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Frage von Casimir B. •

Frage an Heinrich Kolb von Casimir B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Kolb,

ich möchte Sie bitten, mir Ihr Abstimmungsverhalten zu oben genanntem Antrag zur Verhinderung der Privatisierung der Wasserversorgung darzulegen. Falls es sich hier nicht um einen Fraktionszwang handelt (der zwar de facto nicht existiert, sich meiner bescheidenen Meinung als Politikwissenschaftsstudent nach aber bester Gesundheit erfreut), dann würde ich gerne Ihre Begründung nachvollziehen können, sich in dieser Frage gegen das umfassend vorgetragene Anliegen der mittlerweile 1,3 Millionen EU-Bürger zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen,

Casimir Buck

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Buck,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gern beantworten will.

Die Anträge der Opposition zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission
für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die
Konzessionsvergabe sind hinsichtlich der Forderung einer
Bereichsausnahme zur Trinkwasserversorgung überflüssig.

EU-Kommissar Michel Barnier hat bereits vor der Plenardebatte gegenüber
dem zuständigen Binnenmarktausschuss im Europäischen Parlament
weitreichende Zugeständnisse hinsichtlich der Vergabe von
Wasserkonzessionen gemacht.

Hintergrund:
Die Richtlinie legt Regeln für die Vergabe von Konzessionen fest.
Konzessionen werden von Kommunen für die Wasserversorgung, aber auch
Dienstleistungen wie die Verpflegung in Schulkantinen oder
Müllentsorgung vergeben. Die EU möchte damit sicherstellen, dass
Unternehmen einen fairen Zugang zu Geschäftsmöglichkeiten in anderen
Mitgliedstaaten haben und Korruption und Vetternwirtschaft eingedämmt
werden. Angesichts der hohen Haushaltsdefizite in einigen
Mitgliedstaaten ist dieser Ansatz bei der Vergabe öffentlicher Gelder
prinzipiell auch zu begrüßen. Anders als in Deutschland werden
Konzessionen in vielen EU-Ländern dabei sehr viel häufiger an private
Unternehmen vergeben.

Alter Regelungsvorschlag:
Der ursprüngliche EU-Entwurf ist dabei aber über das Ziel
hinausgeschossen. Ursprünglich sah der Entwurf nämlich vor, dass die
Kommunen zu einer Ausschreibung gezwungen gewesen wären, wenn nicht
mindestens 80% des Umsatzes eines Stadtwerkes in der eigenen Gemeinde
erwirtschaftet worden wäre. Da die Stadtwerke regelmäßig gerade im
Bereich der Energieversorgung zu einem nicht unerheblichen Teil
außerhalb des Gemeindegebiets investieren, wäre es dadurch zu einer
Ausschreibungspflicht gekommen.

Neuer Regelungsvorschlag:
Nach mehreren Gesprächen, die auch von FDP-Seite mit ihm geführt worden
sind, hat EU-Kommissar Barnier bei dieser Frage bereits vor der Debatte
im Bundestag sein Einlenken signalisiert. Eine Kommune kann damit
weiterhin an die eigenen Stadtwerke den Auftrag zur Wasserversorgung
vergeben, soweit sich diese nicht zu einem großen Teil in andere
Wassernetze eingekauft hat. Damit ist für die Stadtwerke sichergestellt,
dass Kommunen wie derzeit die Möglichkeit haben werden, aus eigenem
Antrieb zu entscheiden, ob die Wasserversorgung durch die Kommune oder
einen Privaten betrieben wird. Die Ausschreibungspflicht greift damit
nur für den Fall, dass eine Kommune von sich aus die Entscheidung
trifft, einen Privaten mit der Durchführung zu beauftragen. Aber genau
dann macht es auch Sinn, hier auch transparente Verfahrensregeln zu
schaffen, um sicherzustellen, dass nicht über Gemauschel mit einem
Privatunternehmen Sonderkonditionen ausgehandelt werden, die zum
Nachteil der Gebührenzahler sind. Das Beispiel Berlin ist ein solches
Negativbeispiel.

Insgesamt gilt:
Die Wasserversorgung in Deutschland ist auf einem sehr hohen Niveau. Das
Preis-Leistungsverhältnis ist unübertroffen. Das zeigen alle Studien.
Wir sind uns sicher, dass es bei den bald beginnenden
Trilog-Verhandlungen auf EU-Ebene zu einer endgültigen Lösung kommen
wird, mit der unser Interesse an der Beibehaltung der bewährten
überwiegend kommunal organisierten Trinkwasserversorgung erfüllt wird.
Auch zukünftig würde dann keine Kommune zur Privatisierung der
Wasserversorgung gezwungen.

Zu den Anträgen im Bundestag:
Die Oppositionsanträge gingen über die Fragen zur Wasserversorgung
allerdings hinaus. So wurde von der SPD eine Rekommunalisierung in allen
Bereichen angestrebt, von Grünen und Linken wurde desweiteren gefordert,
die Dienstleistungsrichtlinie generell abzulehnen. Diese Forderungen
halten wir für falsch, deshalb wurden die Anträge von der Mehrzahl der
FDP-Abgeordneten abgelehnt. Transparente Verfahrensregeln können überall
dort helfen, wo wettbewerbliche Strukturen Preis- und Leistungsvorteile
mit sich bringen. Dazu kommt, dass die Dienstleistungsrichtlinie auch
aus dem europäischen Blickwinkel zu betrachten ist. In einigen
europäischen Mitgliedstaaten gibt es nur rudimentäre Vorgaben, wie
öffentliche Aufträge zu vergeben sind. Die Dienstleistungsrichtlinie
zielt darauf ab, dass solche Missstände beseitigt werden. Wir hätten die
Vorgaben aus deutscher Sicht nicht unbedingt gebraucht. Sie sind jetzt
aber so ausgestaltet, dass sie nicht nur unschädlich für das deutsche
System sind, sondern in Teilbereichen wie Transparenzvorgaben sogar
Verbesserungen mit sich bringen. Dennoch ist es wichtig, Gesamteuropa
bei dieser Richtlinie im Blick zu haben und den Versuch zu unternehmen,
über den deutschen Tellerrand einen Blick zu werfen.

Bitte berücksichtigen Sie die Abstimmung im Plenum in diesem
Gesamtkontext. Weil diese Zusatzpunkte mit den Anträgen vorgebracht
wurden und weil der Kerninhalt des Antrags überflüssig (weil veraltet)
war, haben zahlreiche Abgeordnete gegen die Anträge gestimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Heinrich L. Kolb