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Britta Haßelmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jean-Luc E. •

Wird unser Land die Kriegsverbrechen Russlands "vergessen", wenn der Krieg endet?

Sehr geehrte Frau Haßelmann,

heute hat Russland bei hellstem Tag u.A. ein Kinderkrankenhaus in Kyiv beschossen.

Diese unerträglichen Verbrechen geschehen jeden Tag. Trotzdem finden wir immer wieder neue rote Linien, die nicht übertreten werden dürfen, und zwar für die Ukraine! Es entsteht der Eindruck, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Vielleicht, weil wir immer noch Interesse an Handelsbeziehungen mit Russland haben? Wie lässt sich von der aktuellen Regierung sicherstellen, dass die nächste Regierung (bzw. bei Kriegsende) das unsagbare tägliche Leid der Zivilbevölkerung nicht "vergessen" (weil wieder lukrative Geschäfte winken?)? M.E. kann es eine "Rückkehr zur Normalität" (zB Aufhebung aller Sanktionen) selbst dann nicht geben, wenn Putin morgen entscheiden würde, sich vollständig aus der Ukraine zurück zu ziehen. Wie wird unser Land handeln, wenn der Krieg vorbei ist? Wie stellen wir sicher, dass kein Verbrechen unbestraft bleibt?

Viele Grüße,

Jean-Luc Eschenbach

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr E.,

die Ukraine muss sich seit dem 24. Februar 2022 dem brutalen Angriffskrieg Wladimir Putins erwehren. Der Beschuss des Kinderkrankenhauses in Kyiv ist dabei leider nur eines unter vielen Kriegsverbrechen, die das russische Regime zu verantworten hat. Dieser Krieg ist in erster Linie ein Angriff auf die Ukraine, aber auch einer auf die europäische Sicherheits- und Friedensordnung. Es ist deswegen so wichtig, dass Deutschland und die Europäische Union unmittelbar und geschlossen reagiert haben und die Ukraine bis heute in ihrem Verteidigungskampf mit humanitären, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln unterstützen. Wir Grüne sind dabei einer der lautesten Fürsprecher dafür, die Ukraine so vollumfänglich wie möglich zu unterstützen, ohne dass sich der Krieg aber ausweitet. 

Wir unterstützen auch die zahlreichen Sanktionspakete, die die Europäische Union infolge des anhaltenden Angriffskriegs gegen Russland beschlossen hat. Das 14. Sanktionspaket von Juni 2024 zielte zuletzt darauf ab, besser gegen die Umgehung von bereits bestehenden Sanktionen vorgehen zu können. Die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen sind insgesamt erheblich: Nach Angaben der Europäischen Kommission betraf das Verbot der EU seit Februar 2022 Waren im Wert von 48 Mrd. €, die nach Russland ausgeführt worden wären, und Güter im Wert von 91,2 Mrd. €, die aus Russland eingeführt worden wären.

Wirtschaftliche Sanktionen sind nur eine der nötigen Konsequenzen, die der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben muss. Die juristische Aufarbeitung von Völkerrechtsverbrechen und Völkerstraftaten muss sichergestellt werden.  Diese müssen von der Justiz aufgeklärt werden und die Täterinnen und Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Auf nationaler Ebene und EU-Ebene gibt es folgende Möglichkeiten: 

Auf nationaler Ebene führt die Generalbundesanwaltschaft seit März 2022 sog. Strukturermittlungsverfahren wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine durch. Das bedeutet, dass Beweise gesammelt und gesichert werden - zunächst ohne einen konkreten Personenbezug. Erhärtet sich ein Verdacht, wird Anklage erhoben. 

Des Weiteren hat der Bundestag in diesem Jahr das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) und das Strafprozessrecht modernisiert und damit an die aktuellen Entwicklungen auf der internationalen Ebene angepasst. Das VStGB wurde seit seinem Inkrafttreten 2002 nicht mehr signifikant überarbeitet.

Auf europäischer Ebene werden von der EU-Behörde Eurojust mögliche Völkerrechtsverbrechen untersucht und Beweise für mögliche Völkerstraftaten gesammelt. 

Auch der Internationale Strafgerichtshof führt Ermittlungen bezogen auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine durch.

Weiterhin wird unter der Schirmherrschaft des Europarates und mit Beteiligung Deutschlands daran gearbeitet, dass Putin und seine Führung für den Krieg in der Ukraine zur Rechenschaft gezogen werden. Die Beratungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen, da es sich um ein rechtlich und politisch komplexes Vorhaben handelt. Dies ist aber nicht unsere einzige Anstrengung. Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sowie die Grüne Bundestagsfraktion setzen sich ebenso für eine weitere Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs und für eine Reform des Römischen Statuts ein. Russlands Angriff auf die Ukraine darf nicht straflos bleiben. Die Völkerrechtsverbrechen müssen geahndet werden.

Mit besten Grüßen

Team Haßelmann

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