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Heidemarie Wieczorek-Zeul
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Frage von Andreas B. •

Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Andreas B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Wieczorek-Zeul,

ich habe eine Frage zu den EU-Verträgen von Lissabon, die demnächst zur Ratifizierung auch in Deutschland auf der Tagesordnung des Bundestags stehen werden. Im Speziellen geht es um die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Ich beziehe mich auf die vom österreichischen Bundeskanzleramt veröffentlichte konsolidierte Fassung der Verträge: http://www.zukunfteuropa.at/DocView.axd?CobId=26956 (Frage am Rande: Gibt es so etwas auch von einer bundesdeutschen Behörde?).

Zu den gemeinsamen Zielen heißt es da u.a. in Artikel 10 a [21) Abs. 2 Nr. e), dass die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft u.a. durch den schrittweisen Abbau internationaler Handelshemmnisse angestrebt wird.

Ich frage Sie als Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: können beispielsweise Importzölle nicht für schwache Volkswirtschaften noch längere Zeit notwendig sein, um eine nachhaltige Inlandsentwicklung zu schützen? Zahlreiche Beispiele aus Westafrika zeigen doch, dass die schwachen Strukturen z.B. im Senegal vollends zusammenbrachen, als die "Handelshemmnisse" beseitigt wurden und mit europäischen Steuergeldern subventionierte Nahrungsmittel (Gemüse, Fleischprodukte) den Kleinerzeugern vor Ort das wirtschaftliche Genick brachen.

Welche Sicherungsmechanismen sehen die schwer verständlichen Verträge vor, um solche kontraproduktiven Vorgänge zu verhindern? Wann werden die endlich die europäischen Handelshemmnisse(!), die gigantischen Agrarsubventionen, abgebaut, die schwächeren Ländern den Zugang zum europäischen Markt erschweren?

Ich wünsche mir ein europaweites demokratisches Referendum zu diesen wichtigen EU-Verträgen. Warum findet dieses nicht statt?

Für Ihre Ausführungen herzlichen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen,

Andreas Beck

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Beck,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Die von Ihnen angesprochenen Themen sind auch mir wichtige Anliegen.

Ich stimme mit Ihnen überein, dass die Märkte von Entwicklungsländern häufiger als die von Industrieländern auf Schutzinstrumente angewiesen sind. Daher ist es richtig, dass in den gegenwärtigen Welthandelsverhandlungen der WTO-Doha-Runde die Entwicklungsländer dafür eintreten, dass ihnen entsprechende Flexibilitäten eingeräumt werden, wenn es um allgemeine Zollsenkungen für Industriegüter geht. Ich teile auch Ihre Haltung, dass der Abbau der Agrarexportsubventionen aus entwicklungspolitischer Sicht sehr wichtig ist. Ich bin daher froh, dass wir uns auf der WTO-MinisterInnen-Konferenz von Hongkong 2005 auf ein Ende der EU‑Agrarexportsub- ventionen 2013 geeinigt haben – allerdings wird diese Absprache nur wirksam, wenn die Verhandlungen erfolgreich zu Ende geführt werden!

Das Ziel eines verbesserten Zugangs der Entwicklungsländer zu den europäischen Märkten verfolge ich seit Jahren. Nachdem wir den ärmsten Ländern schon 2001 mit der so genannten Everything-But-Arms-Initiative freien Marktzugang eingeräumt haben, hat die EU mit den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP), die 2007 abgeschlossen wurden, einen weiteren sehr großen Schritt in diese Richtung getan: Alle AKP-Staaten, die mit der EU Abkommen abgeschlossen haben, bzw. noch abschließen werden, erhalten vollkommen freien Marktzugang mit Übergangsfristen nur für Zucker und Reis.

Leider ist es bisher aber nur mit der Karibik gelungen, ein Abkommen zu schließen, von dem wir erwarten dürfen, dass es unsere entwicklungspolitischen Ziele erfüllt: Durch regionale Integration und angemessene Liberalisierung, die Rücksicht auf die Situation der AKP-Staaten nimmt, sowie durch regionale Reformschritte zu nachhaltiger Entwicklung beizutragen. In den anderen Regionen sind wir mit unbefriedigenden Zwischenlösungen konfrontiert. Diese so genannten „Interimsabkommen“ müssen deshalb möglichst bald durch wirklich regionale, umfassende Abkommen ersetzt werden.

Aber auch wo Liberalisierungsschritte schon vereinbart sind, kann es wichtig werden, diese ggf. zurück zu nehmen. Deshalb gibt es in Freihandelsabkommen die so genannten Schutzklauseln, die sicherstellen sollen, dass im Falle schnell ansteigender Importe nach der Zollsenkung eine schnelle Zollerhöhung wieder möglich ist. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums hierfür eine besonders große Flexibilität einräumen.

Obwohl Sie nicht danach fragen, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle dabei spielen kann, Entwicklungsländer bei der Schaffung der internen Strukturen zu unterstützen, die notwendig sind, um Marktchancen auch zu nutzen. Sie hilft, notwendige Kapazitäten aufzubauen, internationale Standards zu erfüllen, regionale Märkte (Süd-Süd-Handel) zu entwickeln und die notwendige Basis-Infrastruktur aufzubauen. Erst beim G8-Gipfel in Heiligendamm (2007) hat die deutsche Bundesregierung das globale Ziel bestätigt, ab 2010 vier Mrd. US-Dollar handelsbezogene Entwicklungszusammenarbeit zu leisten. Im Rahmen der EU wollen wir ab 2010 jährlich 2 Mrd. Euro dafür zur Verfügung stellen.

Zuletzt zu Ihrer Frage nach einem Referendum zum EU‑Reformvertrag: Demokratische Legitimation ist für die EU von zentraler Bedeutung. Soweit es um die Zustimmung zu den EU-Verträgen geht, sind jedoch die einzelnen Mitgliedsstaaten als Vertragsparteien dafür verantwortlich, für diese Legitimation zu sorgen. Sie tun dies im Einklang mit ihren jeweiligen nationalen Verfassungen. In Deutschland, wie in den meisten anderen Mitgliedsstaaten, wird diese Legitimation über die Zustimmung des Parlaments vermittelt. Ein Referendum ist hierzulande ausgeschlossen, weil das Grundgesetz eine Volksabstimmung für diesen Fall nicht vorsieht. Ich setze mich aber seit Jahren dafür ein, das Instrument der Volksabstimmung und des Volksentscheids in die deutsche Verfassung aufzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Heidemarie Wieczorek-Zeul