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Frank-Walter Steinmeier
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Frage von Ingo S. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Ingo S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Steinmeier,

der deutsche Wirtschaftswissenschaftler und Jurist Prof.Dr.Eberhard Hamer behauptet das die USA ihre TTIP-Macht an VW proben.
Zweimal hat General Motors versucht, «die fette VW» mit Hilfe unlimitierter FED-Kredite zu übernehmen. Beim ersten Mal ist ihnen die Familie Porsche zuvorgekommen, beim zweiten Mal scheiterten sie mit ihrer Klage gegen das Niedersachsen-Recht bei VW (Veto-Recht). Nun versuchen sie zum dritten Mal durch von ihnen beauftragte Behörden und Anwälte in den USA, VW zur Ader zu lassen, billig zu machen, um dann VW billig aufkaufen zu können.

Würde VW dies umgekehrt versuchen, würde die US-Regierung sofort mit dem Nationalvorbehalt (sicherheitsrelevant) eingreifen. Der Skandal um VW liegt jetzt darin, dass die deutsche Regierung sich nicht hinter VW stellt, dass sie sich offenbar mehr der US-Macht als den 100 000 Beschäftigten von VW verpflichtet fühlt.

Lassen wir die Amerikaner zugunsten der beiden amerikanischen Konkurrenten Ford und Opel (General Motors) VW vernichten, verliert Deutschland nicht nur national, sondern international einen seiner Leuchttürme. Nun wird uns klar, was die Amerikaner mit Hilfe eines durch TTIP geschaffenen amerikanischen Rechts in Deutschland gegen unsere anderen Grossunternehmen und Know-how-Monopolisten unternehmen werden.

Und so wundert es nicht, dass eine Regierung, die zur Zerschlagung von VW schweigt, auch die übrige Machtübernahme der US-Konzerne über die deutsche Wirtschaft (TTIP) duldet oder sogar mitbetreibt. Ein Vernichtungskampf, wie ihn jetzt die Amerikaner gegen VW führen, wäre umgekehrt in Amerika für Deutsche nicht möglich und würde vor allem auch von keiner US-Regierung und keinem Kongress geduldet.

Eberhard Hamer
Quelle Zeit Fragen Schweiz

Ich bitte um Ihre Stellungnahme.

freundliche Grüsse
Ingo Schlütz

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schlütz,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 01. März 2016 an Herrn Steinmeier, auf welche ich Ihnen gern antworten möchte. Dazu habe ich Kontakt mit der zuständigen AG Wirtschaft der SPD-Bundestagsfraktion aufgenommen und möchte Ihnen nachfolgend die diesbezügliche Positionierung übermitteln.

Mit der SPD wird es nur ein Abkommen geben, wenn es den Interessen der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft unseres Landes dient. Fest steht, dass TTIP deutsche und europäische Gesetze nicht in Frage stellen wird und ein gemeinsamer Markt, wie wir ihn in Europa realisiert haben, nicht zur Diskussion steht. Internationale Handelsabkommen sind für die exportorientierte deutsche Wirtschaft und die davon abhängenden Arbeitsplätze von großer Bedeutung. Bislang gibt es kein Handelsabkommen mit den USA. Aufgrund der Bedeutung des großen US-amerikanischen Markts für unsere Hersteller von Industriegütern, landwirtschaftlichen Produkten und unsere Dienstleistungsunternehmen unterstützen wir die Europäische Kommission in dem Vorhaben, TTIP zu verhandeln. Die Weltwirtschaft braucht verlässliche Regeln. Wir wollen globale Standards für einen fairen und nachhaltigen Welthandel setzen und den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen im gegenseitigen Interesse voran bringen.

