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Carsten Sieling
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Frage von Hildegund M. •

Frage an Carsten Sieling von Hildegund M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Sieling,

Sie sind Kandidat für die Bundestagswahl in unserem Wahlbezirk. Um uns bei einer Wahlentscheidung zu helfen, bitte ich Sie folgende Fragen zu beantworten:

1. Abschaffung aller Atomwaffen

* Wie stehen Sie zur Frage der US-Atomwaffen in Deutschland und zur nuklearen Teilhabe Deutschlands? Welchen Sinn haben diese Waffen aus Ihrer Sicht nach dem Ende des Kalten Kriegs?
* Wird Ihre Partei im Falle von Koalitionsverhandlungen den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland im Koalitionsvertrag festschreiben?

2. Ausstieg aus der Atomenergie/Erneuerbare Energien

* Wird Ihre Partei den Atomausstieg nach dem derzeit geltenden Atomgesetz fortsetzen?
* Werden Sie sich dafür einsetzen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so fortzuschreiben, dass insbesondere der dezentrale Ausbau der Photovoltaik und der Windenergie "in Bürgerhand" beschleunigt wird?

3. Beendigung des Afghanistan-Krieges

* Würden Sie Ende des Jahres für oder gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan stimmen?
* Angesichts der Lage in Afghanistan, wie stehen Sie zur zivil-militärischen Zusammenarbeit (CIMIC)?

4. Schutz von Flüchtlingen und Bekämpfung von Flucht-Ursachen

* Wie stehen Sie zu einem Bleiberecht für besonders schutzbedürftige, traumatisierte Flüchtlinge?
* Wo sehen Sie Deutschland in der Verantwortung für wichtige Flucht-Ursachen (Krieg, Verelendung, Umweltzerstörung) und was wollen Sie als Abgeordnete/r diesbezüglich tun?

Mit freundlichen Grüßen,

Dr.med. Hildegund Mikoteit
für die Regionalgruppe Bremen der IPPNW ( Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.)

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Mikoteit,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich hiermit gerne beantworte:

1) Abschaffung aller Atomwaffen:
Ziel der SPD ist und bleibt eine Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen. Das heißt selbstverständlich auch, dass wir uns für den Abzug aller Nuklearwaffen aus Europa einsetzen und für ein atomwaffenfreies Deutschland eintreten. Fast zwanzig Jahre nach Ende des Kalten Krieges sind immer noch rund zwei Dutzend Atomwaffen auf dem Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Büchel stationiert. Die Position der SPD ist eindeutig: Sowohl im Hamburger Grundsatzprogramm als auch in unserem Regierungsprogramm fordern wir den Abzug sämtlicher Atomsprengköpfe, die auf deutschem Boden bzw. in Europa lagern. Erst zum Jahrestag des Atombombenabwurfs am 6. August 1945 über Hiroshima hat der Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Rolf Mützenich fraktionsübergreifend (mit Ausnahme der CDU) und zusammen mit der Friedensbewegung den „Kölner Appell“ initiert. Ziel war es die Abrüstungspolitik wieder stärker in den parlamentarischen Raum zu tragen, um damit auch die Initiativen des US-Präsidenten Barack Obama für eine nuklearwaffenfreie Welt zu unterstützen.

2) Ausstieg aus der Atomenergie und Erneuerbare Energien:
Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise wird der, gemeinsam mit der Industrie, unter Rot-Grün ausgehandelte Atomausstieg massiv in Frage gestellt.
Die Unionsparteien meinen mit dem Ausstieg aus dem Atomausstieg einen echten Wahlkampfschlager gefunden zu haben. In Verkennung der Wirklichkeit nennt der Generalsekretär der CDU die Kernkraft „Öko-Energie“. Sie sei billiger, umweltfreundlicher und sicher. Gleichzeitig schwadronieren konservative Medien über „Die sieben Mythen von der bösen Atomkraft“. Die jüngsten Entwicklungen strafen die Atomlobbyisten Lügen. 2006 kam es im schwedischen Forsmark zu einem beinahe Super-Gau. Zweimal brannte es vor den Toren Hamburgs im Atomkraftwerk Krümmel. Die Kette der Unfälle in deutschen Atomkraftwerken reißt seither nicht ab. Auch die Endlagerfrage für Atommüll ist bisher weltweit ungelöst. Das Endlager-Forschungsbergwerk Asse II kommt nach nur 30 Jahren der Einlagerung nicht aus den Negativ-Schlagzeilen. Eine sichere Endlagerung gibt es nicht. Mit der SPD wird es keinen Ausstieg aus dem Atomausstieg geben. Deutschland muss am Atomausstieg festhalten, alles andere wäre ein gefährlicher Rückschritt, der auch wirtschaftspolitisch unsinnig und fatal ist. Der alte Slogan „Atomkraft - Nein Danke“ ist aktueller denn je. Denn mit Atomstrom kann man weder Häuser heizen noch Auto fahren. Die Abhängigkeit von Öl und Erdgas würde trotz neuer Atomkraftwerke bestehen bleiben. Für mich ist völlig klar: Die Zukunft im Energiemix gehört den erneuerbaren Energien. Gerade unser Bundesland Bremen gehört im Bereich der Windenergie zu den Top-Standorten in Deutschland. Bei uns sind viele Tausend Arbeitsplätze neu entstanden. Der weltweite Klimaschutz braucht solche Technologien "Made in Germany". CDU/CSU gefährden mit ihrer neuen Kampagne für Atomkraftwerke Mensch und Umwelt und verursachen dadurch, dass weitere, dringend benötigte Investitionen in neue Energie- und Effizienztechnologien schon jetzt ausbleiben.

