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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Reinhard T. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Reinhard T. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ströbele,

damit ich nicht falsch verstanden werde, kurz eine kleine Selbstbeschreibung: Ich habe nie eine Uniform getragen und mein Vater auch nicht, trotzdem haben wir für den Laden gearbeitet. Wie ich lese, lehnen sie die Wehrpflicht für die Bundeswehr ab. Entsteht nicht bei einer fehlenden Wehrpflicht ein "elitärer Verein", wo der Urgroßvater Großvater etc. alle Soldaten waren - sind. Ich habe in der Bundeswehr alle Schichten der Gesellschaft angetroffen, was halt möglich war durch die Wehrpflicht. Die oberen Dienstränge waren in der Regel konservativ, was auch etwas mit der Ablehnung der SPD bei der Einführung der BW zu tun hatte

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Tümmel.

1813 war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Preußen fortschrittlich. Sie schien notwendig, um siegreich Kliege führen zu können. Inzwischen ist einige Zeit vergangen. Die Meinungen zur Nowendigkeit von Kriegen und Kriegführen haben sich nach zwei Weltkriegen glücklicherweise verändert.

Die allgemeine Wehrpflicht ist auch nicht erforderlich, was häufig behauptet wird, um zu verhindern, daß die deutsche Armee von einem König oder einer Regierung gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden kann und um die Armee zu zivilisieren. Die Bundeswehr gehorcht nicht mehr den Befehlen eines Königs, sondern ist - nach der Verfassung jedenfalls - inzwischen Parlamentsarmee. Der Bundestag muß Kampfeinsätzen zustimmen und diese kontrollieren. Nach der Verfassung sind auch die Einsatzmöglichkeiten im Inneren erheblich eingeschränkt.

Die Realisierung des "Bürgers in Uniform" hängt nicht davon ab, ob in der Bundeswehr Berufssoldaten oder zum Teil auch Wehrpflichtige Dienst tun.

Und es gibt ein Grundrecht auf Gleichbehandlung. Danach ist eine Wehrpflicht nur zu rechtfertigen, wenn alle Gleichaltrigen grundsätzlich gleich behandelt werden, also alle Wehrpflichtigen, die wehrtauglich sind und bei denen keine sonstigen gewichtigen Gründen gegen eine Einberufung sprechen, auch tatsächlich einberufen werden.
Das aber ist schon lange nicht mehr Realität in Deutschland. Alle jungen Männer eines Jahrgangs werden in der Armee nicht mehr gebraucht. Eine so große Bundeswehr wäre auch viel zu teuer. Tatsächlich werden immer weniger zur Ableistung der Wehrpflicht einberufen.

Damit werden die Eingezogenen ungleich behandelt und gegenüber den nicht Eingezogenen erheblich benachteiligt. Das ist verfassungswidrig.

Schon lange trifft Ihre Wahrnehmung nicht mehr zu, daß aus allen Schichten der Bevölkerung Wehrpflichtige in der Bundeswehr angetroffen werden.

Die Auffassung, die Bundeswehr solle eine Schule der Nation sein, halte ich für falsch.
Das ist eine hoffentlich überholte Vorstellung.

Schließlich werden die Soldaten vor allem für das Kriegführen ausbildet, das heißt dafür, den Feind möglichst schnell zu vernichten. Und dieses Kriegshandwerk muß nicht jeder Mann in Deutschland beherrschen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele