Hartmut Schönherr
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Frage von Rolf S. •

Frage an Hartmut Schönherr von Rolf S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Dr. Schönherr,

ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen hat in einer Untersuchung herausgefunden, dass Baden-Württemberg bei der Korruption weit vor allen anderen Bundesländern führend ist. Welchen Ansatz verfolgen Sie, um der Korruption in Ämtern und Behörden Herr zu werden?

Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Schmitt,

Korruptionsbekämpfung ist eines der zentralen Anliegen der Piratenpartei Baden-Württemberg. Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass das beste Mittel zur Korruptionsbekämpfung umfassende und bürgerfreundlich angebotene Informationen sind. Korruption kann nur da gedeihen, wo mit den allzu schnell vorgeschobenen "Schutzinteressen Dritter" Hinterzimmerpolitik betrieben wird und wo die Interessenverflechtungen von Politikern, Wirtschaftsunternehmen und Gutachtern nicht transparent offen liegen.

Wir setzen uns daher für ein Informationsfreiheitsgesetz Baden- Württemberg ein, das endlich den Standard von inzwischen elf Bundesländern auch im diesbezüglich rückständigen Ländle einführt. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit müssen beim Land und bei den Kommunen ökonomische Transparenz schaffen. Bei Bauvorhaben, die das Interesse der Allgemeinheit betreffen und insbesondere solchen, die aus Steuermitteln finanziert werden, ist die Bürgerschaft umfassender, nachvollziehbarer und zugänglicher zu informieren als bisher - das muss eine der Lehren aus Stuttgart 21 sein, für alle Parteien! Darüber hinaus fordern wir die Einrichtung eines Vergaberegisters, mit dessen Hilfe durch Korruption aufgefallene Firmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden können.

Die Nebeneinkünfte von Abgeordneten wollen wir in vollem Umfang veröffentlichen, über das bisherige dreistufige System hinaus, das auf Bundesebene gilt. Zudem kämpfen wir als Partei bundesweit dafür, dass Bestechlichkeit von Abgeordneten entsprechend den Regelungen der (von Deutschland unterzeichneten!) UNCAC-Konvention und der Ermahnung des Bundesgerichtshofes vom Jahre 2006 strafbar ist. Für politische Amtsträger fordern wir eine Karenzzeit nach Amtsende von drei Jahren in Tätigkeitsbereichen, die sich mit den Inhalten der politischen Tätigkeit und insbesondere des politischen Entscheidungsbereiches wesentlich überschneiden. Wie notwendig dies ist, zeigt etwa das Beispiel Koch-Bilfinger Berger in Hessen, aber auch, da ist keine Partei besser als die andere, das einige Zeit zurückliegende, jedoch besonders spektakuläre Beispiel Gerhard Schröder-Gasprom.

In diesem Kontext setzen wir uns auch für die Abschaffung der Stellen für Staatssekretäre ein. Abgeordnete, die noch ein zusätzliches Salär als Staatssekretäre erhalten, sind in hohem Maße gefährdet, in ihren politischen Entscheidungen nicht dem Allgemeinwohl und dem persönlichen Gewissen zu folgen, sondern der Raison jener Partei, der sie die üppige Apanage verdanken.

Korruption gedeiht besonders in Kulturen, in denen Armut als Schande und persönliches Versagen gilt - Reichtum aber, wie fragwürdig er auch erworben sein mag, als Auszeichnung und Statussymbol.

Ich habe nach der Auflösung des Ostblocks von 1993-1998 in Ländern der ehemaligen Sowjetunion gelebt und gearbeitet und dabei mitverfolgt, wie eine ganze Gesellschaft zerfallen ist in einen Club von teilweise hochkriminellen Neureichen und einen verarmenden Mittelstand sowie eine verelendende Unterschicht. Damals habe ich bei Aufenthalten zuhause in den ersten Jahren noch den wohltuenden Kontrast der Verhältnisse hier bei uns wahrgenommen. Doch gegen Ende musste ich immer häufiger bemerken, wie auch bei uns die Gesellschaft etwas abgemildert den gleichen Weg geht, den ich als "Refeudalisierung" bezeichne, wie Statussymbole eine neue Bedeutung gewinnen, wie die Schere zwischen Arm und Reich auseinander geht, wie Infrastrukturen zerbröseln (siehe Berliner S-Bahn) , während anderswo Prunkprojekte hochgezogen werden. Die Verkaufszahlen von Autos, die vor allem durch Protzvolumen auffallen, und das Brimborium um einen adeligen Verteidigungsminister, dem "als echtem Herren" jede Verfehlung von seinen Anhängern verziehen wird, zeigen augenfällig, dass unsere Gesellschaft zunehmend einer Kultur zusteuert, die korruptionsanfälliger ist als die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Auch hier muss Korruptionsbekämpfung ansetzen. Korruption ist nicht nur ein wirtschaftliches Thema, sondern betrifft in umfassender Weise die Qualität und Lebensfähigkeit einer Gesellschaft.

Mit dem besten Dank für Ihre engagierte Frage
Ihr
Hartmut Schönherr