Alexander Hartmann
BüSo
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Frage von Armin U. •

Frage an Alexander Hartmann von Armin U. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Hartmann,

wie so oft, fordert eine Antwort gleich die nächsten Fragen heraus:
mir ist durch Nachhilfetätigkeit durchaus bekannt, daß die Kinder in Deutschland an der schlechten Mathematikausbildung leiden.
Ebenso ist mir bekannt, daß viele Menschen z.B. die Haushalts- und die Klimadebatte nicht verstehen können, weil sie ein mangelhaftes Mathematik- und Computerwissen haben.
Meine Fragen sind nun:
a) wie können Sie meinen, z.B. Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler für Ihre Partei zu gewinnen, wenn Sie selber den Sinn der Mathematik derart anzweifeln?
b) wie können Sie den Namen Kepler anführen, der immerhin auch seine Ergebnisse "in Formeln, mit denen man zwar rechnen kann, gegossen hat"? Immerhin entstanden die Keplerschen Gesetze so. Wenn Kepler die Leistungen der heutigen Computer gesehen hätte, hätte er gesagt: "das ist das Gerät, was ich brauche".

Antwort von
BüSo

Sehr geehrter Herr Ulrich,

meine Erfahrungen sagen mir, daß gerade Ingenieure in der Regel erfreut sind, wenn sie eine Partei kennenlernen, die nicht alles nur nach dem Geld beurteilt, sondern vor allem den physischen Nutzen, den solche Dinge wie Kernkraftwerke oder der Transrapid bedeuten. Viele von ihnen, gerade wenn sie in größeren Betrieben arbeiten oder mit ihnen zu tun haben, kennen den tagtäglichen Ärger mit Buchhaltern (und Bankern), die von der physischen Seite des betriebes keine Ahnung haben.

Meines Wissens bilden die Wirtschaftswissenschaftler keine so große Wählergruppe, daß ich mir darum Sorgen machen müßte, wenn sie das Programm der BüSo nicht verstehen. Aber gerade diese Gruppe weiß vielleicht am Besten, daß das, was sie uns als ihrer Weisheit letzten Schluß anpreisen, nicht viel taugt, und hat vielleicht sogar ein schlechtes Gewissen dabei, wenn sie den Politikern die Expertisen liefern, die diese gerne hören wollen. Jedenfalls können sie schlecht bestreiten, daß sie die Krise mit ihren Theorien nicht vorgergesehen haben, was ja nach Aussage vieler dieser Leute auch völlig unmöglich war - obwohl die BüSo, wie gesagt und nachweisbar, vor genau dieser Krise und ihrem Zustandekommen schon jahrelang gewarnt hat.

Natürlich muß man die Mathematik beherrschen, um die herauszufinden, was Realität ist und was nicht; so wie dies auch Kepler getan hat, aber man muß auch deren Grenzen kennen und nicht glauben, daß uns die Mathematik jenseits dieser Grenzen weiterhelfen kann. Die "Keplerschen Gesetze" in der mathematischen Verballhornung, in der sie heute gelehrt werden, stammen so nicht von Kepler, sondern von Newton oder dessen Umkreis. Sie taugen möglicherwise als "Pi mal Daumen"-Regel, mit der sich bestimmte Dinge berechnen lassen, aber die sagen und erklären uns nicht, was tatsächlich physisch vor sich geht.

Für Kepler ging es darum, die physische Bewegung der Planeten zu verstehen. Die Mathematik lieferte ihm nur die Mittel, festzustellen, daß die früheren Modelle von Ptolemäus, Kopernikus und Brahe diese physische Realität nicht richtig beschrieben, sie lieferte ihm nicht die Erkenntnis, was es mit dieser physischen Realität auf sich hatte. Tatsächlich hat Kepler sogar den Mathematikern die Aufgabe gestellt, ihre Mathematik so weiter zu entwickeln, daß man mit ihr die Wirkung eines ständig wirkenden Prinzips berechnen konnte, was viele Jahre später von Leibniz mit seinem Infinitesimalkalkulus gelöst wurde.

Da Kepler "seinen Kues" kannte, und die Widerlegung der archimedischen Quadratur des Kreises durch Nikolaus von Kues, hätte er sicher sofort bemerkt, daß die heutigen Computer, sobald es um nichtlineare physische Prozesse geht, nur Näherungswerte liefern, auch wenn ihn das vielleicht nicht daran gehindert hätte, einen Taschenrechner zu gebrauchen, wenn es einen gegeben hätte (eine Rechenmaschine hat ja auch erst Leibniz konstruiert).

Jeder fähige Ingenieur weiß, daß man das, was die Computer liefern, in der Natur auf seine Richtigkeit überprüfen muß. Wenn dann Buchhalter kommen, und meinen, man
könne die Ingenieure und ihre Tests ersetzen durch Computer, dann kommt eben so etwas dabei heraus wie der berüchtigte Elchtest-Umfaller von Mercedes. Die Ingenieure
hatten davor gewarnt, aber die Vorstände hörten offenbar auf die Buchhalter.

Das gilt heute leider für einen großen Teil der Entscheidungen in der Politik und in der "Wirtschaft", und die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt, wo das hinführt. Deshalb versuchen wir, uns und insbesondere unserem "Nachwuchs" eine realwirtschaftliche, physische Kompetenz zu erarbeiten, mit der sie die Dinge richtiger beurteilen können. Und die Tatsache, daß wir die Wirtschafts- und Finanzkrise im Gegensatz zu anderen richtig vorhergesehen haben, verstehen wir als Bestätigung, daß wir da auf dem richtigen Wege sind.

Mit freundlichen Grüßen,

Alexander Hartmann