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Frage von Ludwig S. •

Frage an Barbara Steffens von Ludwig S. bezüglich Gesundheit

Fragen:
1. In den letzten 10 Jahren sind ca 50000 Pflegestellen weggefallen. Die Krisensituation ist bekannt. Eine Lösung intendierte das Pflegeförderprogramm. Aber sowohl die mangelnde Nutzung sowie die steigende Belegungszahlen gleichen den positiven Effekt aus. Werden Sie sich für eine Verbesserung der Situation der Pflege auf Landes-, Bundes- und Einrichtungs- Ebene einsetzen? Wie wollen Sie das machen? Mit welchen Vorschlägen?
2. Bei neueren Erhebungen zur Pflegequalität stellt sich heraus, dass eine gute Pflegequalität häufig nicht mehr gewährleistet ist. Eine Untersuchung an 9 Akutkrankenhäusern und Psychiatrien im Raum Köln/Bonn hat ergeben, dass nur 4,3% immer der Pflegestandard einhalten können ( http://www.menschenwuerdigepflege.de ). Würden Sie sich für eine verbindliche (ausreichende) Personal-Pflege-Verordnung einsetzen (PPV), die die Einhaltung der Pflegestandards gewährleistet?
3. Die erlebte Diskrepanz zwischen gelernten Pflegeanforderungen und dem erfahrenen Pflegealltag, Stress durch Unterbesetzung, mangelnde gesellschaftliche Anerkennung und eine im Verhältnis zur Qualifikation zu geringe Bezahlung machen die Wahl des Pflegeberufes für junge Menschen unattraktiv. Wir haben jetzt schon einen Pflegekräftemangel vor allem in den Ballungsgebieten, der sich in Zukunft noch verstärken wird. Welche Maßnahmen halten Sie für erforderlich, um dieser Entwicklung entgegen zu wirken?

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Bündnis 90/Die Grünen

Frage :
1. In den letzten 10 Jahren sind ca 50000 Pflegestellen weggefallen. Die
Krisensituation ist bekannt. Eine Lösung intendierte das Pflegeförderprogramm. Aber sowohl die mangelnde Nutzung sowie die steigende Belegungszahlen gleichen den positiven Effekt aus. Werden Sie sich für eine Verbesserung der Situation der Pflege auf Landes-, Bundes- und Einrichtungs- Ebene einsetzen? Wie wollen Sie das machen? Mit welchen Vorschlägen?

Antwort 1:
Die angespannte wirtschaftliche Situation vieler Krankenhäuser hat zu Einsparungen insbesondere zu Lasten der Pflege geführt. Insbesondere in der stationären Krankenpflege ist es in den letzten Jahren zu einem starken Personalabbau und damit zu einer hohen Verdichtung der Arbeitsanforderungen gekommen.
Während in den Jahren 1995 bis 2006 die Zahl der Ärtinnen und Ärzte im Krankenhaus noch von 102.000 auf 124.000 angestiegen ist, sank die Zahl der Pflegerinnen und Pfleger in den Krankenhäusern um über 50.000 von 351.000 auf 299.000. Dies hat auch dazu geführt, dass aufgrund der damit verbundenen schlechten Arbeitsbedingungen nicht mehr alle freien Stellen besetzt werden können.

Die Pflegequalität muss wieder stärker in den Vordergrund gerückt werden.
Wir teilen Ihre Auffassung, dass wir zusätzliche Pflegefachkräfte in den Krankenhäusern benötigen. Das angesprochene Förderprogramm Sonderprogramm der Bundesregierung, mit dem 21.000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern eingestellt werden sollen, ist unserer Auffassung nach dafür allerdings ungeeignet. Zum einen erfolgt die Finanzierung der zusätzlichen Pflegekräfte nur anteilig. Einen Teil der Kosten haben die Krankenhäuser zu tragen. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Häuser ist es aber unwahrscheinlich, dass sich sehr viele Häuser zusätzliche Personalkosten aufbürden wollen. Und dies umso mehr, als deren langfristige Gegenfinanzierung nicht gewährleistet ist. Das Programm ist auf die Jahre 2009 bis 2011 befristet. Zwar sollen ab dem Jahr 2012 die zusätzlichen Finanzmittel auch weiterhin im Krankenhausbereich bleiben. Doch ob das zusätzliche Geld dann auch tatsächlich bei den Krankenhäusern ankommt, die zusätzliche Pflegestellen eingerichtet haben, ist höchst ungewiss.

Wir brauchen deshalb eine verlässliche Regelung, die die qualitativen und quantitativen Mindestanforderungen an die Pflege im Krankenhaus beschreibt und hierfür auch personelle Vorgaben macht. Gerade vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft müssen sich die Krankenhäuser mit ihren Angeboten auch stärker auf den Bedarf älterer und pflegebedürftiger Menschen einstellen. Auch dieses muss sich bei den Mindestanforderungen an die Pflege abbilden.
Wir brauchen eine dauerhafte Lösung bei der Personalbemessung. Ein anerkanntes Personalbemessungssystem ist erforderlich, das die notwendigen pflegerischen Arbeiten abbildet.

