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Frage von Rainer H. •

Frage an Gert Weisskirchen von Rainer H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Prof. Weisskirchen,
am 22.01.09 haben sie bei der Beantwortung einer Frage von Herrn Zygourius zu ihrem Abstimmungsverhalten bei der NATO Operation im Kosovo Stellung genommen.
Daraus resultierend habe ich zwei Fragen an Sie:
1. Entnehme ich Ihrer Zustimmung zum Kosovo Einsatz der NATO und damit der Bundeswehr, das es für sie nicht so wichtig ist was der UN Sicherheitsrat beschließt oder nicht beschließt, kurz dass Sie der NATO einen höheren Stellenwert in den internationalen Beziehungen einräumen wie der UNO ?
2. Fühlten Sie sich bei der Abstimmung ausreichend informiert und würden Sie aus heutiger Sicht, mit allen Erkenntnissen über die Sie heute verfügen, noch einmal einem solchen Einsatz zustimmen?

Besten Dank für Ihre Antworten.

Mit freundlichem Gruß

R.Hähnchen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hähnchen,

zur Abwendung einer humanitären Katastrophe und nach Ausschöpfung aller anderen Mittel entschied die Bundesregierung unter Berufung auf das Nothilferecht im Rahmen eines NATO-Bündniseinsatzes militärische Gewalt gegen Jugoslawien anzuwenden, um die weitere Eskalation des Konfliktes und die unmittelbar drohende humanitäre Katastrophe zu verhindern.

Die öffentliche und innerparteiliche Diskussion in der SPD zu diesem ersten und strikt begrenzten Kampfeinsatz der Bundeswehr drehte sich vor allem um die Frage der völkerrechtlichen Legitimität, da der Einsatz selbst zwar im Bündnis und zur Abwendung einer humanitären und Katastrophe stattfand, aber nicht unmittelbar von den Vereinten Nationen mandatiert worden war. Sie werden gewiss erinnern, welche Anstrengungen Kofi Annan unternahm, den Weltsicherheitsrat –und besonders Russland- dazu zu bewegen, einen Beschluss herbeizuführen, damit die von einem beginnenden Völkermord bedrohten Kosovo-Albaner gerettet werden konnten. Eines der späteren Ergebnisse seiner Bemühungen ist es, dass das Prinzip „Responsibility to Protect“ („Verantwortung zu schützen“) künftig stark international und völkerrechtlich verankert werden müsse.

Russland hatte sich im Sicherheitsrat strikt gegen die Anwendung militärischer Mittel gegen die Bundesrepublik Jugoslawien ausgesprochen. Somit standen sich das Gebot der Nothilfe für etwa 230.000 kosovarische Flüchtlingen einerseits und das fehlende UN-Mandat andererseits in der Abwägung der Bundesregierung und der außen- und sicherheitspolitisch Verantwortlichen in der SPD unauflösbar gegenüber.

Der am 24. März 1999 beginnende Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO-"Operation Allied Force" ist aus mehreren Gründen für die Regierung und ihre Koalitionsparteien etwas besonderes gewesen: Es handelte sich um die erste militärische Operation in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie zeigt exemplarisch die humanitären und die Bündnisverpflichtungen, innerhalb derer sozialdemokratische Außen- und Sicherheitspolitik Ende der 90er Jahre zu entscheiden hatte. Die Dynamik der Aggression des Milosevic-Regimes im Kosovo konnte mit dem Einsatz erfolgreich unterbrochen werden. Er ist ein einmaliger Sonderfall, da er der einzige Bundeswehreinsatz ohne UN-Mandat gewesen ist.

Nach Abwägen all dieser Argumente bin ich nach wie vor der festen Überzeugung, dass der Einsatz der Bundeswehr im Kosovo berechtigt war. Ich versichere Ihnen deshalb erneut: Ich hätte im Deutschen Bundestag dem Einsatz nicht zugestimmt, wenn ich nicht von seiner völkerrechtlichen Legitimation als Nothilfe überzeugt wäre. Die Frage, ob die NATO einen höheren Stellenwert als die UNO habe, stellt sich für mich deshalb nicht.

Herzlich grüßt

Gert Weisskirchen