Frage an Gudrun Kopp von Carl F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Bankenkrise / Qualifikation / Aufsichtsrat in einer öffentlich-rechtlichen
Sehr geehrte Frau Kopp,
seit Monaten verfolgt eine zunehmend verunsicherte Öffentlichkeit Berichte und Kommentare zu der sich ausweitenden Bankenkrise. Insbesondere beunruhigt die Tatsache, daß auch zahlreiche Landesbanken in der BRD Risiken in Milliardenhöhen angehäuft haben.
In der ersten Zeit standen vornehmlich die (geschäftsführenden) Vorstände im Mittelpunkt der Kri-tik und Fragen nach deren Qualifikation, nach deren Haftung wurden öffentlich diskutiert.
Hingegen werden Fragen nach Qualifikation, nach Haftung der einzelnen Mitglieder der Aufsichtsgremien erst in den letzten Monaten gestellt und auch öffentlich diskutiert.
In diesem Zusammenhang bitte ich Sie um Beantwortung folgender Fragen:
1) Welche Qualifikation muß ein Mitglied des Verwaltungsrats eines öffentlich-rechtlichen Bankinstituts besitzen, um in der Lage zu sein, seinen Aufsichtspflichten voll zu entsprechen?
Bitte nennen Sie die Ihrer Auffassung nach drei wichtigsten Qualifikationen.
2) Wer prüft die Angaben zur Qualifikation, welche die Bewerber auf eine Position in dem Aufsichtsgremium eines öffentlich-rechtlichen Bankinstituts, machen oder von deren Befürwortern gemacht werden?
MfG
Carl Finger
Sehr geehrter Herr Finger,
vielen Dank für Ihre Frage zu Aufsichtsorganen öffentlich-rechtlicher Finanzinstitutionen.
Nach Angaben der Bundesregierung erhielten seit der Wiedervereinigung und vor der Insolvenz der Lehman Brothers Inc. vom September 2008 insgesamt vier Kreditinstitute öffentliche Mittel des Bundes oder einzelner Länder im Rahmen von "Rettungsmaßnahmen". Dazu gehören die Bankgesellschaft Berlin (2001), die WestLB (2003) und die Fälle IKB Deutsche Industriebank AG, WestLB und SachsenLB (siehe Kleine Anfrage FDP auf BT-Drucksache 16/8519). Die Sozialisierung von Spekulationsverlusten war in Deutschland somit ein Phänomen maßgeblich staatlicher Eigentümerschaft an Finanzinstitutionen.
Vor diesem Hintergrund verwundern auch nicht die Ergebnisse der renommierten Wissenschaftler Harald Hau (Professor am Department of Finance in INSEAD und Research Affiliate des CEPR London) und Marcel Thum (Professor für Volkswirtschaftslehre an der TU Dresden), wonach Aufsichtsräte öffentlich-rechtlicher Banken in Deutschland im Vergleich zu ihren Kollegen im Privatsektor über weniger Finanzmarkt- und Bankerfahrung verfügen (siehe http://www.tu-dresden.de/wwvwlfw/kompetenzindex.pdf ).
Um die Kontrollkompetenz der Arbeitgebervertreter in den Aufsichtsräten zu messen, wurden zahlreiche Kriterien zur einschlägigen Ausbildung, zur Finanzmarkt- und zur Managementerfahrung von Aufsichtsräten erfasst. Bei allen Kriterien weisen die Aufsichtsräte der privaten Banken ein deutlich höheres Kompetenzniveau auf als die Aufsichtsratsvertreter bei öffentlichen Banken. So hat in privaten Banken mehr als ein Drittel der Aufsichtsräte Erfahrungen im Finanzmarkt gesammelt; bei den öffentlich rechtlichen Banken sind dies weniger als zehn Prozent. Während ungefähr ein Drittel der Aufsichtsräte in privaten Banken über Erfahrungen im Top-Management verfügt, waren bei den öffentlich-rechtlichen Banken nur 11,4 Prozent im Top Management.
Die FDP im Deutschen Bundestag hat bereits mit dem Deutschlandprogramm 2007 einen grundlegenden Reformbedarf bei den Aufsichtsstrukturen eingefordert (siehe http://www.deutschlandprogramm-2007.de/file/591/fdp_deutschlandprogramm2007.pdf ). Verwaltungsräte müssen endlich über die vom Corporate Governance Kodex geforderten Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen, um die Geschäftstätigkeiten der staatlich kontrollierten Banken wirkungsvoll überwachen zu können. Wir brauchen kleinere, effektivere, transparentere und professionellere Aufsichtsräte. Die Qualifikation muss insbesondere in den Bereichen Ausbildung, Finanzmarkt- und Managementerfahrung spürbar erhöht werden.
Bereits heute obliegt der Bankenaufsicht nach § 32 ff. Kreditwesengesetz die Überwachung der fachlichen Eignung der Geschäftsführung eines Kreditinstituts. Es ist nicht ersichtlich, warum derartige Aufsichtsfunktionen nicht auch die Eignung des Aufsichts- oder Verwaltungsrates umfassen sollten.
Mit dem Antrag Keine Sozialisierung von Spekulationsverlusten - Voraussetzungen für eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors schaffen (BT-Drucksache 16/8771) hat die FDP im Deutschen Bundestag bereits grundlegende Handlungsansätze zur Modernisierung des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors aufgezeigt.
Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverbands hat darauf hingewiesen, dass Landesbanken oftmals zur Befriedigung von Standortinteressen gegen betriebswirtschaftliche Logik und Notwendigkeiten geführt. Hier muss nachhaltig gegengesteuert werden.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Gudrun Kopp, MdB