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Hans-Joachim Otto
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Frage von Volker W. •

Frage an Hans-Joachim Otto von Volker W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Otto

die mit den Neujahrsgrüßen des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zu 2013 verbundenen Forderungen nach der Erfassung des Einsatzes aller Antibiotika in der Tierhaltung, eine bundesweite Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der Tiermedizin, deutlich bessere Tierschutzstandards und ein verbindlicher Plan zur Halbierung des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung bis 2015, veranlassen mich, Sie zu fragen, ob die FDP-Fraktion des Deutschen Bundestages die Forderungen unterstützt und mit welchen Ergebnissen?

Können Sie die nachfolgenden Ausführungen des BUND bestätigen?

Die Massentierhaltung in Deutschland, schreibt der BUND, ist weiter auf dem Vormarsch, vor allem in Niedersachsen und Ostdeutschland. Besonders die Zahl der Schweinemastanlagen nimmt zu. Die Tendenz geht zu großen Anlagen mit 15.000 bis 70.000 Schweineplätzen und gleichzeitig niedrigen Umweltstandards.

Gleichzeitig werden in der Intensivtierhaltung derzeit über 14 Mal mehr Antibiotika eingesetzt als in deutschen Krankenhäusern und 2,5 Mal mehr als in der Humanmedizin insgesamt. Dabei trägt die Verabreichung von derart großen Mengen Antibiotika an Nutztiere dazu bei, dass zunehmend resitente Keime entstehen und für Menschen besonders wichtig Antibiotika im Krankheitsfall keine Wirkung mehr haben.

Ihr Bundestagskollege von der CDU habe ich ebenfalls befragt. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
Volker Willnat

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Willnat,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an der Position der FDP zum Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung sowie der Massentierhaltung im Allgemeinen. Im Folgenden werde ich versuchen, auf alle von Ihnen aufgeworfenen Fragen einzugehen.

Grundsätzlich gilt, dass Antibiotika in der Tierhaltung zur Heilung von Infektionskrankheiten notwendig und sinnvoll sind. Dennoch wissen wir, dass es in der Folge des Einsatzes von Antibiotika zur Resistenzbildung von Bakterien kommen kann. Laut dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit lag die an Tierärzte abgegebene Antibiotikamenge im Jahr 2011 bei 1734 Tonnen. Dies entspricht ungefähr dem 2,1-fachen Wert der Menge an Humanantibiotika (816 Tonnen) im selben Zeitraum. Im Sinne einer effektiven Gesundheitsvorsorge ist es dementsprechend unbedingt erforderlich, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu vermindern. Diesem Ziel ist die Bundesregierung mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes ein großes Stück näher gekommen. Der Gesetzentwurf wurde am 28. Februar vom Bundestag verabschiedet und am 22. März dem Bundesrat vorgelegt. Leider hat die rot-grüne Mehrheit die Änderung des Gesetzes dort gestoppt und in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Das bedeutet, dass aufgrund wahlkampftaktischer Erwägungen von Rot-Grün wirksame Maßnahmen, die letztlich der Gesundheitsvorsorge des Verbrauchers gedient hätten, weiterhin verzögert werden. Nachdem Bund und Länder die Novelle über Monate gemeinsam ausgearbeitet hatten und die Bundesregierung den Ländern in vielen Bereichen entgegengekommen ist, indem sie Änderungen in den Gesetzentwurf aufgenommen hatte, sind die Pläne von FDP und Union im Sinne einer verbesserten Tierhaltung nun vorerst auf Eis gelegt.

Die Verminderung des Einsatzes von Antibiotika war und ist prioritäres Ziel im Rahmen der Gesetzesinitiative. Der von der Bundesregierung vorgelegte Vorschlag zur Änderung des Arzneimittelgesetzes sieht die Erhebung von konkreten Daten zum Verbrauch von Antibiotika in einem einzelnen Betrieb vor. Weist ein Betrieb einen hohen Antibiotikaeinsatz auf, kann er zur Durchführung von Hygiene- und Managementmaßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes dieser Mittel verpflichtet werden. Denn nur über eine Stärkung der Tiergesundheit kann das Ziel, die Anwendung von Antibiotika zu reduzieren, erreicht werden.

