Ordnungspolitik im Hinblick auf den freien Wettbewerb vereinbar oder gewollt.
Die USA haben in Gesprächen mit Minister Dr. Friedrich klargestellt, dass es keine „Über-Kreuz“-Absprachen zwischen den Auslandsdiensten dahingehend gibt, die Inländer des Partnerstaats jeweils in dessen Auftrag zu überwachen.
Im September werden Bundesinnenminister Dr. Friedrich und der amerikanische Justizminister Holder erneut zusammentreffen.
Zur besseren Aufarbeitung der bestehenden Fragen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die Arbeitseinheit „NSA-Überwachung“ eingesetzt. Dessen Ergebnisse werden dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt.
Darüber hinaus führt das Auswärtige Amt mit dem amerikanischen Außenministerium Verhandlungen für einen Verbalnotenwechsel über die Aufhebung der Verwaltungsvereinbarung zwischen der BRD und den USA von 1968 zum G10. Auch mit den anderen Westalliierten, Großbritannien und Frankreich, wird darüber verhandelt.
Des Weiteren wurde ein sogenannter „Runder Tisch“ zur „Sicherheitstechnik im IT-Bereich“ eingerichtet. Politik, Forschungseinrichtungen und Unternehmen sollen auf diese Weise gemeinsam bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen, die Sicherheitstechnik entwickeln.
Auf EU-Ebene setzt sich der Bundeswirtschaftsminister mit der Kommission der Europäischen Union für eine ambitionierte IT-Strategie ein, der eine Analyse der heute fehlenden Systemfähigkeiten in Europa zugrunde liegen muss.
Darüber hinaus tritt Deutschland gegenüber der EU und den USA dafür ein, die Datensouveränität der Bürger zu respektieren und hohe Datenschutzstandards zu wahren. Die Mitgliedstaaten der EU und das Europäische Parlament erarbeiten zurzeit ein neues EU-Datenschutzrecht, die sogenannte Datenschutz-Grundverordnung. In den seit Juli 2013 laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU sollen nach unseren Vorstellungen auch gemeinsame Datenschutzregeln besprochen werden. Hierfür muss zunächst ein Konsens auf EU-Ebene erreicht werden. Bundesinnenminister Dr. Friedrich und Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger haben eine entsprechende Erweiterung der Verhandlungen mit den USA beim Rat der Justiz- und Innenminister am 18. und 19. Juli 2013 ihren EU-Partnern vorgeschlagen.
Auf internationaler Ebene setzt sich das Auswärtige Amt dafür ein, ein Zusatzprotokoll zu Artikel 17 zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen zu verhandeln. Dabei sollen ergänzende und den modernen technischen Entwicklungen entsprechende internationale Vereinbarungen zum Datenschutz vereinbart werden, die auch die Arbeit der Nachrichtendienste mit einbeziehen.
Bundesinnenminister Dr. Friedrich hat erklärt, dass es bislang keine Hinweise darauf gibt, dass der Internetknoten in Frankfurt/ Main „angezapft“ wurde. Weitere Informationen liegen mir hierzu bislang nicht vor.
In der Tat stoßen Aussagen von Insidern wie Edward Snowden wichtige Debatten an. Welche Bedeutung den von ihnen preisgegebenen Informationen beizumessen ist, muss von Experten bewertet werden. Der Wunsch vieler Bürger, angesichts der aktuellen Stimmungslage Herrn Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren, ist nachvollziehbar. Deshalb hat das Bundesinnenministerium die Voraussetzungen hierfür geprüft. Es ist jedoch zu der Feststellung gekommen, dass hierfür nicht die notwendigen Voraussetzungen vorliegen. Zum einen müsste ein Asylantrag auf deutschem Boden gestellt werden. Zudem wird Herr Snowden nicht politisch verfolgt. Gegen ihn laufen stattdessen strafrechtliche Ermittlungen in den Vereinigten Staaten. Ihm Asyl zu gewähren, während wir viele Armutsflüchtlinge abweisen, weil sie nicht politisch verfolgt werden, wäre somit nicht nur unfair, sondern würde auch gegen bestehende Regelungen verstoßen. Darüber hinaus haben die EU und die USA ein Auslieferungsabkommen geschlossen, das seit dem Jahr 2010 in Kraft ist.
Ich möchte noch einmal betonen, dass sich die Bundesregierung im Interesse unserer Bürger aktiv um eine Aufklärung der NSA-Abhöraffäre einsetzt. Eine lückenlose Aufklärung ist meines Erachtens allerdings nicht zu erwarten, da die Arbeitsweise von Geheimdiensten und die von ihnen gewonnenen Informationen sowohl in den USA als auch in allen anderen Staaten geschützt sind und nur dann preisgegeben werden können, wenn von einer Bekanntgabe keine Gefährdung ausgeht.
Ich möchte Ihnen versichern, dass ich mich dafür einsetze, dass die NSA-Abhöraffäre bestmöglich aufgeklärt wird und der Datenschutz in Deutschland, aber auch in der EU sowie international verbessert wird.
An einem Faktum kommt jedoch niemand vorbei: Datenpakete, auch wenn Sie einen Absender und ein Ziel in Deutschland haben, verlassen im Internet regelmäßig das deutsche Netz. Deshalb muss jeder Nutzer damit rechnen, dass sein Datenpaket im Ausland kriminell oder rechtmäßig auf Grundlage weniger ambitionierter Datenschutzgesetzgebung eingesehen wird. Deshalb fördert zum Beispiel das Bundesministerium für Bildung und Forschung intensiv die Entwicklung sicherer Verschlüsselungs- und Datentransfertechniken. Jeder einzelne von uns kann selbst etwas dazu beitragen, seine Daten beispielsweise beim Online-Banking oder bei der alltäglichen Kommunikation besser zu schützen. Auf den Internetseiten http://buerger-cert.de, http://bsi-fuer-buerger.de und http://sicher-im-netz.de finden sich nützliche Hinweise. Außerdem hat der Bund u.a. mit der Einführung des elektronischen Personalausweises eine Möglichkeit entwickelt, sich im Internet zu identifizieren, und mit der „DE-Mail“ eine Kommunikationsform rechtlich anerkannt, die höheren Sicherheitsstandards entspricht.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Helge Braun

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