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Frage von Rudolf K. •

Frage an Gabriele Frechen von Rudolf K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Frechen,

der Schuldenstand der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik (Bund, Länder, Gemeinden) beträgt aktuell rund 1.580 Milliarden Euro, das sind rund 20.000 Euro pro Person. Die steigenden Einnahmen durch die derzeit gute Wirtschaftslage werden aber augenscheinlich nicht dazu verwendet, dem nach wie vor ungebremsten Schuldenmachen zu begegnen, sondern um die Ausgaben zu erhöhen und Besitzstände zu schaffen, die später nur mit neuen Schulden finanziert werden können.

Welche Anstrengungen unternehmen Sie im Rahmen Ihrer Abgeordnetentätigkeit und Ihrer Funktion im Finanzausschuss, damit der Schuldenstand verringert wird?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kohler,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich gern beantworte. Tatsächlich ist die derzeitige Staatsverschuldung mit 1,5 Billionen Euro exorbitant hoch. Der Handlungsspielraum der Politik wird durch die Zinszahlungen in Höhe von weit mehr als 40 Milliarden Euro empfindlich eingeschränkt. Aus diesem Grund hat die Große Koalition die Sanierung der Staatsfinanzen zu einer Ihrer Hauptaufgaben gemacht: Der Koalitionsvertrag steht unter dem Motto „Sanieren – Reformieren – Investieren“.

Durch die aktuellen Bemühungen zur Haushaltssanierung sorgen wir dafür, dass der Staat handlungsfähig bleibt. Jeder Euro, der für Zinsen ausgegeben wird, fehlt für wichtige Investitionen in Bildung, Forschung, soziale Projekte etc. Außerdem bürden wir mit jedem neuen Euro Schulden den nachfolgenden Generationen hohe Belastungen auf. Deshalb ist in meinen Augen ein Wahlversprechen wie das der CSU, das allein bis 2012 63 Milliarden Euro kostet, entweder unehrlich, verantwortungslos oder populistisch. Ebenso die Geschenke in Bereich oberhalb von 100 Milliarden, die die Fraktion „Die Linken“ - ehemals PDS oder WASG - machen.

Sie fragen mich konkret nach den Anstrengungen, die ich im Rahmen meiner Abgeordnetentätigkeit im Finanzausschuss unternehme um den Schuldenstand zu verringern. Als Berichterstatterin im Bereich Einkommensteuer und Co- Berichterstatterin im Bereich Umsatzsteuer war, ist und bleibt es mir ein Anliegen, dass Subventionen abgebaut, Steuerumgehung vermieden, Steuerstundungsmodelle eingeengt und Steuerhinterziehung oder Steuerbetrug bekämpft wird. Der Staat als Gesamtes und jeder Einzelne hat ein Anrecht darauf, dass die Steuern, die dem Staat zustehen, auch wirklich bezahlt werden. Wenn reiche Menschen sich vor dem Fiskus arm rechnen können und Gewinne, die in Deutschland erwirtschaftet wurden, ins steuerlich günstigere Ausland transferiert werden, dann stellt sich sicher nicht nur für mich die Gerechtigkeitsfrage. Ich will keinen fetten aber auch keinen ausgehungerten Staat, sondern einen Staat, der die Aufgaben erfüllen kann, die die Menschen zu Recht an ihn stellen. Steuern zahlen macht Niemanden richtig glücklich, aber es ist leichter, wenn man weiß, dass es gerecht zugeht.

Dass dieser Weg erfolgreich ist zeigt das Beispiel des Finanzamtes Bad Homburg, ein Finanzamt mit überdurchschnittlich vielen sehr gut verdienenden Menschen. 1997 musste dieses Finanzamt mehr Einkommensteuer ausbezahlen als es eingenommen hatte, was sich grundlegend geändert hat. Dort werden heute weit mehr als 100 Millionen Euro eingenommen.

Dazu gehört selbstverständlich auch die Verbesserung des Vollzugs durch Betriebsprüfungen und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit.
Viele Einzelheiten dazu können Sie in meinen Reden zu den Jahressteuergesetzen und den Steueränderungsgesetzen u.v.m. auf der Homepage des Deutschen Bundestages oder meiner eigenen Homepage nachlesen.

