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Frage von Sascha R. •

Frage an Angelika Graf von Sascha R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo ich habe einige fragen

1. wenn das sogenante beschndeidungsgesetz in kraft tritt, gibt es eigentlich auch dann für die opfer möglichkeiten für schmerzensgeld oder schadensersatz, wenn diese volljährig sind? Da ja heute schon viele darunter zu leiden haben und weltweit 10000 juden dagegn sind.

2. es gibt den gleichhatsgrundsatz, da ja nur an jungen genitalverstümmelungen dürchgefürt werden dürfen, neigen sie dann eher dazu zusagen wir legalisieren die weibliche form auch oder meinen sie ob man dann doch lieber die genitalverstümmelung bei jungs und mädchen verbieten sollte. es gibt bereits forderungen zu weiblichen genitalverstümmelung, welche der männlichen enspricht dazu folgender link.

www.humanist-news.com/professor-fordert-legalisierung-von-genitalverstummelung-fur-madchen/

3 warum redet man eigentlich bei der männlichengenitalverstümmelung von beschmeidung ? da wird doch die komplettevorhaut amputiert. und damit gehen bis zu 20.000 nervenenden verloren.

4, wie stehen sie zur verantwortung in deutschland minderheiten zu schützen, wie zum beispiel jüdische gegner der sogenanten beschneidung und ihr recht aug körperliche unversehrtheit beschnitten wird?

5. warum klärt der bundestag die verfassungsrechtlichkeit der sogenanten beschneidung durch das bundesverfassungsgeriicht nicht ab ? dies würde doch eine ernorme rechtsicherheit schaffen. denn wenn das gesetz beschlossen ist könne immer noch strafanzeigen folgen und dann muss das bundesverfassungsgericht ohnehin entscheiden.

6 glauben sie das das sogenannte beschneidungsgesetz mit der verfassung vereinbar und dem kinderrechtskonvention ist?

7. natürlich müssen wir auf die jüdisch bevölkerung rücksicht nehmen, aber bedeutet das nicht das wir diplomatische gespräche führen müssen, anstatt etwas zu legalisieren wofür es keine einstimmige meinung gibt und dann die minderheiten darunter zu leiden haben?

mit freundlichen grüßen

Sascha Rode

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Rode,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 7. November 2012.

Seit einigen Monaten wird in der deutschen Öffentlichkeit das Urteil des Landgerichts Köln zur Strafbarkeit der Beschneidung ohne medizinische Indikation (Urteil vom 07.05.2012, Aktenzeichen 151 Ns 169/11) diskutiert. Das Kölner Urteil hat keinerlei bindende Wirkung.

Als Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe habe ich mich mit der Thematik mit besonderem Blick auf die Menschen- bzw. die spezifischen Kinderrechte auseinander gesetzt. Ich denke, dass diese Thematik höchst sensibel ist und keineswegs mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten ist. Dafür ist die Sachlage - in rechtlicher wie religiöser Hinsicht - viel zu komplex und sich überlagernd.

Grundsätzlich möchte ich daher zunächst einmal darum bitten, diese vielschichtige Debatte nicht zu vereinfachen. Derzeit - so ist mein Eindruck - streitet die eine Seite die Schwere des Eingriffs einfach ab und die andere Seite, die Kritiker, negieren einen Eingriff in die Religionsfreiheit. Dabei muss (menschen-)rechtlich betrachtet zwischen drei Rechten abgewogen werden: das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, das religiöse Erziehungsrecht der Eltern und das Recht auf Religionsfreiheit.

Fakt ist jedoch auch, dass die Beschneidung in zwei großen Weltreligionen eine zentrale religiöse Rolle einnimmt. Die deutschen Ärzte sind in der Frage gespalten. Die Bundesärztekammer rät wegen der unklaren Rechtslage von Beschneidungen aus religiösen Gründen vorerst ab, ebenso wie der Verband der Kinder- und Jugendärzte.

Das Landgericht Köln kam in seinem Urteil zu der Einschätzung, dass dem Recht der Eltern auf religiöse Erziehung in Abwägung zum Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung kein Vorrang zukomme, so dass mit der Einwilligung in die Beschneidung ein Widerspruch zum Kindeswohl festzustellen ist. Die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern würden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie abwarten müssten, ob sich das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheide. Dieses Urteil war jedoch die Einzelentscheidung eines Gerichts und somit nicht bindend.

Der Deutsche Ethikrat diskutierte bereits am 23. August 2012 öffentlich über dieses Thema. Dabei wurden medizinische, religiös-kulturelle, straf- und verfassungsrechtliche sowie ethische Aspekte thematisiert. Der Ethikrat empfiehlt, rechtliche Standards für die Beschneidung von minderjährigen Jungen einzuführen und dabei sollen folgende Mindestanforderungen gelten. Nämlich, die umfassende Aufklärung und Einwilligung der Sorgeberechtigten, eine qualifizierte Schmerzbehandlung, die fachgerechte Durchführung des Eingriffs und die Anerkennung eines entwicklungsabhängigen Vetorechts des betroffenen Jungen.