Vor diesem Hintergrund sind auch effektive Tierschutzstandards von besonderer Bedeutung. Zu diesem Zweck haben wir 21 Millionen Euro im Bundeshaushalt für Modellvorhaben veranschlagt, um mehr Forschung im Bereich der Tierhaltung zu ermöglichen, die letztlich zu einer Verbesserung des Tierwohls beiträgt. Zudem setzen wir im Rahmen der Novelle zum Tierschutzgesetz auf die Verpflichtung der Tierhalter zur Eigenkontrolle. Anhand von Tierschutzindikatoren wie Mortalität oder Klauen- und Fußballengesundheit sowie Schlachtbefunden soll geklärt werden, in welchem Zustand sich die Tiere befinden. Der Deutsche Tierschutzbund hat ein freiwilliges Tierwohl-Label geschaffen, dass sich auf diese Indikatoren stützt.

Obwohl der Vorschlag nach einer Halbierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung bis 2015 zunächst sehr vielversprechend klingt, kann ich mich ihm nicht anschließen. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass eine solche Maßnahme in der Realität nicht die gewünschten Erfolge erzielen würde, sondern negative Konsequenzen hätte. Auch Rot-Grün hat den Vorschlag der Bundesregierung im Bundesrat mit Verweis auf das fehlende verbindliche Minimierungsziel gestoppt. Spricht man jedoch mit Fachleuten, erfährt man, dass eine globale Mengenvorgabe für Antibiotika wirkungslos ist, weil dann stärker wirksame und noch bedenklichere Präparate in kleineren Dosen zum Einsatz kämen. Vor diesem Hintergrund hat auch kein Bundesland bei den verschiedenen Änderungsanträgen eine Mengenvorgabe gefordert. Trotzdem sind Äußerungen dieser Art von der Opposition immer wieder zu vernehmen – wohl deshalb, weil sie auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen und daher in besonderem Maße für den Wahlkampf genutzt werden können.

Zum Thema Massentierhaltung: Es ist richtig, dass die Zahl der Schweine in den vergangenen zwei Jahren leicht zugenommen hat. Zieht man jedoch den historischen Vergleich zu Rate, liegt die Zahl im Mittel. So wurden 2012 28,3 Mio. Schweine gezählt. Im Jahr 1990 lag die Zahl zum Vergleich bei 30,8 Mio. Zudem gibt es in der Tat einen Trend zu größeren Mastställen, aber laut Statistischem Bundesamt haben nur 14,6 Prozent der Schweinehalter 1000 oder mehr Mastplätze, nur 2,9 Prozent mehr als 2000 und nur 0,6 Prozent haben mehr als 5000 Mastplätze.

Trotzdem möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass Tierschutz und gute Haltungsbedingungen nicht maßgeblich von der Größe eines Betriebs, sondern der Ausbildung der Landwirte, ihres Betriebsmanagements und den Investitionen in moderne Haltungssysteme abhängen. Professionelle Tierhalter mit großen Beständen und guter tierärztlicher Betreuung können ihren Tieren oft bessere Bedingungen bieten, als kleine Nebenerwerbslandwirte ohne diesen Grad der Spezialisierung. Zudem müssen auch große, gewerbliche Tierhaltungen im Rahmen der Baugenehmigung Umweltstandards einhalten.

Für den Strukturwandel hin zu größeren Betrieben sind auch die sehr hohen Tierschutzstandards in Deutschland verantwortlich. Das Statistische Bundesamt sieht eine Ursache in der geänderten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Ab 1. Januar dieses Jahres gelten dieser zufolge erweiterte Anforderungen an die Haltung von Zuchtsauen, die für viele Halter umfangreiche Investitionen nach sich ziehen. Insbesondere kleinere Betriebe verzichten auf die bei der Umstellung auf Gruppenhaltung anfallenden Investitionen und lassen den Betriebszweig Sauenhaltung auslaufen.

Außerdem bleibt vielen kleinen Tierhaltern aufgrund der geringen Gewinnspanne pro Tier, die auf dem umkämpften Markt für Schweinefleisch herrscht, oft nur die Wahl zwischen Wachstum oder Aufgabe des Betriebs. Letztlich liegt es auch bei den Verbrauchern zu akzeptieren, dass gute Tierhaltung ihren Preis hat. Trotz der höheren Gewinnspanne ist übrigens auch die Haltung von Schweinen nach den Bedingungen des ökologischen Landbaus keine umfassende Alternative, denn eine tierschutzgerechte Schweinehaltung unter Bio-Bedingungen ist sehr aufwändig.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen eine umfassende Antwort auf all Ihre Fragen geben konnte und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Hans-Joachim Otto