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Bärbel Höhn
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Frage von Saskia P. •

Frage an Bärbel Höhn von Saskia P. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Höhn,

mit Verwunderung habe ich Ihre Antwort vom 06.03.09 auf die Frage von Frau Uduwerella gelesen.

Sind Sie nicht auch der Meinung, dass die deutschen Verbrennungsanlagen, die sämtlich die Grenzwerte der 17. BImSchV einhalten müssen, die wiederum auf der EU-Verbrennungsrichtlinie und der IVU-Richtlinie beruhen, zu den umweltverträglichsten Anlagen weltweit gehören? Die ohnehin scharfen Grenzwerte der 17. BImSchV wurden in vielen Genehmigungsbescheiden, gerade in NRW nochmals weiter herabgesetzt. Ein Beispiel dafür finden Sie in Ihrem Wahlkreis.

Sie wissen sicher, dass fast alle MVA in Deutschland und alle Anlagen in NRW das Effizienzkriterium nach der sogenannten R1-Formel der novellierten Abfallrahmenrichtlinie erfüllen und somit auch nach europäischen Maßstäben Verwertungsanlagen sind?

Warum werden sogenannte EBS-Anlagen mit geringeren Anforderungen an den Immissionsschutz genehmigt (z. B. in Rheinberg)?

Sie wissen sicher auch, dass trotz neuer 5-stufiger Abfallhierarchie die stoffliche Verwertung nur dann die optimale Option ist, wenn dafür weniger Energie und Ressourcen aufgewandt werden muß als bei der Herstellung aus Rohstoffen? Sehr sinnvoll ist die stoffliche Verwertung bei PPK, Glas und Metallen. Fragwürdig ist sie dagegen bei bestimmten Verpackungsabfällen aus Kunststoffen. Hier sind die Modelle aus Österreich (ARA) und Frankreich (Eco-Emballage) sehr viel pragmatischer. Das INFA Ahlen hat die Kosten für die Entsorgung der Leichtverpackungen im Auftrag des MUNLV (sie waren damals dort Ministerin) auf ca. 23 Euro je EW und Jahr beziffert. Damit sind wir im Geltungsbereich der EU-Verpackungsrichtlinie die teuersten. In Österreich zahlt man 14 Euro, ohne ökologische Nachteile (Wirtschaftswoche, 15.08.2007). Warum setzten Sie sich nicht für eine ökonomische Optimierung des Systems ein?

Wäre es aus Sicht des globalen Umweltschutzes nicht besser, gefährliche Abfälle aus Australien in modernen Anlagen zu verbrennen anstatt irgendwo?

Grüsse, S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Powell,

Wie Sie zu Recht beschreiben, habe ich in meiner Zeit als Umweltministerin eine ökologische Abfallpolitik in NRW gemacht, die neue Erkenntnisse aufgegriffen und einbezogen hat. Ich würde Sie oder die Mitstreiter aus Ihrem Kreis bei der nächsten Frage bitten, allen die Information zu geben für welches Unternehmen Sie arbeiten und welche Interessen Sie vertreten, weil dies aus Transparenzgründen auch für die Leser wichtig ist zur Einordnung Ihrer Position.
Nach wie vor steht für uns Grüne die Müllvermeidung an erster Stelle, dadurch werden wertvolle Rohstoffe und Energie nicht sinnlos vergeudet. Erst dann kommt für uns das Recyceln und am Ende der Abfallverwertungskette steht für uns die thermische Verwertung durch Müllverbrennung. Müllerverbrennungsanlagen sind aus unserer Sicht ein Element der Abfallwirtschaft. Die Verbrennung von Abfällen unter hohen technischen und emissionsschutzrechtlichen Anforderungen und im besten Fall mit einer Auskopplung von Strom und Wärme ist allemal besser als eine Beseitigung von Abfällen in Deponien.

Mit Sorge betrachten wir aber den gewärtigen Trend, dass überall in der Republik neue Müllverbrennungsanlagen, sei es nun Mitverbrennungs- oder EBS-Anlage geplant werden, oder bereits im Genehmigungsverfahren sind. Steigende Energiepreise waren vielerorts der Grund dafür, in Müllverbrennungsanlagen zu investieren. Hierdurch entstehen oft Überkapazitäten, die von den Zwangsangeschlossenen mit hohen Abfallgebühren bezahlt werden muss.

Warum so genannte EBS-Anlagen mit geringeren Anforderungen an den Immissionsschutz genehmigt werden können, wissen Sie, wenn Sie in den Anlagen der 17. BImSchV nachlesen. Dort sind zulässige Emissionen und einzuhaltende Grenzwerte detailliert geregelt. Diese Ungleichbehandlung nach der Mischungsformel haben wir Grüne mehrfach kritisiert. Dass die MVA in NRW deutlich unter den Grenzwerten liegen, ist einer zur damaligen Zeit sehr aktiven Umweltbewegung geschuldet, die diese Sonderbedingungen bei der Genehmigung im hartnäckigen Kampf erreicht hat. Dass die so genannten EBS-Anlagen und auch die großen MVA bei Erweiterungen nun regelmäßig diese erkämpften hohen Standards nicht mehr erfüllen, ist auch einer neuen Regierung auf Bundes- und Landesebene und weniger Widerstand vor Ort geschuldet.

Mit einem umfassenden ökologischen Ansatz betrachten wir Grünen auch immer den sogenannten ökologischen Rucksack von Produkten oder auch Rohstoffen. Dabei schneidet das stoffliche Recycling in der Regel besser ab als die Wiederbeschaffung von Rohstoffen und deren Neuverarbeitung. Wenn man zum Beispiel die gesamten Kosten der Erdölerkundung, der Verschmutzung(sgefahr) beim Transport (Stichwort: Küste Australiens bei Brisbane) etc. mit einrechnet. Bisher werden externe Kosten zum Beispiel für die Beeinträchtigung der Umweltmedien nicht in die Produktionskosten mit eingerechnet, zahlreiche Folgekosten tragen die Steuerzahler oder nachfolgende Generationen.

Für die ökonomische Optimierung des Systems schlagen wir eine Wertstoffabgabe vor, die auch Wirkung auf einen ressourceneffizienten Umgang bei der Herstellung von Produkten entfalten würde, damit wir verstärkt zu einem Wirtschaften in geschlossenen Kreisläufen gelangen. Eine sehr detaillierte Studie zur Müllverbrennung hat der NABU am 3. März 2009 veröffentlicht. Der Titel der von der prognos AG durchgeführten Untersuchung zu Abfallkapazitäten lautet "Müllverbrennung in Deutschland und Perspektiven bis 2020".

Abfälle aus Australien zur Verbrennung nach Deutschland zu verschiffen, verbraucht eine unverhältnismäßige Menge an Transportenergie und stellt auch immer ein zusätzliches Gefahrenpotenzial dar. Wir treten daher für eine möglichst regionale Entsorgung von Abfällen ein. Im Übrigen habe ich bereits in meiner Antwort vom 6. März gesagt, dass in einzelnen Fällen, wenn eine umweltgerechte Entsorgung im Ursprungsland, etwa einem Entwicklungsland, nicht möglich ist, Sondermüllimporte nach Deutschland nötig sein können. Australien ist aber ein hochentwickeltes Industrieland und in der Lage, seine Abfälle selbst zu entsorgen und es sollte das deshalb auch tun.

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Höhn