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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Reinhard G. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Ströbele,

wenn ich richtig informiert bin, wird in dieser Woche im Bundestag über das EPA-Handelsabkommen gesprochen. Die „Europäischen „Partnerschafts“abkommen“ mit bestimmten Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten sollen derzeit ratifiziert werden. Sie wurden nicht auf Augenhöhe abgeschlossen.

Brauchen nicht wirtschaftlich schwächere Staaten die Möglichkeit, ihre Wirtschaft durch Schutzzölle und Einfuhrbeschränkungen zu schützen? Nur ein Beispiel: Geflügelteile, die sich in Europa nicht verkaufen, werden tief gefroren und nach Afrika exportiert. Dort machen sie den Afrikanischen Geflügelzüchtern zu starke Konkurrenz. Außerdem gefährden sie die Gesundheit, da die Kühlkette unterbrochen wird.

Bei den EPAs geht es nicht nur um Zölle, sondern unter anderem auch, ähnlich wie beim geplanten Handelsabkommen TISA, um Dienstleitungen. Zum Beispiel: internationale Leiharbeit und Finanzdienstleistungen. Ärmere Länder werden jetzt schon ausgeplündert, indem von ausländischen Banken hohe Kreditzinsen (30 % und mehr) verlangt werden. Glauben Sie, dass westliche Großbanken durch die EPAs an den „südlichen Ländern“ noch stärker verdienen werden?

Was sagen Sie zu dem Lohndumping durch internationale Leiharbeit - wenn dabei nach dem schlechteren Tarif bezahlt wird? Und zu den Hungerlöhnen, die westliche Konzerne in den südlichen Ländern zahlen? Flüchten Menschen nicht auch, weil ihnen wirtschaftlich die Lebensgrundlage genommen wird? Was sagen Sie zu dem Vorschlag, dass Flüchtlinge in Deutschland nicht mal den Mindestlohn erhalten sollen?

EPA hat noch viel mehr negative Auswirkungen. (Einige werden auf den „EPA Factsheets“ der „Stop EPA“-Kampagne angesprochen.) Wie stehen Sie zu den EPA-Abkommen?

Bestimmt kennen Sie das „Alternatives Handesmandat“. Dabei haben sich Experten von Gewerkschaften und anderen Organisationen zusammengeschlossen, um Alternativen zur Handelspolitik zu erarbeiten. Was halten Sie von den Vorschlägen vom Alternativen Handelsmandat?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Großmann.

Nein, das "Alternative Handelsmandat" kenne ich nicht und deshalb auch nicht dessen Forderungen. Aber die von Ihnen genannten unfairen und ausbeuterischen Vereinbarungen und Praktiken kenne ich und verurteile ich wie Sie. Nicht erst seit ich Mitglied im Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung war, sondern auch in den Jahrzehnten davor habe ich auf vielen Reisen insbesondere in afrikanische und lateinamerikanischen Ländern die Folgen der katastrophalen und zutiefst unfairen Handelspolitik der Industriestaaten gesehen und erfahren. Gerade das Beispiel des Exports unserer Hühnerabfälle beispielsweise nach Afrika und die schlimmen Folgen für die dortigen Bauern ist mir noch jetzt präsent und ich erwähne es in vielen Veranstaltungen.

Deshalb bin ich der Meinung, daß die Milliarden für Entwicklungshilfe aus den westlichen Industriestaaten auch nicht annährend das wieder gutmachen können, was diese Handelspolitik an Schäden bei den Menschen, der Wirtschaft und der Umwelt dort anrichtet, zumal von den Entwicklungshilfegelder aus Deutschland häufig die Geberländer und unser Personal mehr profitiert als die Empfängerländer. Ich habe keinen Zweifel, daß ohne eine radikale Veränderung der Welthandelspolitik hin zu fairem Handel der Hunger und die Unterentwicklung mit all den schrecklichen Folgen bis hin zu den Kriegen nicht wirksam bekämpft werden können.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele