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Eckart von Klaeden
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Frage von John P. •

Frage an Eckart von Klaeden von John P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr von Klaeden,

1)bzgl. Ihrer Antwort vom 02.09.2010 zur Frage der Legitimität des Grundgesetzes habe ich nochmal eine Frage.
Es ist zwar durchaus richtig, dass das Grundgesetz sich sowohl in seiner Art bewährt (sprich: auch kein Volksbegehren dagegen), als auch durch Änderungen entwickelt hat, jedoch empfinde ich einen Teil der Frage von Herrn Rinderknecht nicht ausreichend beantwortet:

Den Kern sehe ich darin, dass, obwohl es keine sonstige Anstoßung gegen das GG durch das Volk gab, das GG nicht demokratisch legitimiert ist, wie es im Beitrag hieß.

Eine echte demokratische Legitimation kann meines Erachtens nach nur durch einen Volksentscheid ergehen.

Legitimation erfolgt nicht durch "stillschweigende", passive Toleranz sondern nur durch aktive Bestätigung.

2)Ein weiteres Anliegen meinerseits ist eine theoretisch juristische Frage:
Wenn es zu einer Ratifizierung durch das Volk (je) kommen sollte, wäre dies eine direkte Form von demokratischer Beteiligung des Volkes auf Bundesebene.

Müssten vor einer Ratifizierung zuerst Bundestag und Bundesrat einer Verfassungsänderung in diese Richtung zustimmen?

Ich bitte um Klärung meines Anliegen.

Frohe Weihnachten und freundliche Grüße,
John-Alexander Preuß

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Preuß,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages und nicht als Staatsminister im Namen der Bundesregierung beantworte:

Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat beschlossen. Dieser setzte sich aus Abgeordneten zusammen, die von den Landesparlamenten der westlichen Besatzungszonen gewählt worden waren. An der demokratischen Legitimierung der Mitglieder des Parlamentarischen Rates kann also kein Zweifel bestehen, auch wenn das Grundgesetz 1948/1949 unter besatzungsrechtlichen Auflagen und Einwirkungen (Frankfurter Dokumente, Einsprüche der Militärgouverneure während der Beratungen des Parlamentarischen Rats) zustande gekommen ist.

Ihrer Auffassung, eine „echte demokratische Legitimation“ könne nur durch einen Volksentscheid gegeben sein, widerspreche ich nachdrücklich. Entscheidungen demokratisch gewählter Abgeordneter die demokratische Legitimation abzusprechen, wäre sonst ein Missverständnis der repräsentativ-parlamentarischen Demokratie.

Das verfahrensmäßige Zustandekommen einer Verfassung, die das Grundgesetz nach Artikel 146 GG ablösen würde, ist nicht geregelt, was auch nicht verwundern kann, weil – wie ich in meiner von Ihnen zitierten Antwort vom 2. September 2010 dargelegt habe – das Grundgesetz von keiner seriösen politischen Strömung infrage gestellt wird.

Im übrigen schreibt Artikel 146 GG nicht vor, dass eine neue, das jetzige Grundgesetz ablösende Verfassung im Wege einer Volksabstimmung zu erfolgen hätte. Die verfassungsrechtliche Diskussion im Schrifttum ist hierzu uneinheitlich. Nach Scholz (in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 146 Rdnr. 20) würde eine Volksabstimmung für eine neue Verfassung voraussetzen, dass Artikel 79 Absatz 2 GG dahin geändert würde, die Zuständigkeit von Bundestag und Bundesrat zu streichen, weil auch eine neue Verfassung im Verhältnis zum Grundgesetz als Verfassungsänderung anzusehen wäre. (So auch von Campenhausen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 146 Rdnr. 20) Nach Dennewitz (in: Dolzer/KahlWaldhoff/Graßhof [Hg.], Bonner Kommentar, Art. 146 S. 3) wäre hingegen für eine Beratung und Beschlussfassung über eine neue Verfassung nur eine vom Volk legitimierte Verfassungsversammlung, d.h. eine verfassungsgebende Nationalversammlung, zuständig, deren Mitglieder vom Volk gewählt sind. Beratung und Beschlussfassung durch eine Nationalversammlung seien eine notwendige Voraussetzung für die Abfassung einer neuen Verfassungsurkunde, aber endgültig solle das Volk entscheiden. Dreier (Grundgesetz-Kommentar, Band 3, Tübingen 2000, Artikel 146 Rdnr. 53) nimmt an, dass „in Parallele zu den normativ gleichrangigen Entscheidungsverfahren eine Aktivierung der verfassungsgebenden Gewalt entweder durch das Volk selbst im Wege einer Art Verfassungsinitiative oder durch seine parlamentarischen Repräsentanten durch entsprechenden Beschluss von Bundestag und Bundesrat“ in Betracht gezogen werden müsse.

Die Bandbreite dieser Rechtsauffassungen kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es inhaltlich keine ernstzunehmende Alternative zum Grundgesetz, das den freiheitlich- demokratischen, föderalen und sozialen Rechtsstaat festschreibt, gibt. Da es also an materieller Substanz für eine neue Verfassung ermangelt, werden auch weiterhin rechtstheoretisch unterschiedliche Auffassungen über die Voraussetzungen der Verabschiedung einer neuen Verfassung ohne praktische Konsequenzen fortbestehen.

Mit freundlichen Grüßen
Eckart von Klaeden MdB