Einige wichtige Punkte aus meinem eigenen Aufgabengebiet möchte ich nennen:

Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltung durch Beseitigung von Steuerstundungsmodellen wie Hollywoodfilmfonds, Schiffsfonds oder Luxemburg-Fonds
Einschränkung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten
Abschaffung der degressiven Abschreibung
Abschaffung lieb gewordener Subventionen wie Steuerfreiheit von Abfindungen und Reduzierung des Sparerfreibetrags
Der Zuschlag auf die Einkommensteuer für hohe Einkommen ab 250.000 Euro.
Abschaffung der Bergmannsprämie – für eine Nordrhein- Westfälin nicht einfach
Abschaffung der Steuervermeidungsmöglichkeit durch Rechtsformwechsel
Abschaffung des steuergestalterischen Einsatzes von Erbpachtzinsen
Erhöhung der in Deutschland zu versteuernden Gewinne durch die Unternehmensteuerreform
Erhaltung der Finanzkraft der Kommunen durch die Stärkung der Gewerbesteuer
Abschaffung der nicht mehr zeitgemäßen Eigenheimzulage

Zurzeit arbeite ich gemeinsam mit dem Berichterstatter meiner Fraktion an der Reform der Erbschaftsteuer. Die Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung ist ein immer aktuelles Aufgabenfeld. Ich möchte darauf hinweisen, dass neben der Sanierung der Haushalte auch die Begriffe Investieren und Reformieren zu dem eingangs genannten Dreiklang unseres Koalitionsvertrags gehören. Es wäre mit Sicherheit falsch gewesen, sämtliche freiwerdende Mittel in die Zahlung von Zinsen und Tilgung zu stecken. Hätten wir das getan, hätten wir keine Impulse an die Wirtschaft geben können, von denen wir heute mit höheren Steuereinnahmen profitieren. Daher haben wir einen Teil der freiwerdenden Mittel für wichtige und sinnvolle Reformen sowie Investitionen genutzt. Ich möchte hier nur einige Beispiele nennen:

Verabschiedung eines Wachstums- und Beschäftigungspakets in Höhe von fast 25 Milliarden u. a. 9,4 Milliarden Euro in Mittelstandpolitik und 4,3 Milliarden Euro in Infrastruktur
Einführung des Elterngeldes,
Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige
Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben um 2,2% des BIP
Erhöhung des BAföG
Förderung der energetischen Gebäudesanierung und haushaltsnaher Dienstleistungen
Programm „Hilfen für Helfer“, welches das bürgerschaftliche Engagement mit eine halben Milliarde Euro fördert.

Ich denke nicht, dass hier „Ausgaben erhöht und Besitzstände geschaffen“ wurden. Vielmehr bauen wir Steuersubventionen ab und investieren mehr Geld in Familien, Bildung und Forschung, Technologieförderung, Infrastruktur und somit in wichtige Zukunftsprojekte.
Sie beklagen in Ihrer Frage, dass die gute Wirtschaftslage nicht benutzt wird um „dem ungebremsten Schuldenmachen zu begegnen, sondern um die Ausgaben zu erhöhen und Besitzstände zu schaffen, die später nur mit neuen Schulden finanziert werden können.“
Dem muss ich widersprechen. Die Neuverschuldung des Bundes wurde innerhalb von nur zwei Jahren halbiert. Die Nettokreditaufnahme sank zwischen 2005 und 2007 von 31,2 Mrd. Euro auf 14,4 Mrd. €. Das ist der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung. Damit liegen wir im Plan: Ziel ist ein ausgeglichener Bundeshaushalt, also keine neuen Schulden, im Jahr 2011.

Zwar sind die Ausgaben des Bundeshaushalts 2008 tatsächlich um 4,7% höher als im Haushalt 2007. Allerdings gilt es hier zu differenzieren: Zwei Milliarden Euro werden für die Bereiche innere und äußere Sicherheit sowie Forschung, Entwicklung und Entwicklungshilfe eingesetzt. 6,1 Milliarden Euro sind Ausgaben, die in der Vergangenheit begründet sind. So musste der Bund erstmals seit 2004 wieder Zuschüsse zur Postbeamtenversorgungskasse leisten, was in den letzten Jahren nicht nötig war. Weitere 970 Mill. Euro entfallen auf die Überschneidung von bisherigem Erziehungsgeld und neuem Elterngeld und sind somit ebenfalls eine einmalige Ausnahme. Dazu kommt ein statistischer Effekt: Durch das erhöhte Steueraufkommen wächst der mehrwertsteuerfinanzierte Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit. Zieht man diese Einmaleffekte ab, bleibt eine moderate Ausgabensteigerung von nur 1,9 Prozent übrig.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Große Koalition das Ziel der Haushaltskonsolidierung mit Erfolg anstrebt. Die Erträge aus der Konsolidierung werden zielgenau investiert und zum Abbau der Neuverschuldung genutzt. Einen Haushalt ohne Neuverschuldung werden wir voraussichtlich im Jahr 2011 erreichen. Danach kann mit der Tilgung der Altschulden begonnen werden.
Ich werde mich weiterhin mit Nachdruck für die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte einsetzen, damit die Politik auch in Zukunft handlungsfähig sein wird.

Mit freundlichem Gruß
Gabi Frechen, MdB