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Heidemarie Wieczorek-Zeul
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Frage von Kerstin H. •

Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Kerstin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Wieczorek-Zeul

Gegenüber dem palästinensischen Vize-Ministerpräsidenten Assam Al-Ahmed in Berlin erklärten Sie:
"Ich werbe dafür, dass die internationale Gemeinschaft mit Mitgliedern der neuen palästinensischen Regierung in den Dialog tritt". (Quelle: http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=domesticNews&storyID=2007-03-23T141614Z_01_NEI351365_RTRDEOC_0_DEUTSCHLAND-NAHOST-WIECZOREK-ZEUL.xml )
Wenn dieser Dialog aber gleichzusetzen ist mit finanzieller Unterstützung wirft sich schon folgende Frage auf: „Können Sie uns erklären, warum wir eine palästinensische Autonomiebehörde, die von nur einer Terrororganisation (Hamas) regiert wird, boykottieren, während wir einer Einheitsregierung aus zwei Terrororganisationen (Hamas und Fatah) wieder Geld zur Fortsetzung ihrer Terroraktivitäten gegenüber Israel zur Verfügung stellen sollten?"
Diese Frage ist uns sehr ernst und wir bitten auch darum, dass sie ernst genommen wird

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Heimbold,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 24. März 2007. Gerne möchte ich auf Ihre Frage eingehen und Ihnen meine Position zur Palästinafrage erläutern.

In den letzten Wochen und Monaten ist Bewegung in den seit Jahren festgefahrenen Nah-Ost-Konfiikt gekommen. Die Gründung der Einheitsregierung am 17. März ist ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Palästinensischen Gebiete, aber auch für die ganze Region.

Bei der Bewertung der derzeitigen Situation ist zwischen den beiden Gruppierungen Hamas und Fatah zu unterscheiden: Fatah ist Mitglied der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Diese hat durch Zustimmung zu den UN-Sicherheitsratsresolutionen 242 und 338 und den Oslo-Abkommen der Gewalt abgeschworen. Weder Fa­tah noch PLO stehen auf der Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union. 1993 hat die PLO Israel anerkannt und wurde ihrerseits von Israel als Vertreterin der Interessen Palästinas aner­kannt. PLO wie Fatah bekennen sich zu einem Staat Palästina in den Grenzen von 1967.

Ich verbinde mit der Regierungsbildung die Hoffnung auf einen dauerhaften Gewaltverzicht und Frieden. Um diese Hoffnung Wirklichkeit werden zu lassen, ist es entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft in den Dialog mit der neuen Regierung tritt. Gerade in dieser Situation ist es wichtig, ein Signal zu senden, ohne dabei von unseren Zielen und Grundsatze abzuweichen. Selbstverständlich muss die Einheitsregierung die Kriterien des Nah-Ost-Quartetts (Ge­waltverzicht, Anerkennung des Existenzrechts Israels und Anerkennung der bestehenden Vereinbarungen) in die Praxis umsetzen. Eine Alternative zum Dialog gibt es aber nicht. Dialog schafft Vertrauen und bildet die Grundlage für Fortschritte des schwierigen Friedensprozesses. Wenn die Gespräche scheitern, würde dies zu einer weiteren Radikalisierung führen, zu Bürgerkrieg und einem weiteren wirtschaftlichen Verfall des Landes.

Es ist ein Gebot der Humanität, die Bevölkerung Palästinas nicht im Stich zu lassen. Viele Menschen, darunter tausende traumatisierte Kinder, leiden extrem unter der jetzigen Situation. Daher hat die Bundesregierung ihre Humanitäre Hilfe an die Bevölkerung im letzten Jahr fortgesetzt und wird dies auch weiterhin tun. Die Leistungen fließen dabei nicht an die palästinensische Regierung, die Autonomiebehörde, sondern kommen der Bevölkerung direkt zugute. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wasserversorgung, Beschäftigungsprogramme und Schulbau. Wobei mir der Schulbau besonders am Herzen liegt, weil wir damit gezielt in Kinder und Jugendliche, d. h. in die Zukunft Palästinas, investieren.

Darüber hinaus sind wir mit 20 Mio. Euro am Temporären Internatio­nal Mechanismus (TIM) beteiligt. Mit diesem zeitlich befristet eingerichteten Mechanismus wird ebenfalls direkte, dringend benötigte Hilfe für die Bevölkerung geleistet. Ich kann Ihnen versichern, dass der Mitteleinsatz streng kontrolliert wird. Die Zahlungen werden nach strengen Vorschriften überprüft. Diese Mittel retten hunderte Menschenleben und verhindern den Zusammenbruch der öffentlichen Versorgung in einer ohnehin äußerst angespannten Situation!

Die Signale aus der Region machen Mut. Die neue Palästinensische Regierung hat in ihrem Programm klar gemacht, dass sie bereit ist, in einen politischen Annäherungsprozess mit der internationalen Gemeinschaft einzusteigen. Damit kommen wir dem politischen Ziel für den Nahen Osten naher: Zwei existenzfähige, einander anerkennende Staaten Israel und Palästina!

Mit freundlichen Grüßen
Heidemarie Wieczorek-Zeul