2. Bei neueren Erhebungen zur Pflegequalität stellt sich heraus, dass
eine gute Pflegequalität häufig nicht mehr gewährleistet ist. Eine Untersuchung an 9 Akutkrankenhäusern und Psychiatrien im Raum Köln/Bonn hat ergeben, dass nur 4,3% immer der Pflegestandard einhalten können ( http://www.menschenwuerdigepflege.de ). Würden Sie sich für eine verbindliche (ausreichende) Personal-Pflege-Verordnung einsetzen (PPV), die die Einhaltung der Pflegestandards gewährleistet?

Antwort 2
Ja. Wie schon in der Beantwortung zu Frage 1 ausgeführt, halten wir ein Personalbemessungssystem für notwendig, das als Grundlage für die Berechnung einer entsprechende Personal-Verordnung dient. Diese wird in einem somatischen Krankenhaus anders aussehen als in einer psychiatrischen Klinik.
So haben wir uns bspw. bei den parlamentarischen Verhandlungen zum Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - kurz KHRG im Bundestag dafür eingesetzt, dass die PsychPV (Psychiatrie-Personalverordnung) verbessert wird. Mit dem KHRG wird nunmehr seit 2009 bestimmt, dass zwischen den Krankenhäusern, die die PsychPV bis zum 31.12.2008 nicht vollständig umgesetzt haben und den Krankenkassen seit 1.1.2009 eine Umsetzung zu 90 Prozent erfolgen muss mit der Möglichkeit darüber hinaus bei Nachweis besonderer Bedarfe eine weitere Finanzierung zu erhalten. Diese Aufwertung der PsychPV haben wir grundsätzlich begrüßt. Dennoch sind weitere Verbesserungen insbesondere auch bei der Umsetzung notwendig.

Für die Akutkrankenhäuser wäre eine verbindliche Personal-Pflege-Verordnung eine Möglichkeit, die personellen Voraussetzungen für eine qualitativ gute Pflege zu sichern. Für solch eine entsprechende Personal- und Qualitätssicherung werden wir uns einsetzen Hierzu gehören auch verbindliche Mindeststandards für Angehörige der Pflegeberufe im stationären und ambulanten Bereich.

3. Die erlebte Diskrepanz zwischen gelernten Pflegeanforderungen und dem
erfahrenen Pflegealltag, Stress durch Unterbesetzung, mangelnde gesellschaftliche Anerkennung und eine im Verhältnis zur Qualifikation zu geringe Bezahlung machen die Wahl des Pflegeberufes für junge Menschen unattraktiv. Wir haben jetzt schon einen Pflegekräftemangel vor allem in den Ballungsgebieten, der sich in Zukunft noch verstärken wird. Welche Maßnahmen halten Sie für erforderlich, um dieser Entwicklung entgegen zu wirken?

Antwort 3:

Die Attraktivität der Pflegeberufe muss gesteigert werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Pflegekräfte mehr Anerkennung erfahren und angemessen und besser bezahlt werden. Nachdrücklich unterstützen wir deshalb Maßnahmen zur grundlegenden Verbesserung der Arbeits- und Personalsituation in der Pflege. Denn eine gute pflegerische Versorgung erfordert auch gute Arbeitsbedingungen. Hierzu gehören auch bessere Personalschlüssel sowie familienverträgliche Arbeitszeitregelungen und zeitgemäße Organisationsmodelle. Ebenso muss der Gesundheitsschutz und die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz in vielen Einrichtungen und Diensten verbessert werden.
Schließlich werden wir uns dafür einsetzen, dass die in der Pflege Tätigen mehr Handlungskompetenzen und mehr Möglichkeiten bekommen darüber hinaus braucht es dringend einen Ausbau an qualitativ hochwertigen flächendeckenden Fort- und Weiterbildungsstrukturen - auch an Hochschulen . Darüber hinaus müssen im ambulanten und stationären Bereich standardisierte Supervisionsprogramm für alle an der Pflege Beteiligten etabliert werden.

Ein Teil der Krankenhäuser bezahlt ihre Beschäftigten unter Tarif. Dies ist nicht hinnehmbar. Hierzu gehört auch eine Entwicklung, bei der die Dienstleistungen, pflegerische und nichtmedizinische Leistungen zunehmend über Personaldienstgesellschaften und Zeitarbeitsfirmen erbracht und damit die Arbeitsbedingungen in Heimen und Krankenhäusern weiter verschlechtert werden. Hier sind auch Politik und Kostenträger gefragt. Die GRÜNEN werden sich auch in der kommenden Legislaturperiode dieses Thema aufgreifen und sich für die Sicherung der regulären Beschäftigung und gute Arbeitsbedingungen engagieren.
Wir werden uns darüber hinaus auch für den Erhalt und den Ausbau der Ausbildungsplätze in der Pflege (Krankenpflege und Altenpflege) einsetzen. Hier wurden in den vergangenen Jahren insbesondere in der Krankenpflege rd.10% der Ausbildungsplätze abgebaut. Diese Entwicklung wollen wir korrigieren. Darüber hinaus setzen wir uns für die Weiterentwicklung der Pflegeberufe hin zu einer gemeinsamen Pflegeausbildung sowie einem Ausbau der akademischen Ausbildungsgänge und die Weiterentwicklung der Pflegewissenschaft ein.

Wir setzen uns für einen gesetzlichen Mindestlohn ein, der immer dann greift, wenn es keine darüber hinaus liegenden tariflichen Vereinbarungen gibt.