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Frank-Walter Steinmeier
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Frage von Sigrid M. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Sigrid M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Solidaritätszuschlag für Flüchtlinge

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeiner,

wie ich soeben in den Nachrichten bei NTV vernommen habe, wird erwogen, bei den Bürgern über die Kfz-Steuer o. ä. einen Solidaritätszuschlag für Flüchtlinge zu erheben, der u. a. auch den Ländern zugute kommen soll, aus denen die Flüchtlinge kommen.
Bekannt ist, dass die EU Grossbetriebe wie Geflügel-/Schweine-/ Rinderzuchtanstalten finanziert, die dann -wiederum finanziert durch die EU- dieses Billigfleisch in die armen Länder exportieren und in den jeweiligen Ländern damit die bäuerliche Landwirtschaft kaputt machen, so dass am Ende dort auch diese Bauern flüchten müssen.
Wieso wird erwogen, den Bürgern über Steuererhöhungen die Kosten der Flüchtlinge aufzulasten, anstatt erst einmal derartige Subventionen zu streichen, um damit endlich einmal an die Wurzel der Armut in den betreffenden Ländern zu gehen? Gleiches gilt übrigens auch für den Fischfang, der erlaubt, dass Fangflotten den dortigen Fischern und Bewohnern die Existenzgrundlage nehmen. Mit den gestrichenen Milliardensubventionen kann man sehr gut erreichen, dass die Fluchtursachen z. T. behoben werden. Warum wird nicht endlich bei derartigen Subventionen begonnen, zu streichen? Warum soll statt dessen den Bürgern in die Tasche gegriffen werden? Für eine Antwort wäre ich dankbar.

Mit freundlichen Grüssen

Sigrid Masa

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Masa,

vielen Dank für Ihre Anfrage an Herrn Steinmeier, auf welche ich Ihnen gern antworten möchte.

Nach Aussagen des Bundesfinanzministeriums stellen die Mittel für die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mit einem Anteil von 38 Prozent den größten Ausgabenblock im mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union für den Zeitraum 2014-2020 dar. Knapp 57 Mrd. Euro sind an Agrarausgaben für das Jahr 2015 eingeplant. Wir Sozialdemokraten wollen, dass diese Mittel zukünftig zielgerichtet für die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen in den ländlichen Regionen Europas eingesetzt werden.

Bisher werden knapp ¾ der Mittel des GAP als unspezifische Flächenprämien an die europäischen Landwirte verteilt. Das ist den europäischen Steuerbürgerinnen und Steuerbürgern nicht mehr zu vermitteln; insbesondere in Zeiten, in den wir vor großen internationalen Herausforderungen wie der Flüchtlingskrise stehen. Gelegenheit zum Nachjustieren bietet der sogenannte Mid-Term-Review im Jahr 2017. Bis dahin kommt die gegenwärtige EU-Agrarpolitik und ihre Finanzierung auf den Prüfstand. Es ist davon auszugehen, dass die EU-Kommission zusammen mit den Mitgliedsstaaten gewisse Korrekturen vornehmen wird, ohne die Finanzstruktur grundsätzlich zu modifizieren.

Die sozialdemokratischen Fachpolitiker in Brüssel und Berlin schauen bereits auf die Ausgestaltung des mehrjährigen Finanzrahmens der Europäischen Union für den Zeitraum 2021-2027. Hier kämpfen wir für substantielle Veränderungen in der EU-Agrarpolitik. Nach unserem Willen müssen in der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik ab 2021 die Umwelt-, Tierschutz- aber auch sozialen Belange in den Vordergrund rücken. Unser Leitbild lautet: „Öffentliches Geld für öffentliche Aufgaben“. Auch unser Koalitionspartner und namentlich Bundesfinanzminister Schäuble hat in seiner am 22. September 2015 bei der Konferenz "EU Budget Focused on Results" für eine Neuausrichtung der EU-Finanzen geworben.

Ihrer Aussagen zur Subvention von Billigfleischexporten in arme Länder muss ich widersprechen. In den letzten Jahren hat sich in der EU die Überzeugung durchgesetzt, dass Ausfuhrsubventionen jeglicher Art verheerende Folgen auf Märkten von Entwicklungsländern haben können. Die Bedeutung dieser Zahlungen aus dem EU-Haushalt ist daher längst drastisch gesunken. Das immer wieder gerne zitierte Beispiel der Hähnchen-Exporte nach Westafrika kann nicht als Beleg für die verfehlten EU-Agrarexportsubventionen herhalten. Vielmehr stimulieren relativ geringe Produktions- und Transportkosten die Exporte nach Westafrika. Europäische Steuergelder werden dafür nicht eingesetzt.

Auch in der EU-Fischereipolitik können wir Sozialdemokraten Erfolge verbuchen. Ulrike Rodust, die fischereipolitische Koordinatorin der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlaments hat viele Jahre vehement für eine Reform der Europäische Fischereipolitik gekämpft. Bereits 2013 hat das Europaparlament einer grundlegende Reform der Europäischen Fischereipolitik zugestimmt und mit seiner Entscheidung unterstrichen, dass das Fischereimanagement zu einer echten Erholung der Fischbestände führen muss. Die Überfischung europäischer Gewässer soll bald der Vergangenheit angehören. Die Reform sieht unter anderem eine zügige Beendigung der Überfischung bis 2015 vor. Der Rückwurf von Beifang, also Fische, die wegen Größe oder Art eigentlich nicht gefangen werden sollten, wird schrittweise zwischen 2015 und 2019 verboten. Das Europaparlament setzte außerdem durch, dass bei Verstößen Subventionen gestrichen werden können und dass die Mitgliedstaaten Fangquoten zukünftig nach transparenten ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien vergeben müssen. Außerdem soll die Europäische Union in Zukunft nicht mehr zur Überfischung in Entwicklungsländern beitragen, die die Lebensgrundlage lokaler Kleinfischer gefährdet. Die neue Verordnung ist am 1. Januar 2014 in Kraft getreten. Aus von Ulrike Rodust ist der EU-Kommission und das Europäische Parlament eine Reform gelungen, bei deren Umsetzung wir jetzt nicht locker lassen dürfen.

Herzliche Grüße

Anikó Rumpler
Leiterin des Abgeordnetenbüros