Portrait von Gisela Piltz
Gisela Piltz
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Gisela Piltz zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Thomas B. •

Frage an Gisela Piltz von Thomas B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Piltz,

ähnlich wie H. H., habe auch ich Angst vor dem ESM und der Aufgabe des demokratischen Einflusses des Bundestages auf die Entscheidungen des ESM. Von daher bitte ich kurz zu nachfolgenden Fragen Stellung zu nehmen:

- Wie lange hatten Sie/die Abgeordneten Zeit sich mit der endgültigen Gesetzesvorlage zu beschäftigen? Ist es korrekt, dass die Abgeordneten des Bundestages weniger als 1 Woche Zeit hatten?

-Wissen Sie wie die Parlamentsbeteiligung an der ESM-Finanzierung im Detail aussieht? Details müssen nicht genannt werden, es geht mehr um das Vorliegen von Informationen.

-In wie fern wird das ESM-Direktorium demokratisch legitimiert?

-Ist es korrekt, dass die ESM-Direktoren politisch immun sind und somit sich der Strafverfolgung entziehen können?

-Müsste für so eine tiefgreifende Entscheidung wie dem ESM die verfassungsgebende Gewalt des Volkes in die Entscheidung miteinbezogen werden?

-Entäußert sich mit dem ESM nicht seiner Haushaltsautonomie und siener parlamentarischen Gestaltungs- und Kontrollfunktionen?

Als Bürger Düsseldorfs bin ich sehr besorgt über den ESM und das irgendwo im Süden unsere Steuergelder ausgegeben werden bei mangelnden Mitbestimmungsrechten. Die Schulden von Griechenland, Spanien und Italien werden so m.E. leider vergemeinschaftet.

Im Voraus schon mal Vielen Dank für Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Bartels

Portrait von Gisela Piltz
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Bartels,

vielen Dank für Ihre Fragen, welche ich Ihnen gerne beantworte:

Ihre Frage:
Wie lange hatten Sie/die Abgeordneten Zeit sich mit der endgültigen Gesetzesvorlage zu beschäftigen? Ist es korrekt, dass die Abgeordneten des Bundestages weniger als 1 Woche Zeit hatten?

Der Gesetzentwurf ist am 29. März in erster Lesung anberaten worden, lag uns jedoch in seinen wesentlichen Grundzügen bereits seit Mitte 2011 vor. Zwischen erster und dritter Lesung (29.06.2012) lagen mithin drei volle Monate, die eine intensive Beratung durchaus ermöglichten. Am 7. Mai wurde zudem vom Haushaltsausschuss ein sehr umfangreiche öffentliche Anhörung mit 17 Sachverständigen durchgeführt. Die Liste der Sachverständigen sei hier aufgeführt:

Dr. Stefan Mair
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)

Dr. Thomas Mayer
Deutsche Bank AG

Karsten Wendorff
Deutsche Bundesbank

Prof. Dr. Ulrich Häde
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Klaus Regling
Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF

Prof. Dr. Christian Calliess
Freie Universität Berlin

Prof. Dr. Marcel Kaufmann
Freshfields Bruckhaus Deringer LLP

Prof. Dr. Henrik Enderlein
Hertie School of Governance

Prof. Dr. Claudia Buch
Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW)

Dr. Silke Tober
Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)

Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Siekmann
Institute for Monetary and Financial Stability

Prof. Dr. Andreas Fisahn
Universität Bielefeld

Prof. Dr. Franz C. Mayer, LL.M.
Universität Bielefeld

Prof. Dr. Christoph Herrmann, LL.M.
Universität Passau

Prof. Dr. Peter Bofinger
Universität Würzburg

Prof. Dr. Lars P. Feld
Walter Eucken Institut

PD Dr. Friedrich Heinemann
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW)

Ihre Frage:
Wissen Sie wie die Parlamentsbeteiligung an der ESM-Finanzierung im Detail aussieht? Details müssen nicht genannt werden, es geht mehr um das Vorliegen von Informationen.

Alle wesentlichen Entscheidungen, einschließlich der Gewährung von Finanzhilfen oder Änderungen am gezeichneten Kapital, werden grundsätzlich einstimmig durch die Finanzminister des Euro-Währungsgebiets getroffen - Deutschland hat jederzeit ein Vetorecht.
Dem Deutschen Bundestag ist dieses Vetorecht faktisch übertragen worden, indem wir dem Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters im Gouverneursrat einen Parlamentsvorbehalt vorgeschaltet haben, wie wir es bereits bei der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) auf Druck der FDP getan haben. Auf diese Weise muss sich der deutsche Vertreter im Gouverneursrat des ESM zunächst die Zustimmung des Bundestages einholen, bevor er einer etwaigen Ausweitung zustimmen kann. Sollte der Bundestag diese Zustimmung verweigern, muss der deutsche Vertreter mit Nein stimmen und kann damit eine Ausweitung von Hilfen im Rahmen des ESM effektiv verhindern.

Ihre Frage:
Inwiefern wird das ESM-Direktorium demokratisch legitimiert?

Das deutsche Mitglied des Direktoriums wird von der Bundesregierung bestimmt. Dies soll der beamtete Staatssekretär aus dem Bundesfinanzministerium werden, der für dieses Gebiet inhaltlich zuständig ist. Die Bundesregierung hat den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags über ihre dahingehende Absicht informiert und ihm die Möglichkeit zu einer anderslautenden Stellungnahme gegeben.

Ihre Frage:
Ist es korrekt, dass die ESM-Direktoren politisch immun sind und somit sich der Strafverfolgung entziehen können?

Bei den Immunitätsregelungen für den ESM handelt es sich um bei internationalen Finanzinstitutionen übliche Regelungen. Die Tätigkeit des ESM beinhaltet, so z.B. bei der Privatsektorbeteiligung, äußerst komplexe rechtliche Vorgänge, welche regelmäßig mit Risiken behaftet sind. In der Regel handelt es sich um Immunitäten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Organisation. Handlungen der Bediensteten sind folglich nur dann geschützt, wenn sie offizieller Natur sind. Allerdings sind für die Spitze der Organisationen, also z. B. den Präsidenten, teilweise weitergehende Immunitäten vorgesehen. Diese Immunitäten entsprechen den Immunitäten, die den Diplomaten im zwischenstaatlichen Verkehr zukommen. Der Gouverneursrat des ESM, in dem die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Eurozone vertreten sind, bzw. der Geschäftsführende Direktor, können die Immunität der Amtsträger und Bediensteten bei Bedarf aufheben. Vergleichbare Regelungen gelten u.a. für den IWF, die Weltbank sowie regionale Entwicklungsbanken wie z.B. die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB).

Ihre Frage:
Müsste für so eine tiefgreifende Entscheidung wie dem ESM die verfassungsgebende Gewalt des Volkes in die Entscheidung miteinbezogen werden?

In Deutschland haben wir das System der repräsentativen Demokratie. Der Deutsche Bundestag repräsentiert das deutsche Volk (Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz).

Ihre Frage:
Entäußert sich mit dem ESM nicht seiner Haushaltsautonomie und seiner parlamentarischen Gestaltungs- und Kontrollfunktionen?

Nein, über den von uns errichteten Parlamentsvorbehalt bewahrt sich der Deutsche Bundestag die umfangreichen Gestaltungsrechte, die er im Übrigen auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht preisgeben dürfte!

Mit freundlichen Grüßen

Gisela Piltz