Portrait von Hans-Ulrich Krüger
Hans-Ulrich Krüger
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Hans-Ulrich Krüger zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Max K. •

Frage an Hans-Ulrich Krüger von Max K. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Dr. Krüger,

mich würde interessieren warum Sie für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt haben und wie Sie zu dem Thema Netzneutraliät stehen.

Mit freundlichen Grüßen

Max Kapalla

Portrait von Hans-Ulrich Krüger
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kapalla,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 30. Oktober 2015.

Zunächst möchte ich auf Ihre Frage eingehen, warum ich für das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (Vorratsdatenspeicherung) gestimmt habe.

Mit dem nun beschlossenen Gesetz wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also Email – eingeführt.

In der Tat stellt dieses Gesetz einen relevanten Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Ein solcher Eingriff ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn er dem Schutz eines ebenfalls hochrangigen Verfassungsguts dient und er in seinen konkreten Regelungen verhältnismäßig ausgestaltet ist. So verhält es sich meines
Erachtens hier.

Bei der Aufklärung schwerer Straftaten und bei der Gefahrenabwehr sind Verkehrsdaten ein wichtiges Hilfsmittel für die staatlichen Behörden. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt das verfassungsrechtliche Gebot einer effektiven Strafverfolgung hervorgehoben, das Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet. Bei der Einführung einer Vorratsdatenspeicherung steht dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung also ein relevantes, durch die Verfassung geschütztes Interesse gegenüber.

Entscheidend war im Hinblick darauf, dass das Bundesverfassungsgericht das letzte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufgehoben und der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für grundrechtswidrig erklärt hat, die Vorgaben der Gerichte bei der Neufassung einer Gesetzesgrundlage streng zu beachten. Deswegen ist das nun beschlossene Gesetz viel restriktiver als die zuvor geltenden Regelungen.

Der Kompromiss zwischen Grundrechten und den Bedürfnissen der Strafverfolgung, welcher bei dem letzten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht gelungen ist, wurde nun sorgfältig neu austariert und wird der höchstrichterlichen Rechtsprechung damit meines Erachtens vollumfänglich gerecht.

Konkret sind es die folgenden Gesichtspunkte, welche meiner Meinung nach dazu führen, dass das nun beschlossene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung insgesamt
verhältnismäßig ist:

• Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen nur noch für zehn Wochen gespeichert werden.

• Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und der nun beschlossene Gesetzentwurf ausdrücklich nicht dazu dienen soll, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.

• Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.

• Der Zugriff auf die gespeicherten Daten ist transparent und restriktiv geregelt: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der nun beschlossene Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.

• Zudem enthält das nun beschlossene Gesetz eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur bisherigen Rechtslage: Das Gesetz regelt die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.

• Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Diensteanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meinen Standpunkt zur Vorratsdatenspeicherung mit diesen Ausführungen verständlich machen.

Des Weiteren bitten Sie um eine Stellungnahme zu dem Thema Netzneutralität.

Dieses Thema wird derzeit in unserer Fraktion intensiv diskutiert, der Meinungsbildungsprozess ist hier im Einzelnen noch nicht abgeschlossen. Ich persönlich
halte die jüngste Zustimmung des Europaparlaments zur "Verordnung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet" jedoch für sehr bedenklich:

Die Netzneutralität ist zur Sicherung der wichtigen gesellschaftlichen Güter Pluralismus und Vielfalt eine entscheidende Voraussetzung. Ein gleicher und diskriminierungsfreier Zugang zum Internet gewährleistet kommunikative Chancengleichheit, was sowohl für die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen als auch im Hinblick auf die Souveränität des privaten Nutzers von großer Bedeutung ist.

Befürchtungen, dass es durch die neue EU-Verordnung nun schrittweise zu einem "Zwei-Klassen-Internet" kommen könnte, halte ich nicht für unbegründet.

Zwar dient die Verordnung ausweislich seines Art. 3 Abs. 3 augenscheinlich dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität, wenn es dort heißt: "Anbieter von Internetzugangsdiensten behandeln den gesamten Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten gleich, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, sowie unabhängig von Sender und Empfänger, den abgerufenen oder verbreiteten Inhalten, den genutzten oder bereitgestellten Anwendungen oder Diensten oder den verwendeten Endgeräten."

Anlass zu Bedenken geben jedoch die nachfolgend zu diesem Grundsatz festgelegten Ausnahmetatbestände, welche unpräzise formuliert und begrifflich unscharf sind (z.B. "angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen", "andere Dienste, die keine Internetzugangsdienste sind", "drohende Netzüberlastung"). Diese nun zugelassenen Ausnahmen vom Grundsatz der Netzneutralität könnten sich als Schlupflöcher für die Internetanbieter erweisen, verschiedene Datenverkehre in einem nicht gewünschten
Ausmaß unterschiedlich zu behandeln.

Die Entwicklung bleibt hier abzuwarten, nichtsdestotrotz halte ich es für wichtig, sich die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Netzneutralität bewusst zu machen und deren Gewährleistung und Förderung als politisches Ziel zu formulieren.

Ich hoffe, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Ulrich Krüger