Wie Sie sicherlich aus den Medien bereits erfahren haben, stimmten die Mitglieder des Deutschen Bundestags in der 189. Sitzung am 19. Juli 2012 mehrheitlich für den interfraktionellen (CDU/CSU, FDP, SPD) Antrag (BT-Drucksache 17/10331) in naher Zukunft eine gesetzliche Regelung zur Rechtfertigung der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierter Beschneidung von Jungen zu schaffen. Ich selbst hatte bei der Abstimmung im Sommer gegen den vorgelegten Antrag gestimmt. Dieser Regierungsentwurf lag nun in der vergangenen Woche zur Abstimmung vor. Zu dem Regierungsentwurf standen noch ein alternativer Gesetzentwurf um die Abgeordnete Marlene Rupprecht (SPD), sowie weitere Änderungsanträge zur Diskussion, die von Abgeordneten verschiedener Fraktion getragen wurden.

Ich stehe der Beschneidungspraxis sehr skeptisch gegenüber. Ich denke, dass eine Beschneidung, die ohne die Einwilligung eines Kindes und ohne medizinische Notwendigkeit vorgenommen wird, gegen ein verfassungsmäßiges Schutzrecht verstößt. Zudem missachtet eine Beschneidung aus religiösen oder kulturellen Gründen fundamentale Zielsetzungen der UN-Kinderrechtskonvention wie das Recht auf Gesundheit und den Schutz vor Gewaltanwendung.

Anders als viele Kritiker die behaupten, dass eine Beschneidung auch Teil der religiösen Freiheit sei, empfinde ich dies eher als Einschränkung der Religionsfreiheit des Kindes. Dem Jungen wird das Selbstbestimmungsrecht welcher Religion (oder auch gar keiner) er angehören möchte durch einen solchen Eingriff markant und offensichtlich genommen. Ich denke, dass ein Kind oder ein Jugendlicher selbst entscheiden sollte, an was und durch was er an etwas glauben möchte. Vielleicht fühlt er sich dem jüdischen oder islamischen Glauben verbunden, möchte aber nicht beschnitten werden. Andersherum könnte es auch sein, dass er sich dem christlichen Glauben oder auch keinem Glauben verbunden fühlt und durch die Beschneidung in einem Alter, wo er sich noch nicht dafür oder dagegen entscheiden kann zwangsweise mit körperlichen Folgen in eine Religionsgemeinschaft aufgenommen wird. Das ist wegen des irreversiblen körperlichen Schadens mit der Taufe nicht vergleichbar. Die Aufgabe der Eltern sollte es sein, das Kind dahingehend zu erziehen und zu befähigen, im jugendlichen Alter eine eigene Entscheidung zu treffen. Wenn der Jugendliche dies möchte, kann das natürlich auch eine Beschneidung beinhalten.

Ich denke aber, dass wir wegen der Heftigkeit der Debatte eine Regulierung in Deutschland gebraucht haben. Ich habe mich daher am vergangenen Mittwoch bezüglich des Regierungsgesetzesentwurf enthalten und für den Gesetzesentwurf von Marlene Rupprecht u.a. (BT-Drucksache 17/11430) gestimmt. Dieser Gesetzesentwurf kritisiert den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 19. Juli 2012 und hält ihn für einseitig und falsch. Es wird außerdem das übereilte Gesetzgebungsverfahren, welches eine gründliche und eine der Schwere der hier berührten Grundrechtsfragen angemessene Auseinandersetzung mit dem Thema erschwert, kritisiert.

Der vorgelegte, alternative Gesetzentwurf, der leider keine Mehrheit gefunden hat, regelt und erlaubt grundsätzlich eine Zirkumzision unter Einhaltung bestimmter Anforderungen im Recht der elterlichen Sorge (§§ 1626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB). Da es sich bei der Zirkumzision aber um einen schmerzvollen und mit Risiken behafteten chirurgischen Eingriff handelt, der zu einer irreversiblen Entfernung eines hochsensiblen, erogenen und funktional wichtigen Körperteils führt, regelt der Gesetzesentwurf, dass in diesem Fall in die körperliche Unversehrtheit des Kindes nur mit dessen ausdrücklicher Einwilligung eingegriffen werden darf. Voraussetzung dafür ist die Vollendung des 14. Lebensjahres und die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des betroffenen Kindes. Die Zirkumzision muss darüber hinaus nach den Regeln der ärztlichen Kunst von einer Ärztin oder einem Arzt mit der Befähigung zum Facharzt für Kinderchirurgie/Urologie erfolgen.

Ihre Frage nach der Genitalverstümmelung von Mädchen möchte ich wie folgt beantworten. Ich finde es grundsätzlich schwierig, diese beiden Praktiken zu vergleichen. Genitalverstümmelung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Hierbei werden - je nach Grad der Beschneidung - durch die Abtrennung der Schamlippen un der Klitoris dem Mädchen unvergleichlich schlimme Schäden zugefügt, die insbesondere bei einer Geburt zu schrecklichen Verletzungen der Frauen führen. Trotz internationaler Ächtung der Genitalverstümmelung, zahlreichen Konventionen, langem politischen Engagement, umfangreichen Projekte in Entwicklungsländern und einer von Islamischen Gelehrten ausgerufenen Fatwa (Kairo 2006) ist Genitalverstümmelung immer noch ein gravierendes Problem. Genitalverstümmelung ist ein Ritus der viele unterschiedliche Rechtfertigungen kennt: von Initiation bis zur Kontrolle über die weibliche Sexualität. In unserem Antrag „Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen“ (BT-Drucksache 16/9420) haben wir 2008 dazu einen fraktionsübergreifenden Grundstein gelegt. Genitalverstümmelung ist auch nicht religiös begründet.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf