Portrait von Gregor Gysi
Gregor Gysi
DIE LINKE
93 %
340 / 366 Fragen beantwortet
Frage von Dr. Gottfried L. •

Frage an Gregor Gysi von Dr. Gottfried L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi
Mit Interesse und Gewinn verfolgte ich Ihr Interview beim DLF (12.07.09). Die Aussage, dass in Deutschland wohl politische Demokratie herrsche, jedoch von Wirtschaftsdemokratie nicht gesprochen werden könne, teile ich. Meinen Sie nicht, dass es jedoch zu kurz gesprungen ist, dann lediglich auf höhere Mitbestimmung durch Belegschaftseigentum zu setzen?
VW lässt in der Dresdner Gläsernen Manufaktur eines der unnützesten Automobile, den ressourcenfressenden Phaeton, montieren. Eine faire Eigentumsbeteiligung der Arbeiter würde wahrscheinlich dem Mangel, dass hier Rendite vor Ökologie etc. gestellt ist, auch nicht abhelfen, sind diese doch verständlicherweise am Erhalt und Ausbau ihrer Arbeitsplätze wesentlich interessiert. (Gleiches erleben wir ja auch bei der Belegschaft der Atommeiler.)
Was halten Sie in diesem Zusammenhang von dem Gedanken des Verfassungsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde (Aufsatz in SZ: Woran der Kapitalismus krankt) der dem demokratischen Gemeinwesen sehr viel mehr Mitbestimmungsnotwendigkeit einräumt, indem er den Allmendecharakter der "Güter der Erde" herausstellt. Muss nicht bei solchen Erwägungen dann auch dem Profit immer ein "Allmendeanteil" zugesprochen werden, über dessen jeweils allgemeinnutzende Verfügung demokratisch entschieden werden sollte?

Portrait von Gregor Gysi
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Dr. Lobeck,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 16. Juli. Sie haben selbstverständlich Recht, dass das Belegschaftsmiteigentum nicht alle Probleme löst, schon gar nicht die Probleme der ökologischen Nachhaltigkeit. Immerhin müssten aber die Interessen der Belegschaft nachhaltiger berücksichtigt werden, wenn Belegschaftsmiteigentum existierte.

In einer früheren Schrift habe ich mich schon damit auseinandergesetzt, wie über gänzlich andere Zusammensetzungen der Aufsichtsräte ökologische Nachhaltigkeit, der Abbau von Arbeitslosigkeit und anderes deutlich stärker berücksichtigt werden könnte.

Der Gedanke des Verfassungsrechtlers Böckenförde zum Allmendeanteil ist auch interessant und muss unbedingt diskutiert werden. Auf jeden Fall müssen wir Ernst damit machen, dass Eigentum zugleich auch sozial verpflichtet, was heute ohne eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeit gar nicht mehr zu realisieren ist.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Gregor Gysi
Gregor Gysi
DIE LINKE