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Antje Tillmann
CDU
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Frage von Corina K. •

Frage an Antje Tillmann von Corina K. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Frau Tillmann,
sie sind finanzpolitische Sprecherin der CDU.
Die CDU war die Partei, die schnell eine große EU wollte, die schnell den Euro wollte, die gesagt hat, dass wir in der Welt besser gemeinsam bestehen können. Nun, da unsere Partner in der EU wirklich unsere Unterstützung brauchen und sich günstig Geld leihen müssen, wegen der Corona-Krise, da will Deutschland Corona-Bonds verhindern, um seine eigenen Zinsen am Weltmarkt niedrig zu halten.
Wie weit sind sie bereit, dies Haltung Deutschland first durchzuziehen? Wir brauchen die Partnerschaft doch mehr als die anderen. Wir leben vom Export und haben immense Überschüsse erwirtschaftet. Ist die CDU/CSU wirklich bereit auf eine gute Zusammenarbeit zu verzichten, vielleicht auf Jahrzehnte? Oder gar die EU aufs Spiel zu setzen? Wie wollen sie das je wieder befrieden?
In tiefer Entäuschung ein Wähler aus ihrem Wahlkreis.
K.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Köhler,

danke für Ihre Anfrage zum Thema Corona-Bonds.

Deutschland ist solidarisch

Deutschland ist sich seiner Verantwortung für Europa sehr wohl bewusst. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie und zum Kampf gegen die dramatischen wirtschaftlichen Folgen gibt es ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen arbeiten eng zusammen, um den besonders betroffenen Staaten schnell und unverzüglich zu helfen. Deutschland leistet hier einen enormen Beitrag – auch ohne Corona-Bonds.

Die Hilfe beginnt bei der unmittelbaren Unterstützung im Gesundheitsbereich. Deutschland hat über 200 Patienten mit dem Bedarf intensiv-medizinischer Betreuung aus Italien, Frankreich und den Niederlanden aufgenommen. Weitere Betten werden in Deutschland für ausländische Corona-Patienten freigehalten. Deutschland hat 7 Tonnen Hilfsgüter nach Italien geschickt. Ärzteteams sind nach Italien und Spanien entsandt worden.

Deutschland ist mit seiner starken Wirtschaft Stabilitätsanker der europäischen Gemeinschaftswährung, deren Vorteile allen Mitgliedern der Eurozone zu Gute kommen. Deutschland ist größter Garantie- und Kapitalgeber für die europäischen Rettungsschirme EFSF und ESM. Damit sichert Deutschland das beste Rating AAA und damit niedrige Zinsen für diese Institutionen, ohne selbst Mittel aus diesen Fonds in Anspruch zu nehmen. Deutschland hat etwa rund 19% des Kapitals der Europäischen Investitionsbank (EIB) bereitgestellt, empfängt aber selbst weniger als 8% der Förderkredite. Deutschland ist mit rund 25% größter Zahler im EU-Haushalt, erhält aber selbst weniger als 10% der Ausgaben als Rückflüsse aus dem EU-Haushalt.

Den besonders stark betroffenen Ländern muss unverzüglich geholfen werden, ohne in zeitraubende Verhandlungen über Rechtsfragen und Vertragsänderungen einzusteigen, die lange Rechtsunsicherheit zur Folge hätten, wie das bei Corona-Bonds der Fall wäre. Die Hilfsmaßnahmen müssen bei diesen bereits bestehenden Institutionen ansetzen. Damit kann ohne Corona-Bonds zielgenau Hilfe geleistet werden. An diesen Maßnahmen trägt Deutschland einen besonders hohen Anteil.

Es gibt keine Probleme beim Marktzugang

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Staaten Probleme bei ihrem Marktzugang haben. Die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen liegen weit unter 2% und damit sogar unter dem Niveau von vor einem Jahr. Italien hat in den letzten Tagen erfolgreich mehrere Anleiheemissionen am Markt untergebracht. Die EZB garantiert mit ihrem Anleihekaufprogramm den weiteren Marktzugang. Ein Ende dieser geldpolitischen Maßnahme ist nicht absehbar. Die Zinsersparnis von Corona-Bonds für die betroffenen Staaten ist angesichts der geringen Risikoaufschläge und der EZB-Anleihekäufe gering.

Programmbindungen und Kontrolle flexibilisiert

Der ESM sieht eine vorsorgliche Kreditlinie vor, die rasch im Umfang von 2% des BIP der Eurozone bzw. 240 Mrd. € zur Verfügung stehen könnte. Konditionalität ist ein zentraler Bestandteil für den ESM. Im Grundsatz bleibt das auch so. Im Zusammenhang mit Hilfen im Zuge der Corona-Pandemie haben wir gerade diese massiven Eingriffe in nationale Entscheidungen aber aufgehoben. Das Empfängerland muss lediglich zusagen, die ESM-Mittel zur Unterstützung der Finanzierung des Gesundheitswesens und von Maßnahmen der Prävention im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu verwenden.

Europäische Investitionsbank und Kurzarbeitergeld

Bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) könnte daneben ein neuer Garantiefonds zugunsten von kleiner und mittlerer Unternehmen mit einem Volumen von 25 Mrd. € eingerichtet werden, der Kreditportfolios von bis zu 200 Mrd. € absichern würde.

Deutschland ist zudem bereit, dem Vorschlag Kommission für ein befristetes europäisches Programm zur Förderung von Kurzarbeitergeld (SURE) zuzustimmen. Hierüber können Kredite im Umfang von bis zu 100 Mrd. € an die betroffenen Mitgliedstaaten gewährt werden. Für deren Finanzierung hat Deutschland die Übernahme zusätzlicher Garantien zugesagt.

