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Cem Özdemir
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Frage von Wilhelmine R. •

Warum gibt es bei der Nordseefischerei diese schrecklichen Zustände, wie im Bericht von Report Mainz, am 14.12. ausgestrahlt?

Sehr geehrter Herr ,
ich bin entsetzt und erschüttert über die gezeigten Aufnahmen in o. G. Sendung. Der Tierschutz wird wortwörtlich mit Füssen getreten, der Beifang nicht angelandet, sondern im Meer „entsorgt“ und geht dort elendig ein, die Fische, welche sich zum Verzehr eignen, werden noch lebend aufgeschlitzt und ausgeweidet. Für weitere Schilderungen fehlen mir die Worte.
Ich bitte Sie, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um diese Art der Tierquälerei zu beenden.
Ich darf noch anmerken, dass ich Sie sehr schätze und Ihnen für Ihre Aufgabe gutes Gelingen und viel Kraft wünsche.
Mit freundlichen Grüßen,
Wilhelmine Rietzler

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Tierschutz ist ein zentrales Thema für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). So hat die Bundesregierung im Juni 2023 erstmalig eine Tierschutzbeauftrage mit der Aufgabe eingesetzt, die Weiterentwicklung des Tierschutzes zu fördern. Das Ziel eines verbesserten Tierschutzes, für welches sich das BMEL auf EU-Ebene einsetzt und das es bei der nationalen Umsetzung des EU-Rechts verstärkt mit einbezieht, umfasst auch den Bereich der Fischerei und Aquakultur. Darüber hinaus arbeitet das BMEL auf eine EU-weite ökologisch sowie wirtschaftlich nachhaltige Fischerei hin. Zuletzt konnte das BMEL beispielsweise erfolgreich einen Passus zu notwendigen Verbesserungen beim Tierschutz in der Fischerei und in der Aquakultur in die Präsidentschaftsschlussfolgerungen zum sogenannten Fischereipaket der EU-Kommission einbringen.

Zu den einzelnen Punkten des Berichts

i.            Hohe Mengen an (ungenutztem) Beifang und die Unwirksamkeit der Anlandepflicht

Wie der Report richtig dargestellt, haben bestimmte Fischereien Beifang, der nach der EU-Fischereigrundverordnung ((EU) Nr. 1380/2013, Art. 15) prinzipiell anzulanden ist. Dabei ist zu beachten, dass Beifang nicht pauschal nur aus für die Fischerei unerwünschten Arten besteht. So kann Beifang aus vermarktungsfähigen und regelmäßig beigefangenen Arten zusammengesetzt sein. In der in dem Beitrag gezeigten Fischerei auf Seezunge (eine Plattfischart) werden beispielsweise oftmals andere Plattfischarten (z.B. Schollen) beigefangen, die, wie auch die Zielart Seezunge, angelandet und vermarket werden können. Um u.a. Beifänge in bestimmten Fischereien verringern zu können, fördert Deutschland die Entwicklung alternativer und selektiverer Fanggeräte im Rahmen gezielter Forschungsprojekte und setzt sich u.a. in den zuständigen EU-Regionalgruppen für die Umsetzung integrierter und wissenschaftsbasierter Maßnahmen ein.

Für bestimmte Fischereien, einschließlich der Fischerei auf Seezunge mit grundberührendem Gerät in der Nordsee ((EU) Nr. 2020/2014), bestehen begrenzte Ausnahmen von der Pflicht zur Anlandung Bestimmte Fänge dürfen wieder in das Meer rückgeworfen werden, etwa dann, wenn hohe Überlebenschancen für die rückgeworfenen Arten nachgewiesen wurden. Auch hier sind Seezunge und Scholle gute Beispiele.

Solche Ausnahmen von der Anlandepflicht sind gemeinsam von den betroffenen EU-Mitgliedstaaten (z.B. Nordseeanrainerstaaten) wissenschaftsbasiert und fischereispezifisch zu beantragen. Sie werden sodann von einem Wissenschaftsgremium der EU-Kommission evaluiert und im Fall positiver Begutachtung von der EU-Kommission verabschiedet.

ii.           Fehlende Überwachung bzw. Kontrolle der Fischerei

Die Umsetzung und Kontrolle der Anlandepflicht sollte auf EU-Ebene kontinuierlich verbessert werden. Die novellierte EU-Fischereikontrollverordnung, auf die sich der Rat und das Europäische Parlament im Mai 2023 geeinigt haben enthält dahingehend wichtige Neuerungen. Künftig soll bei größeren, besonders risikobezogenen Fahrzeugen die Anlandung unerwünschter Beifänge mittels Kameras an Bord verbessert überwacht werden.

iii.          Mangelnder Tierschutz in der Fischerei (Tötung und Transport)

Für die Betäubung oder Tötung von Fischen dürfen nur bestimmte Betäubungs- oder Tötungsverfahren mit weiteren Maßgaben angewendet werden. Die nationale Tierschutz-Schlachtverordnung sieht zwar eine Ausnahme für den Massenfang von Fischen von der Pflicht zur Betäubung vor, dies gilt aber nur, soweit es auf Grund des Umfangs und der Art des Fangs nicht zumutbar ist, eine Betäubung vorzunehmen. Das im Bericht gezeigte Abschneiden von Flossen und das Aufschneiden und Ausnehmen noch lebender Fische verstößt gegen den in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 verankerten Grundsatz, dass bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten die Tiere von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leid zu verschonen sind.

Grundsätzlich unterstützt das BMEL Bestrebungen eines verbesserten Tierschutzes in der Fischerei und Aquakultur. Begrüßt wird in diesem Zusammenhang die in den oben genannten Präsidentschaftsschlussfolgerungen aufgenommene Aufforderung an die EU-Kommission, Handlungsempfehlungen für einen verbesserten Tierschutz, unter Berücksichtigung der praktischen Umsetzbarkeit im Fischerei- und Aquakulturmanagement, vorzulegen.

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