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Frage von Guntram S. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Guntram S. bezüglich Familie

Im nachstehenden Artikel www.bild.de/ratgeber/job-karriere/light/single-bleiben-trotz-trauung-5033528.bild.html wird bestätigt, dass heiratswillige Paare seit 2009 auch dann kirchlich heiraten können, wenn sie standesamtlich "Single" bleiben. Sollte ich als verantwortungsbewusster Vater meinem Sohn diesen Weg der Ehe empfehlen, um ihm das Schicksal zu ersparen, von Familienanwälten und Jugendämtern nach einer heutzutage mit hoher Wahrscheinlichkeit möglichen Scheidung unangemessen wirtschaftlich benachteiligt zu werden, wie es leider nach wie vor aufgrund der leicht durch Manipulationen ausnutzbaren Rechtslage geschieht? Oder wird die SPD in der kommenden Legislaturperiode mit signifikanten Korrekturen das Gleichgewicht zwischen Mann und Frau in der Ehe wieder herstellen, welchse sie 1977 durch geprägt durch eine sehr einseitige Weltsicht der damaligen FeministInnen zerstört hat?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Seiss,

der Wandel gesellschaftlicher Verhältnisse und Einstellungen spiegelt sich wahrscheinlich nirgendwo so deutlich wider wie im Bereich des Ehe- und Familienrechts.

Keineswegs ging es dabei um die Durchsetzung eines "einseitigen Weltbildes einier Feministinnen", wie Sie behaupten. Ganz im Gegenteil. Nachdem 1949 im Grundgesetz die Gleichberechtigung von Mann und Frau verankert wurde, begannen sich in den darauffolgenden 30 Jahren die Geschlechterbeziehungen auch im alltäglichen Umgang stark zu verändern. Daher drehte sich die Ende der sechziger Jahre beginnende Reformdiskussion darum, die Gleichberechtigung von Mann und Frau endlich auch in diesem "privaten" Bereich zu verwirklichen: Das gesellschaftlich überholte Leitbild der Hausfrauenehe wurde zugunsten des Partnerschaftsprinzips aufgehoben.
Erinnern wir uns doch einmal zurück: Bis 1977 war eine Ehefrau gesetzlich "zur Führung des Haushalts verpflichtet" und durfte nur berufstätig sein, wenn sie "ihre familiären Verpflichtungen nicht vernachlässigt[e]". Verließ sie ihren Mann, z.B. weil er sie schlug, war das nach dem "Schuldprinzip" des damaligen Scheidungsrechts "böswilliges Verlassen"; die Frau bekam weder Unterhalt noch das Sorgerecht. Deshalb war die erste Reform des Ehe- und Familienrechts und des Scheidungsrechts der damaligen sozialliberalen Regierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt ein Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung.

Seitdem sind über 35 Jahre vergangen, in denen die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Gleichberechtigung . der Geschlechter weiter ausgestaltet wurden und immer noch werden.

Es ist schön, dass Sie Ihrem Sohn auf seinem Lebensweg verantwortungsbewusst mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich persönlich finde es gut, dass heute jeder frei entscheiden kann, ob er mit seinem Partner eine Ehe eingehen oder lieber ohne Heirat eine Familie gründen möchte. Welche (steuer-)rechtlichen Konsequenzen eine kirchliche bzw. standesamtliche Trauung hat und welche Absicherungen möglich und sinnvoll sind, hängt von den individuellen tatsächlichen Umständen ab. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich eine diesbezügliche Beratung Ihres Sohnes nicht leisten will und kann und empfehle Ihrem Sohn, sich ggf. an eine Rechtsanwältin oder an einen Rechtsanwalt bzw. Steuerberaterin oder Steuerberater seines Vertrauens zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Frank-Walter Steinmeier