Auch für Maßnahmen zur Wiedererstarkung der wirtschaftlichen Aktivität nach Ende der akuten Bedrohung durch das Virus hat Deutschland seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt. Über die konkrete Ausgestaltung, das Volumen, die Mittelverteilung und Finanzierung dieser Maßnahmen ist in den nächsten Wochen zu beraten. In diesem Zusammenhang ist auch zu überprüfen, inwieweit Mittel aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU von 2021 bis 2027 – also dem EU-Haushalt – in Betracht kommen können. Sollte es zu einer Erhöhung des bisher angedachten MFR-Volumens von 1,0 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) kommen, käme auf Deutschland als größten Zahler der höchste Finanzierungsanteil zu.

Eurobonds wären vermutlich mit dem Grundgesetz nicht vereinbar

Eurobonds mit gesamtschuldnerischer Haftung würden auf eine teilweise Entmachtung des Deutschen Bundestags und damit einen Schaden für das Demokratieprinzip in Deutschland hinauslaufen. Der Deutsche Bundestag verfügt über das alleinige Budgetrecht, d. h. er entscheidet über Ausgaben, Einnahmen, Schulden und Garantien, die die deutschen Steuerzahler zu tragen haben. Die Haushaltsautonomie ist ein unveräußerliches, im Grundgesetz verankertes Recht und mehrfach durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Eurobonds mit gesamtschuldnerischer Haftung würden die Entscheidungshoheit des Bundestags durchbrechen. Auf Deutschland kämen unbegrenzte Haftungsverpflichtungen auf andere Staaten zu, auf deren Eintrittsrisiko die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und damit die Wähler in Deutschland keinen Einfluss hätten. Andere Staaten würden entscheiden, wofür die deutschen Steuerzahler geradestehen müssen. Das ist aus verfassungsrechtlicher und demokratischer Sicht nicht akzeptabel.

Europarecht erlaubt keine Eurobonds

Die Befürworter von Eurobonds setzen sich leichtfertig über das bestehende Europarecht hinweg. Art. 125 AEUV beinhaltet die „No-Bail-out“-Klausel, wonach es keine Haftung der Staaten untereinander geben darf. Eurobonds mit gesamtschuldnerischer Haftung wären ein Einstieg in diese Haftungsunion.

Der Unterschied von Eurobonds zu bestehenden europäischen Anleihen z.B. des ESM, EIB, der Kommission oder im Rahmen von Zahlungsbilanzhilfen für Nicht-Euro-Länder - auch das geplante Kurzarbeiterprogramm SURE würde auf diesem Wege finanziert - besteht in der Begrenzung der Haftung auf die Höhe der Garantien bzw. des gewährten Kapitals je Mitgliedstaat. Eine gesamtschuldnerische Haftung zu 100% ist bei diesen Anleihen anders als bei Eurobonds nicht gegeben.

Auch der Rückgriff auf Art. 122 des AEUV (Naturkatastrophen und außergewöhnliche Ereignisse) kann keine gesamtschuldnerische Haftung legitimieren. Das Kurzarbeiterprogramm SURE, das sich auf Art. 122 stützt, beinhaltet eine Haftungsbegrenzung in Höhe der vom Mitgliedstaat gewährten Garantie. Es ist ein temporäres Instrument, das keine dauerhafte Änderung der Architektur der Eurozone darstellt. Dies zeigt, dass selbst bei Einverständnis ein sehr langer Weg zu Eurobonds zu gehen wäre. Bis dahin stünden die betroffenen Staaten ohne Hilfe da.

Deutschland darf nicht überlastet werden

Eurobonds würden eine erhebliche Transferkomponente enthalten, da die Mittelbeanspruchung in den betroffenen Staaten über dem Tilgungs- und Haftungsanteil liegen würde. Deutschland müsste einen größeren Anteil der Schulden tragen, als es selbst an zusätzlichen Mitteln zugeteilt bekäme. Bei einer gemeinsamen Anleihe von 1000 Mrd. € müsste Deutschland nach dem EZB-Kapitalschlüssel rund 264 Mrd. € zurückzahlen, selbst aber keine oder nur geringe Mittel in Anspruch nehmen. Die Haftungsübernahme für andere Staaten ist dabei noch nicht mitgerechnet.

Ein derartig hoher Transfer ist für den Bundeshaushalt – zusätzlich zu den ohnehin schon absehbaren Mehrbelastungen im europäischen Kontext – nicht leistbar. Deutschland ist selbst in erheblichem Ausmaß von der Corona-Pandemie betroffen. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und zur Stützung von Unternehmen und Arbeitsplätzen kosten den deutschen Staat mehrere hundert Milliarden Euro, die nur über die Aufnahme von neuen Schulden zu finanzieren ist.

Fazit

Die gemeinsame europäische Kreditaufnahme über Eurobonds mit gesamtschuldnerischer Haftung ohne Zweckbindung oder Gegenleistung würde die Architektur der Eurozone grundlegend verändern. Die aktuelle Corona-Krise darf nicht dazu missbraucht werden, um derartig weitgehende Eingriffe durchzusetzen. Die Krisen der letzten Jahre haben bereits viele neue Institutionen und Instrumente hervorgebracht. Wir brauchen keine endlosen Debatten um Fragen des Europa- und Verfassungsrechts, sondern müssen den betroffenen Staaten jetzt zügig und sofort unter vereinfachten Bedingungen helfen.

Deutschland unterstützt mit hohen Zahlungen und Garantien über den EU-Haushalt, die EIB, den ESM und das neue Programm SURE die Maßnahmen in den europäischen Partnerländern zur Eindämmung des Coronavirus und zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Aktivität.

Mit freundlichen Grüßen

Antje Tillmann

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