Wir erwarten deutliche Kostensenkungen durch einen Prozess der gegenseitigen Anerkennung von Standards und Zulassungsverfahren, die das gleiche Ziel verfolgen. Es geht dagegen bei TTIP nicht um die Absenkung von Standards, sondern um eine Vereinfachung des Exports, wovon gerade kleine und mittelständische Unternehmen profitieren. Wir erwarten auch Preisvorteile für die Verbraucher, wenn Zölle abgebaut werden. Wir plädieren für eine Einigung bei TTIP – aber nicht um jeden Preis. Für uns stehen deutsche und europäische Standards und Errungenschaften nicht zur Diskussion: Die Arbeitnehmerrechte und Arbeitsstandards, das Recht der Mitbestimmung, der Betriebsverfassung und der Tarifautonomie wird durch TTIP nicht in Frage gestellt. Das heißt: Nationale Gesetze oder Vorschriften eines EU-Mitgliedsstaates für Beschäftigung oder soziale Sicherungsmaßnahmen, die Vorschriften über Lohnverhandlungen, das Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge bleiben unberührt. Schmutziger Wettbewerb durch Lohndumping steht ebenso nicht zur Diskussion. Außerdem soll es einen Mechanismus zur wirksamen Anwendung der ILO-Kernarbeitsnormen in einem eigenen Kapitel geben. Bestimmungen zur Unterstützung international anerkannter Standards zur verantwortlichen Unternehmensführung (CSR-Standards) wollen wir in TTIP verankern. Einen direkten oder indirekten Zwang zu Privatisierungen wird es durch TTIP nicht geben und die Daseinsvorsorge wird nicht gefährdet.

Die EU-Kommission strebt bei TTIP eine Reform des – in der Öffentlichkeit heiß diskutierten - bisherigen Investorenschutzes an. Diese Modernisierung des Investitionsschutzes hat Sigmar Gabriel angestoßen und sie wurde durch eine Resolution des Europäischen Parlaments unterstützt, in der ein gutes und faires TTIP und die Ablehnung der bisherigen privaten Schiedsstellen in TTIP gefordert wird . Auch im Europäischen Parlament war die Rolle der europäischen Sozialdemokraten entscheidend, die sich unter Führung ihres Berichterstatters Bernd Lange in entscheidenden Punkten durchgesetzt hatten. Mit der klaren Absage an die privaten Schiedsgerichte konnte erreicht werden, dass ein demokratisches und transparentes Gerichtsverfahren mit unabhängigen Richtern und eine Revisionsinstanz im TTIP-Abkommen von der EU angestrebt wird. Kommissarin Malmström hat also die klare Zielsetzung, bei TTIP das alte ISDS-System durch ein neues System zu ersetzen. Derzeit prüfen die USA, wie sie mit diesem Vorschlag umgehen.

Inzwischen fand vom 19. bis 23. Oktober 2015 die elfte Verhandlungsrunde zu TTIP statt. Verhandelt wurde in allen drei übergeordneten Themenbereichen Marktzugang, Regulierung und Handelsregeln. Gerade in einem Bereich, der im Zentrum der öffentlichen Diskussion steht, nämlich bei der „regulatorischen Kooperation“, konnten Fortschritte erzielt werden. Eine Kooperation soll demnach nur möglich sein, wenn die Schutzstandards für Verbraucher beibehalten oder erhöht werden (z.B. bei der Sicherheit von Kraftfahrzeugen). Auch wurde Einigkeit erzielt, dass die regulatorische Kooperation bei Dienstleistungen nicht die Handlungsmöglichkeiten der Gesetzgeber und Behörden antasten wird. Das bedeutet, dass bei der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie bei der Wasserversorgung oder beim öffentlichen Nahverkehr, die Gestaltungshoheit der Kommunen nicht eingeschränkt wird. Auch wurde festgelegt, dass es keine Verpflichtung zur Privatisierung geben wird. Marktzugangs-verpflichtungen im Dienstleistungsbereich sollen in Form einer Positivliste vereinbart werden – einer alten Forderung wurde damit Rechnung getragen.

Ich hoffe, Ihnen unsere Position etwas näher gebracht zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Anikó Rumpler
Leiterin des Abgeordnetenbüros