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Dietmar Weihrich
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Frage von Beate G. •

Frage an Dietmar Weihrich von Beate G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Weihrich,

ich bin eine angagierte Ergotherapeutin hier in Halle,
aufgrund der anstehenden Landtagswahlen und dem Vorhaben in Sachsen-Anhalt z.B. Ganztagsschulen einzurichten, sind meine Fragen unter anderem:
1. Was passiert mit uns Ergotherapeuten, da sich die gesellschaftlichen Bedingungen ändern und die Kinder dann vorrangig die Ganztagsschulen besuchen werden? Wie können die Ergotherapeuten die medizinisch notwendigen Therapien dann noch gewährleisten? Wird dann die ergotherapeutische Leistung in die Ganztagsschule mit integriert bzw. bekommen die Therapeuten dann rechtlich die Zustimmung in die Einrichtungen zu fahren um dort die Therapien durchzuführen?
2. Wie genau sieht der Inklusionsansatz in den Sonderschulen aus, da diese ja in Sachsen-Anhalt rationiert werden sollen?
3. Wie genau sehen die Chancen der Ergotherapeuten im Gesundheitswesen aus, im Hinblick auf die Ost-West-Angleichung?
4. Gibt es auch in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit eines grundständigen Studienganges Ergotherapie?

Mit freundlichen Grüssen

Beate Grimm

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Grimm,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ein sehr spezielles Thema betreffen. Es wäre daher aus meiner Sicht wichtig, weiterhin in der Diskussion zu bleiben und insbesondere auch gemeinsam die Möglichkeiten auszuloten, die eine zukünftige grüne Landtagsfraktion zur Unterstützung ihrer Belange hat.

Zu 1.) Aus meiner Sicht müssen notwendige ergotherapeutische Behandlungen auch in Ganztagsschulen gewährleistet sein, sofern sie nicht zu anderen Zeitpunkten möglich sind.

 Zu 2.) Inklusion, also die Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit Lernbehinderungen in Regelschulen, ist ein wichtiges Ziel. Die konkrete Umsetzung zu begleiten und dabei auch die Anregungen von Expertinnen und Experten außerhalb der Verwaltung einzubeziehen, wird eine zentrale Aufgabe der zukünftigen grünen Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt darstellen.

Zu 3.) Selbstverständlich müssen ErgotherapeutInnen - wie alle anderen Berufsgruppen auch - in Ost und West fair für ihre Leistungen vergütet werden. Hierauf hat der Gesetzgeber konkret allerdings keinen Einfluss, da die Aushandlung der Vergütung Sache der Selbstverwaltungspartner ist. In diesem Zusammenhang begrüßen ich auch, dass die Vertragsverhandlungen im Heilmittelbereich seit 2009 schiedsstellenfähig sind (§ 125 Abs. 2 SGB V). Dies macht die Verhandlungsposition für die ErgotherapeutInnen günstiger.

Meines Wissens nach haben der Bundesverband für ErgotherapeutInnen in Deutschland und der LSV-Spitzenverband zur Versorgung der Versicherten der Landwirtschaftlichen Krankenkassen im Jahre 2009 einen Rahmenvertrag geschlossen, der eine bundesweit einheitliche Vergütung der Leistungen vorsieht. Ich kann den Vertrag inhaltlich kaum daraufhin bewerten, ob seine Inhalte den ErgotherapeutInnen wirklich entgegen kommen. Doch zeigt dieses Beispiel zumindest, dass auf dem Verhandlungswege offenbar Lösungen möglich sind, die Vergütungsunterschiede zu beseitigen.

Außerdem sind die Verdienstmöglichkeiten von Ergotherapeuten wesentlich vom Verordnungsverhalten der Ärzte abhängig. Im Jahr 2009 betrugen die Ausgaben der GKV für den Heilmittelbereich 4,5 Milliarden Euro. Die Ausgaben stiegen damit im Vergleich zum Vorjahr um 2,3% (Heil- und Hilfsmittelreport 2010 der Barmer-GEK). Zumindest für die Versicherten der Barmer-GEK sind dabei die Ausgaben für die Ergotherapie in Sachsen-Anhalt von 2008 zu 2009 um 32,65% gestiegen. Laut Heilmittelbericht 2010 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) steigen die Heilmittelausgaben seit 2004 kontinuierlich an.

Die Zahlen zeigen, dass der Bedarf an Heilmitteln, also auch an ergotherapeutischen Leistungen, steigt. Es fließen jährlich mehr Mittel in diesen Bereich.

Zu 4.) Die Medizinische Fakultät der Universität Halle-Wittenberg bietet ab dem Wintersemester 2007/08 ein konsekutives (aufeinander aufbauendes) Studienprogramm in "Gesundheits- und Pflegewissenschaften" an. Es führt die verschiedenen Berufsgruppen (Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege, Kinderkrankenpflege, Hebammenwesen, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Diätassistenz und Medizinisch-therapeutische-Assistenz) zu international anerkannten berufsbildenden Abschlüssen (‚Bachelor of Science’ und ‚Master of Science’, ‚Doctor rerum medicarum’).
Wie in anderen Gesundheitsberufen auch, z.B. der Pflege, sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN natürlich auch in der Ergotherapie offen für Akademisierungsbestrebungen. Alle Gesundheitsberufe brauchen mehr akademische Expertise, sowohl für die wissenschaftliche Seite (Forschung etc.) als auch für die Berufspraxis (z.B. für Leitungs- und Steuerungsfunktionen). Ob das gesamte Berufsbild, d.h. die gesamte Ausbildung akademisiert werden sollte, muss man diskutieren. Wir werden hier einen guten Mix aus verschiedenen Qualifizierungsniveaus brauchen, um die Versorgung auch weiterhin sicherzustellen.

In der vergangenen Wahlperiode hat die große Koalition auf Bundesebene einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem es verschiedenen Gesundheitsberufen, so auch der Ergotherapie, ermöglicht wird, in Form von Modellen Ausbildungsinhalte auch an Hochschulen zu vermitteln (BT-Drs. 16/9898). Die grüne Bundestagsfraktion hat das Gesetz im Grundsatz natürlich begrüßt, sich bei der Abstimmung wegen diverser Mängel in den Details aber letztlich enthalten. Soweit mir bekannt ist, gibt es derzeit jedoch noch keine Übersichten, inwieweit diese Modelle inzwischen umgesetzt wurden.

Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Weihrich