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Frank-Walter Steinmeier
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Frage von Steffen R. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Steffen R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,

die SPD hat im Mai im Bundesrat der neuen Fassung des Telekommunikationsgesetzes zugestimmt. Danach erhalten Polizei, BKA, die Geheimdienste und der Zoll schon bei geringsten Anlässen, also ohne konkreten Verdacht auf eine bzw. ohne Vorliegen einer Straftat Zugang zu sämtlichen, den jeweiligen Bürger betreffenden Kommunikationsgeräten wie Computer, Telefon, Smartfone/Handy samt den zugehörigen Mailadressen, Passwörtern, PINS und PUKS - und das ohne richterlichen Beschluss.

Dazu meine Fragen:

1. Diese Praxis ist im Kern nichts anderes als das, was die NSA macht - wie erklären sie das?

2. Was konkret (!) verspricht sich der Staat durch dieses massive Herabsetzen der Eingriffsschwelle des Staates? - Schliesslich handelt es sich nicht um Straftaten.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reimann,

die Bestandsdatenauskunft ermöglicht es Ermittlern, unter bestimmten Voraus­setzungen und zu bestimmten Zwecken - insbesondere zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten - Kundendaten bei großen Telekommunikationsfirmen abrufen zu können, und dann auch nur ganz bestimmte Kundendaten, nämlich zu welchem Kunden welche Telefonnummer gehört, zu welchem Kunden zu einem bestimmten Zeitpunkt eine dynamische IP-Adresse zugeordnet war und wie die Passwörter und Sperrcodes wie PIN und PUK eines Nutzers lauten.

Die wesentlichen Unterschiede zu PRISM sind daher augenfällig, denn mit PRISM wird darauf abgezielt, generell, flächendeckend und allumfassend, d.h. vor allem auch unter Einschluss von Kommunikationsinhalten, zu überwachen.

Die Neuregelung der Bestandsdatenauskunft war wegen eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts von Januar 2012 nötig geworden. Darin hatte das Gericht die bisherigen Regelungen zur Bestandsdatenauskunft als im Wesentlichen verfassungsgemäß beurteilt. Einige wenige Punkte hatte das Gericht allerdings beanstandet und deshalb eine Nachbesserungsfrist bis 30.06.2013 gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dem Gesetz der schwarz-gelben Regierung am Ende deswegen zustimmen können, da es uns im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens und nach der von uns iniitierten Expertenanhörung gelungen war, die Regierungskoalition von deutlichen Verbesserungen im Rechtschutz für die Betroffenen zu überzeugen.

So haben wir erreicht, dass der Anwendungsbereich der Bestandsdatenauskunft insgesamt klarer gefasst wurde. In den bundesgesetzlichen Rechtsgrundlagen gibt es jetzt bei Auskünften über dynamische IP-Adressen und über Zugangssicherungscodes Benachrichtigungspflichten, bei heimlichen Auskünften auf Zugangssicherungscodes zusätzlich einen Richtervorbehalt bzw. eine Befassung der G10-Kommission. Eine Befristung und Evaluierung konnte nicht durchgesetzt werden, hier wurde aber immerhin eine Berichtspflicht der Bundesregierung zur weiteren Entwicklung des Standards IPv6 festgeschrieben. Vor allem durch die aufgenommenen Benachrichtigungspflichten haben Betroffene jetzt die Gewähr, gegen ihrer Ansicht nach rechtswidrige Auskünfte effektiven Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können.

All diese Punkte hatte der schwarz-gelbe Regierungsentwurf zunächst nicht vorgesehen und die FDP konnte diese Punkte in der Koalition nicht durchsetzen. Hätten wir uns wie die Fraktionen der Grünen und der Linken den Verhandlungen verweigert, gäbe es jetzt wohl keine einzige der genannten Verbesserungen des Gesetzes.

Natürlich hätte auch ich mir weitergehende Änderungen gewünscht, beispielsweise einen grundsätzlichen Richtervorbehalt bei der Beauskunftung von IP-Adressen oder auch eine Begrenzung dahingehend, dass als Auskunftszweck nicht jede Ordnungswidrigkeit genügt, sondern dass es sich um eine besonders gewichtige Ordnungswidrigkeiten handeln muss. Leider war dies aber für uns als Oppositionsfraktion in den Verhandlungen nicht auch noch durchsetzbar. Dennoch halte ich im Ergebnis die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf für richtig - es handelt sich aus meiner Sicht um einen schwierigen, aber wichtigen Kompromiss, mit dem die von der SPD-Bundestagsfraktion erfolgreich verhandelten, wichtigen rechtsstaatlichen Absicherungen und Verbesserungen im Rechtschutz für die Betroffenen realisiert werden konnten.

Mit freundlichen Grüßen

Frank-Walter Steinmeier