3) Beendigung des Afghanistan-Krieges:
Mir ist die Erfüllung von zwei Mindestanforderungen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr besonders wichtig: Zum einen müssen die Einsätze durch ein Mandat der Vereinten Nationen völkerrechtlich abgesichert sein und dem Aufbau der Zivilgesellschaft dienen. Wenn in der Auseinandersetzung zunehmend die militärische Logik greift, muss genau darauf geachtet werden, dass das UN-Mandat nicht in eine Kriegsauseinandersetzung mündet. Der aktuelle Vorfall im Kundus unterstreicht die Wichtigkeit dieser Vorgaben. Deshalb ist zum anderen die Einbettung in eine politische Gesamtstrategie in den jeweiligen Ländern unabdingbar. Unser Ziel muss es sein, dass die afghanische Regierung Sicherheit und Stabilität in Afghanistan aus eigener Kraft gewährleistet und die Menschenrechte dauerhaft gewahrt sind. Je schneller wir diese Ziele erreichen, desto schneller können wir das militärische Engagement in Afghanistan beenden. Mit der Neuverhandlung des „Afghan Compact“ mit der neuen afghanischen Regierung im nächsten Jahr, würde ich mir wünschen, dass zwischen der internationalen Gemeinschaft und den Afghanen klare Voraussetzungen und Ziele sowie - nach Möglichkeit - ein konkreter Fahrplan für einen Abzug festgelegt werden. Einen kopflosen Abzug aus Afghanistan halte ich jedoch für unverantwortlich. Realistisch ist der Vorschlag von Außenminister Frank-Walter Steinmeier bis 2013 die Voraussetzungen für einen Abzug der Bundeswehr zu schaffen. Das unterstütze ich.

4) Schutz von Flüchtlingen und Bekämpfung von Flucht-Ursachen:
Wir Sozialdemokraten treten dafür ein, dass Menschen, die vor Verfolgung oder Diskriminierung aus ihrer Heimat fliehen müssen, in Deutschland Schutz und Zuflucht finden und schließlich auch einen gesicherten Aufenthaltstatus bekommen.
Aus diesem Grund setzt sich die Bremer SPD-Fraktion aktuell dafür ein, dass die sog. Altfallregelung der §§ 104a, 104b Aufenthaltsgesetz für geduldete Ausländerinnen und Ausländer durch den Bundesgesetzgeber gesetzlich verlängert wird, damit die davon Betroffenen nicht wieder in den Status der Duldung zurückfallen, weil sie aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise keine existenzsichernde Arbeit finden oder sie wieder verlieren. Deshalb haben wir durch einen Antrag in der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) den Senat aufgefordert, eine Bundesratsinitiative für die Verlängerung der Frist der gesetzlichen Altfallregelung nach §§ 104 a Abs. 5 S. 2 AufenthG zu ergreifen. Leider steht zu befürchten, dass die CDU, die auch in Bremen die Initiative nicht mitgetragen hat, auf Bundesebene die geforderte gesetzlich Fristverlängerung ebenfalls blockieren wird. Uns ist sehr wohl auch bewusst, dass traumatisierte Flüchtlinge und insbesondere (unbegleitete) Kinder gezielte Unterstützung brauchen, weil sie nicht in der Lage sind ihre Existenz selbst zu sichern. Vor diesem Hintergrund weiß die SPD die Arbeit, die das Projekt Refugio auf diesem Gebiet in Bremen und anderswo seit vielen Jahren leistet, sehr zu schätzen. Um die Situation des Aufenthaltsstatusses dieser Menschen zu verbessern, haben wir in Bremen im Dezember 2005 eine Härtefallkommission eingerichtet, die sich der Fälle annehmen kann, in denen uns als Landesgesetzgeber die Hände gebunden sind, weil es sich bei vielen Rechtsgrundlagen um Bundesrecht handelt. Ich hoffe, dass sich zukünftig auf Bundesebene Mehrheiten dafür bilden lassen, traumatisierten Flüchtlingen durch einen gesetzlich gesicherten verlässlichen Aufenthaltsstatus zu schützen.

Deutschland als eine der führenden Wirtschaftsnationen trägt eine besondere Verantwortung in der Weltgemeinschaft. Friedenspolitik und Entwicklungspolitik haben in der SPD eine lange Tradition. In der Tradition von Willy Brandt lautet der Gestaltungsauftrag für uns Sozialdemokraten daher: Soziale Gerechtigkeit schaffen und globale Armut bekämpfen sowie die Globalisierung sozial und ökologisch gestalten sowie den Frieden nachhaltig sichern. Armut und die Flucht davor lässt sich aber nur durch eine nachhaltige Entwicklung vor Ort bekämpfen. Dafür brauchen die südlichen Länder faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die EU hat beschlossen, bis 2013 Agrarsubventionen abzubauen. Im Rahmen der WTO-Entwicklungsrunde stehen wir Sozialdemokraten für eine bessere Teilhabe der ärmeren Länder am Welthandel, den Abbau von Agrarexportsubventionen und die verbindliche Festschreibung von sozialen und ökologischen Mindeststandards im WTO-Regelwerk. Gezielte und partnerschaftlich organisierte Entwicklungshilfe spielt für mich auch weiterhin eine wichtige Rolle. Hierfür halte ich ein eigenständiges Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit für unabdingbar.

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Sieling