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Bärbel Höhn
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Frage von Claus B. •

Frage an Bärbel Höhn von Claus B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Höhn,

in ihrem aktuellem Bericht beschuldigt die Organisation OXFAM die Industriestaaten, durch ihre Biospritpolitik für die Teuerung der Nahrungsmittel (bis zu 30 %) und damit für die Verarmung von 30 Millionen Menschen verantwortlich zu sein.

Was sagen Sie dazu? Wie könnte dem Abhilfe geleistet werden?

Mit freundlichen Grüßen,

Claus Blauer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Blauer,

vielen Dank für Ihre Frage. Das ist in der Tat auch ein Thema, das mich sehr besorgt. Die Preise für Nahrungsmittel sind extrem angestiegen, laut der Welternährungsorganisation FAO in den letzten 9 Monaten um 45%. Insbesondere Länder, die stark vom Import abhängig sind, sind betroffen. Arme Bevölkerungsschichten vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern, die bislang schon bis zu 80% ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben haben, können sich nun nicht mehr ausreichend versorgen.

Wie stark die Agrostrit-Produktion dafür verantwortlich ist, darüber gibt es unterschiedliche Zahlen. Aber Tatsache ist, dass auch sie einen Anteil an den Preissteigerungen hat. Die Ursachen für das Problem der dramatisch ansteigenden Lebensmittelpreise sind vielfältig: Es ist zu kurz gegriffen, allein die steigende Nachfrage nach Biosprit für die Preissteigerungen verantwortlich zu machen. Bislang werden auf 2% der weltweiten Anbaufläche Energiepflanzen angebaut.

Viel gravierender ist das Thema Fleisch. 30% der Fläche wird für die Fleischproduktion gebraucht, mit steigender Tendenz. Um eine Kalorie Fleisch zu erzeugen, braucht man drei bis sieben pflanzliche Kalorien für die Fütterung der Tiere.

Wichtige Gründe für die steigenden Lebensmittelpreise sind auch die Agrarpolitik der EU und Nordamerikas, mit ihren zerstörerischen Exportsubventionen und Zolllinien und die gestiegenen Energiepreise.

Wir Grüne gehören von Anfang an zu den entschiedensten Befürwortern von nachwachsenden Rohstoffen und Bioenergien, aber gerade deshalb wenden wir uns mit Nachdruck gegen Fehlentwicklungen, die die ökologischen und sozialen Probleme verschlimmern, statt sie zu verbessern. Die Einfuhr von Bioenergien und anderen landwirtschaftlichen Produkten, deren Erzeugung mit Raubbau am Regenwald und der Biodiversität einhergeht, lehnen wir Grünen daher entschieden ab. Solange in Exportländern eine glaubwürdige Zertifizierung und Kontrolle nicht gewährleistet ist, muss der Import nach Europa ausgeschlossen sein.

Wir sehen daneben bei begrenzten Anbau Bioenergien als Möglichkeit, Klimaschutz und Energiesicherheit zu verbinden mit neuen Impulsen für eine umwelt- und sozialverträgliche ländliche Entwicklung bei uns und in den Ländern des Südens. Die Politik ist gefordert, klare Regeln für Bioenergien zu erarbeiten, die dafür sorgen, dass die energetische Nutzung von Biomasse weder das Hungerproblem verschärft noch zu Lasten der biologischen Vielfalt geht. Bioenergien müssen außerdem ganz klar eine signifikante Nettoeinsparung von Treibhausgasen im Vergleich zur fossiler Energienutzung bewirken. In Indonesien, wo jedes Jahr große Flächen Regenwald für die Palmölproduktion abgeholzt werden, wird zum Beispiel durch die Abholzung ein Vielfaches an klimaschädlichen Gasen freigesetzt, als durch den Einsatz von Palmöl wieder eingespart wird.

Wichtig ist, dass Bioenergien auch den Anbauländern wirtschaftliche und ökologische Vorteile bringen. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, umgehend in diesem Sinne gegenüber EU und WTO tätig zu werden.

Die Nachhaltigkeitskriterien müssen allerdings für die gesamte Agrarproduktion gelte, denn momentan funktioniert der Verdrängungsprozess eher so, dass zum Beispiel neue Zuckerrohrfelder in Brasilien Weideflächen verdrängen. Auf der anderen Seite wird dann aber wiederum Regenwald für Weiden und Sojafelder gerodet. Das Verhältnis der landwirtschaftlichen Fläche in Brasilien ist übrigens folgendermaßen: auf gut 6 Mio. ha wächst Zuckerrohr (davon die Hälfte für Bioenergien), 220 ha ist Weideland und auf 23 Mio. ha wächst Soja, dessen Sojaschrot als Viehfutter verwendet wird.

Sehen Sie sich auch bitte unseren Fraktionsbeschluss zu "Bioenergien nachhaltig gestalten" an, den ich maßgeblich mit verfasst habe. http://www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/207/207755.beschluss_bioenergie.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Höhn