Portrait von Franz Thönnes
Franz Thönnes
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Franz Thönnes zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Dennis J. •

Frage an Franz Thönnes von Dennis J.

Sehr geehrter Herr Thönnes,

zum wiederholten Male muss ich feststellen, dass Sie im Bundestag entgegen meiner Überzeugungen handeln. Meiner Meinung nach ist ein Eingreifen der Deutschen Bundeswehr in Syrien absolut grundgesetzwidrig und völlig unbegründet. Meine Fragen an Sie lauten: Inwiefern glauben Sie, ist eine Verteidigung unseres Landes in Syrien notwendig? Wie wird durch diesen Einsatz Frieden geschaffen?

Portrait von Franz Thönnes
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Jürs,

vielen Dank für Ihre auf Abgeordnetenwatch.de gestellten Fragen.

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Dezember 2015 dem Einsatz deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS, auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, mit großer Mehrheit zugestimmt.

Fast 300.000 Tote und zwölf Millionen Flüchtlinge: Das ist die traurige Bilanz des seit fast fünf Jahren andauernden Bürgerkriegs. Syrien als Staat hat in seiner ursprünglichen Form aufgehört zu existieren. Weite Teile des Landes befinden sich unter Kontrolle des sogenannten „Islamischen Staates“, der in seinem Herrschaftsgebiet ein Terrorregime etabliert hat und von dort aus Anschläge in der Region und darüber hinaus organisiert. Die jüngsten Attentate von Ankara, Beirut, Tunis, auf dem Sinai, in Paris sowie in Istanbul ziehen eine Blutspur vom Nahen und Mittleren Osten bis nach Europa.

Die Anschläge galten nicht nur den betroffenen Ländern und Personen, sondern uns allen. Bereits zum zweiten Mal wurde Frankreich im letzten Jahr von einem Terrorangriff getroffen. Diese Attacken richteten sich nicht nur gegen unseren Nachbarn, sondern auch gegen unsere gemeinsamen Werte und unsere Art zu leben. Frankreichs Präsident Hollande hat Deutschland auf der Basis des Artikels 42 (7) des EU-Vertrages um Beistand gebeten, sich auch mit militärischen Mitteln der internationalen Allianz von insgesamt 64 Staaten in ihrem Kampf gegen den IS anzuschließen. Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert. Und nicht zuletzt ist dabei auch das enge Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland mit einzubeziehen. Die historische Achse, die sich zwischen unseren beiden Ländern über Jahrzehnte entwickelt hat, ist eine der wesentlichen Stabilitätsfaktoren Europas.

Der Deutsche Bundestag hat nach ausführlicher Debatte mit großer Mehrheit dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt, militärische Fähigkeiten im Kampf gegen den IS bereitzustellen. Dazu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge als auch eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers. Das Ziel dieses Mandates ist klar umrissen: Es geht darum, den IS zu bekämpfen, seine Rückzugsräume zu zerstören und zu verhindern, dass er weiterhin in vielen Ländern Angst und Schrecken verbreitet.

Dieser Einsatz ist völkerrechtlich legitimiert. Deutschland unterstützt Frankreich, den Irak und andere Länder im Kampf gegen den IS auf Grundlage des Rechts der kollektiven Selbstverteidigung, wie es in Artikel 51 der VN-Charta zum Ausdruck gebracht wird.

In mittlerweile drei Resolutionen hat der VN-Sicherheitsrat festgestellt, dass der IS weltweit eine beispiellose Bedrohung des Weltfriedens ist - zuletzt in der Resolution 2249 vom 20. November 2015. Darin hat der Sicherheitsrat nach den Anschlägen von Paris die Staatengemeinschaft aufgerufen, diese Bedrohung mit allen Mitteln zu bekämpfen und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen sowie die Anstrengungen zu verstärken und zu koordinieren, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden, die insbesondere von IS und anderen terroristischen Gruppen begangen werden, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als solche benannt wurden und den sicheren Zufluchtsort zu beseitigen, den sie in erheblichen Teilen Iraks und Syriens geschaffen haben. Hinzu kommt der o.g. Bezug auf die Beistandsklausel in Artikel 42 (7) des EU-Vertrages.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich nach intensiven Diskussionen entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen. Niemand hat sich diese Entscheidung leicht gemacht.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es für den Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Lösung geben kann. Der politische Prozess steht für uns weiterhin im Vordergrund. Das militärische Handeln wird in diesen politischen Prozess eingebettet sein und bleiben. Hierfür setzt sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit ganzer Kraft ein. Mit Hilfe der Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten Staffan de Mistura soll eine politische Lösung erarbeitet werden.

Am 30. Oktober und 14. November kam es in Wien und am 18. Dezember 2015 in New York zu Zusammenkünften aller regionalen Akteure unter Einschluss des Iran, Saudi-Arabiens, aber auch Russlands und der USA. Dass es gelungen ist, die genannten Länder an einen Tisch zu holen, ist auch ein Erfolg der deutschen und europäischen Diplomatie.

Bei den Treffen wurden die Weichen für einen Fahrplan gestellt, den Syrienkonflikt politisch zu lösen und dem Morden endlich Einhalt zu gebieten. Dazu gehören die Bemühungen um einen Waffenstillstand in Syrien, die Verabredungen auf seine staatliche Integrität, die Bildung einer inklusiven Übergangsregierung innerhalb von sechs Monaten, die Erarbeitung einer neuen Verfassung sowie die Abhaltung von freien Wahlen unter UN-Beobachtung. Weiteres soll in Friedensgesprächen ab Ende Januar ausgehandelt werden.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der angespannten Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran wird dies kein einfaches Unterfangen. Aber am dringend notwendigen, politisch-diplomatischen Prozess wird gearbeitet und Deutschland hat mit SPD-Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier einen wichtigen Anteil daran.

Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terrorismus und gegen den IS zu verstärken. Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15. August 2014 unter Kapitel VII der VN-Charta beschlossenen Maßnahmen gegen den IS, Al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen. Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden.

Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden. Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln gestoppt werden. Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismusbekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spektrum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen. Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt. Nach wie vor sind die meisten Opfer des IS Muslime. Die Anschläge von Paris und Istanbul dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen. Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildung zu verhindern. Ebenso müssen ausländische Kämpfer daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen. Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen.

Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzudämmen und damit künftig Terroranschläge zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflüchtlinge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern und in Europa müssen wir weiterhin humanitäre und die sogenannte Übergangshilfe leisten. Seit 2012 hat Deutschland über 1,35 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Durch die Initiative von Bundesminister Frank-Walter-Steinmeier ist es gelungen, dass auch weitere Staaten ihre Ausgaben für die Flüchtlingshilfe in der Region erhöht haben. Weitergehendes Engagement diesbezüglich wird auf einer internationalen Konferenz am 4. Februar 2016 in London besprochen. Deutschland geht hier mit gutem Beispiel voran, so haben wir den Ansatz für Humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention im Haushalt 2016 bereits um über 400 Millionen Euro aufgestockt.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes