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Gisela Piltz
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Frage von Peter B. •

Frage an Gisela Piltz von Peter B. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Piltz,

Mein Thema ist die "Gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung am gesamten gesellschaftlichen Leben (Kindergarten, Schule, Arbeit, Kultur, Soziale Sicherung, Gesundheit, persönliche Assistenz, Rente, Barrierefreiheit, Diskriminierungsverbot etc.) in Deutschland."

Hier besteht nach meiner Erfahrung noch in allen o. a. Bereichen und darüber hinaus noch erheblicher Verbesserungsbedarf.

Meine Fragen hierzu lauten:

Wie stellen Sie sich in Zukunft das gemeinsame und gleichberechtigte Zusammenleben, von Menschen mit und ohne Behinderung, vor und für welche konkreten Maßnahmen werden Sie sich in Zukunft einsetzen, damit dieses Ziel erreicht werden kann?

Was erwartet uns nach der Bundestagswahl 2005, um gegen Diskriminierungen effektiv vorgehen zu können und bleiben wir weiterhin BettlerInnen für unsere Gleichberechtigung?

Für eine konkrete Antwort danke ich Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Baaken

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Baaken,

vielen Dank für Ihre Email vom 18. August zum Thema "Gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben".

Die FDP setzt sich seit langem für rechtliche Verbesserungen von Minderheiten ein. Freiheit zu garantieren heißt, die Rechte von Minderheiten zu schützen. Liberale Politik setzt sich dafür ein, dass jeder seine individuelle Lebensform frei von gesellschaftlichen und staatlichen Zwängen wählen kann. Menschen mit Behinderungen müssen mit klaren Rechten und fairen Chancen ausgestattet werden. Der Abbau von Diskriminierungen ist allerdings eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich nicht per Gesetz verordnen
lässt. Hierfür ist ein verändertes Bewusstsein notwendig. Toleranz und Akzeptanz müssen durch konkretes Handeln täglich neu gelebt werden.

Menschen mit Behinderung brauchen Voraussetzungen für ein freies und selbstbestimmtes Leben ohne Diskriminierung. Die Liberalen setzen deshalb auf nationaler und auf europäischer Ebene für eine Unterstützung von Nichtdiskriminierung behinderter Menschen gemäß Art. 13 des Vertrages von Amsterdam ein.
Die FDP setzt sich dafür ein, dass die noch heute in vielen Rechtsbereichen bestehenden Diskriminierungen beseitigt werden. Diskriminierungen sind mit liberalen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Insoweit begrüßt die FDP grundsätzlich die Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG und die bevorstehende Umsetzung in nationales Recht. Insbesondere in Arbeitsrecht, wo Menschen eine soziale Gruppe bilden, die einseitig nach einheitlich
aufgestellten Regeln behandelt wird und wo eine Partei ein großes Übergewicht hat, sind Antidiskriminierungsbestimmungen sinnvoll. Die FDP ist der Aufnahme dieses Diskriminierungstatbestandes in das geplante nationale Antidiskriminierungsgesetz gegenüber aufgeschlossen.

Europaweit gelten unterschiedliche Bestimmungen hinsichtlich der Ausstellung von Ausweisen, die Menschen mit Behinderungen dazu berechtigen, verschiedene Erleichterungen und Begünstigungen in Anspruch zu nehmen. Dies führt dazu, dass EU-Bürger mit Behinderung im europäischen Ausland die jeweiligen Erleichterungen und Begünstigungen oft nicht nutzen können. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip wird die Definition von Behinderung und damit der Anspruch auf einen Behindertenausweis auf nationaler Ebene festgelegt. Jeder einzelne Mitgliedstaat legt somit die Bedingungen für die Ausstellung eines Behindertenausweises selbst fest. Die FDP würde einen einheitlichen
europäischen Behindertenausweis sehr begrüßen. Allerdings wird es bei den sehr unterschiedlichen Rechten für Menschen mit Behinderungen vorerst eine Unterteilung in nationale und europäische Rechte geben müssen.

Für die FDP ist es wichtig, einzelstaatliche Maßnahmen in den Bereichen der Sozialversicherung stärker auf ihre „Europatauglichkeit“ zu prüfen. Insbesondere das Gebot der Nichtdiskriminierung von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedsstaaten und die Gewährung von Leistungen auch an Versicherungsnehmer, die ihren Wohnsitz in anderen Mitgliedsstaaten gewählt haben, müssen bei nationalen Veränderungen stärker als in der Vergangenheit berücksichtigt werden.

Der Grad an Mobilität ist der Gradmesser für Teilhabe. Behinderte Menschen müssen sich frei in der Gesellschaft bewegen können, Hindernisse aller Art sind abzubauen. Dabei ist die von den Liberalen angestrebte Barrierefreiheit umfassend zu verstehen: Einerseits bezieht sie sich auf die Zugangsmöglichkeit zu öffentlichen Gebäuden und Plätzen, auf den privaten Wohnungsbau und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Behindertengerechte Rampen, Aufzüge oder visuelle und taktile Leitsystem sollen bereits beim Bau berücksichtigt werden. Andererseits bezieht sie sich Barrierefreiheit auf
die Zugangsmöglichkeit zu den Medien, für deren Verbesserung wir nachdrücklich eintreten.

Die FDP will die Integration von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischen Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen fördern. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, tritt die FDP für eine Bekanntmachung solcher Beschulungsmöglichkeiten in der Öffentlichkeit, Schaffung von Rahmenrichtlinien, den personellen Ausbau sonderpädagogischen Beratungsstellen und der verstärkten Aus- und Weiterbildung von jungen Lehrern für Sonderschulpädagogik ein. Ziel muss es sein, schrittweise die
personellen, materiellen und baulichen Voraussetzungen für einen gemeinsamen Unterricht zu schaffen.
Für Menschen mit Behinderung ist die Aufnahme einer bezahlten Beschäftigung ein wichtiger Beitrag zu mehr Selbständigkeit. In diesem Zusammenhang gehören alle Sondervorschriften, die Menschen mit Behinderung eigentlich die Arbeit erleichtern sollen, vorurteilsfrei auf den Prüfstand, auch wenn sie zweifelsohne gut gemeint sind. Es ist zu prüfen, ob diese Sondervorschriften die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit erleichtern oder eher erschweren. Staatlicher Dirigismus führt nicht weiter. Gefragt sind individuelle
Konzepte, die die berechtigten Interessen von Menschen mit Behinderungen und
die berechtigten Interessen von Arbeitgebern zusammenführen. Bezahlte Arbeit in Werkstätten der Behindertenhilfe wird für viele Menschen mit Behinderungen trotzdem die einzige Möglichkeit bleiben, zu arbeiten und muss deshalb dringend erhalten bleiben.

Mit freundlichen Grüßen
Gisela Piltz